Hardy Kettlitz – Die HUGO Awards 1953-1984

Für Fans, Sammler, Kritiker: die Geschichte eines SF-Preises

Der Hugo Award ist weltweit der wichtigste und bekannteste Preis für Science-Fiction-Werke. Er wird seit 1953 von den Mitgliedern der World Science Fiction Convention während einer feierlichen Zeremonie in zahlreichen, gelegentlich wechselnden Kategorien vergeben.

In diesem Buch werden die ausgezeichneten Werke und die Preisträger aus dem Zeitraum 1953 bis 1984 gewürdigt und einzeln vorgestellt, und zwar nicht nur die bedeutenden Romane oder Filme, sondern auch Illustratoren, Herausgeber und Fans. Ein großartiges Lesebuch wie auch ein äußerst nützliches Nachschlagewerk für alle, die sich für die Science Fiction interessieren. (Verlagsinfo)

Der Autor

Hardy Kettlitz war lange Zeit Mitarbeiter des SF-Magazins „Alien Contact“, das er die meiste Zeit als Chefredakteur verantwortete und für das er zahlreiche Artikel, Interviews und über 300 Rezensionen schrieb. Seit 1994 gibt er die Buchreihe „SF Personality“ heraus, für die er (z. T. mit Christian Hoffmann und anderen) bisher über ein Dutzend Ausgaben verfasste, u. a. über Edmond Hamilton, Ray Bradbury, Isaac Asimov, Robert A. Heinlein, Robert Sheckley, Fritz Leiber, Clifford D. Simak und Cordwainer Smith.

2002 wurde er für seine Arbeit an Alien Contact, die Reihe „SF Personality“ und die Organisation der Berliner »Tage der Phantasie« mit dem Kurd Laßwitz Preis ausgezeichnet. Anfang 2015 hat er innerhalb des Golkonda Verlages das Imprint „Memoranda“ gegründet. (Verlagsinfo)

INHALT

1) Wieso HUGO und wer ist dieser Typ überhaupt?

Im VORWORT weist der Autor darauf hin, dass die Bezeichnung „Hugo Gernsback Award“, mit der der Heyne-Verlag gerne auf seinen Titelbildern warb, nicht korrekt ist. Der Preis heißt einfach nur „The HUGO Award“. Er wird von den Leser verliehen, was ihn vom NEBULA Award unterscheidet, der von Schriftstellern verliehen wird. Man kann sich darüber streiten, wer das bessere Näschen für Qualität hat.

Der Preis hat sich nach Hugo Gernsback benannt, einem aus Luxemburg zugewanderten amerikanischen Herausgeber und Autor, der von 1884 bis 1967 lebte. Er prägte auch die Bezeichnung „Scientifiction“ beziehungsweise „Science Fiction“ und gab im April 1926 mit „Amazing Stories“ das erste SF-Magazin heraus. Der Rest ist Geschichte. Aber sein Geist des Selfmade-Mans sollte die amerikanische SF fortan prägen. Wenn man sich nur all die Publikationen, Autoren und Künstler aus der Fangemeinde, dem „Fandom“, anschaut, die mit dem HUGO geehrt wurden, dann spricht dies Bände.

2) Einführung und Anmerkungen

Es gehört zu der Methode der Wiederverwertung, die dieses Buch prägt, dass die Einführung über den HUGO Award nicht von Kettlitz stammt, sondern von John Clute und Peter Nicholls. Diese gaben zweimal die Encyclopedia of Science Fiction“ heraus und bildeten mit ihren Artikeln die Ansichten von Generationen von Lesern. Dieser Lexikon-Artikel aus dem Jahr 1995 bewertet den Award und vergleicht ihn mit dem NEBULA, um seinen Wert zu charakterisieren.

Die Anmerkungen, die Kettlitz dazu angehängt hat, erläutern sämtliche Details. Diese Informationen sind wesentlich zum Verständnis der späteren Kapitel zu den jeweiligen Jahren und den zahlreichen Preisen. Ohne diese Infos würde man sich endlos wundern, warum auf den World Conventions der World SF Society „Fan Artists/Editors/Authors“ und „Semi-Professional Artists/Editors/Authors““ usw. ebenfalls Preise verliehen bekamen. Der Nachwuchs wird eben gehörig gefördert.

Besonders seltsam sind der „Gandalf Award“ für das Lebenswerk eines verdienten Autors und der HUGO für Fantasy-Werke. Letzteren würde man nicht ohne weiteres von SF-Lesern erwarten. Newcomer werden regelmäßig mit dem John W. Campbell Award geehrt, eine weitere Kuriosität, denn er wird nicht von der World SF-Society gewählt, wohl aber auf den HUGO-Conventions verliehen. Die Gründe dafür sind, wie so häufig, historischer Natur.

Zu den Regeln gehört auch die Einteilung der Preiskategorien für Texte: Novel, Novella, Novelette und Short Story. Im Laufe der Jahre entwickelte sich eine bewährte Einteilung der Textkategorien, die sich an der Zahl der Wörter orientiert, die ein Text umfasst. Wie genau die Einteilung aussieht, kann man online unter the.hugoawards.org nachlesen.

Dieses Vorgeplänkel schließt eine Statistik der „häufigsten HUGO-gewinner“, der „häufigsten HUGO-Nominierungen“ und der „häufigsten HUGO-Nominierungen ohne Gewinn“ ab.

3) Die HUGO Awards 1953-1984

Dies ist naturgemäß der umfangreichste Teil des Buches: Von S. 21 bis S. 298 darf man hier rund 280 Seiten durchackern. Aber das Durchackern kann auch ein Vergnügen sein, wie man es etwa aus einer Enzyklopädie ziehen kann.

Neben der bio-bibliografischen Charakterisierung aller Preisträger (da findet sich so manches rührende Schicksal) versteht es der Autor, jedes preisgekrönte Werk einzeln zu würdigen. Es bleibt aber nicht bei bloßer Berichterstattung in Form von Beschreibung, sondern auch eine kritische Einschätzung findet hier ihren Platz. So kann man sich mit dem Autor über so manches preisgewürdigte Werk nur wundern.

„Starship Troopers“ von Heinlein bekam 1960 den Preis verliehen, eine militaristische Geschichte, die den Soldaten/Krieger zum Verfechter privater Freiheit erhebt – sehr fragwürdig. Auch „Ringwelt“ von Larry Niven, der Auftaktband eines Zyklus‘, der bis heute fortgeschrieben wird, ist von recht fraglicher literarischer Qualität: Die Ausgangsidee der titelgebenden Welt, die als künstlicher Ring eine Sonne umkreist, ist interessant, aber die Plot-Ideen entsprechen der Pulp Fiction der 1930er Jahre.

Man sieht also, dass der Leser nicht alleingelassen wird, sondern einen Maßstab zur Beurteilung der ausgezeichneten Werke an die Hand bekommt. Damit sich der Leser auch einen optischen Eindruck machen kann, sind alle Werke mit ihren Titelbildern abgedruckt – in mehreren englischsprachigen Ausgaben und, wo realisierbar, auch in der deutschen Ausgabe. Auffällig ist der hohe Anteil an Ausgaben des Heyne-Verlags.

Den Großteil dieser Informationen und Bilder beschaffte sich der Autor aus seinem Verlag und aus den Büchern der Reihe „SF Personality“, die er seit 1994 als Herausgeber veröffentlichte (s. o.). Daher sind die Lizenzrechte sowieso gesichert und geklärt.

4) Anhang

Stichwortregister, Quellenverzeichnis und Erklärung der Abkürzungen machen diesen Anhang aus. Davon ist der Index wohl der nütztlichste Teil: Hier findet man jeden Namen und Titel. Dies ist ein sehr nützliches Suchwerkzeug. Die Liste der Abkürzungen hätte aber VOR den einzelnen HUGO-Jahre einen nützlicheren Platz gehabt. Das Quellenverzeichnis ist erstaunlich kurz: sechs Lexika, Bibliografien und SF-Historien sowie sieben Online-Quellen – das war’s.

Mein Gesamt-Eindruck

Als Sammler und langjähriger Rezensent, Fan und Leser von Science-Fiction und Fantasy habe ich diese rund 300 Seiten in möglichst kurzer Zeit verschlungen. Viele Werke, Angaben und Informationen über Autoren und Werke waren mir schon bekannt, aber Kettlitz schaffte es, viele Lücken zu füllen und mich mit neuen Mitwirkenden der SF-Szene vertraut zu machen.

So waren mir zwar die Namen von Grafikern wie Vincent Di Fate und Michael Whelan zwar geläufig, aber von Leuten wie Rick Sternbach hatte ich noch nie gehört. Und das Schicksal der Fan-Autorin Susan Wood, die mit nur 32 Jahren starb, rührte mich ebenso wie der Tod von John Brunner 1995 auf der Convention in Glasgow. Er war nicht mal 60 Jahre alt.

Nach 280 Seiten entstand in mir der Eindruck einer lebendigen weltumspannenden Leser- und Grafikergemeinde, die fortwährend mit Produktion, Verkauf/Vertrieb und Bewertung beschäftigt ist. Sie unterscheidet sich dadurch kaum von anderen Branchen – nicht einmal in der Kritik, dem Lob von anderen (Laudatio genannt) und in der umsatzträchtigen Vergabe von Preis in schier zahllosen Kategorien. All diese Phänomene sind heute beispielsweise auch in der Informationstechnologie zu finden.

Übrigens sollte keinesfalls der Eindruck entstehen, der HUGO sei nur eine Angelegenheit für Leser: Hier werden auch Filme wie etwa „Star Wars“ (1977) gewürdigt und ausgezeichnet. Wie der Autor ganz richtig sagt, streiten sich die Experten, ob es sich bei „Star Wars“ um Science-Fiction oder Fantasy handle, da ja die „Force“ eindeutig keine naturwissenschaftliche Grundlage aufweist, sondern eher an Magie heranreicht. Ein weiteres gewürdigtes Medium sind Schallplatten bzw. CDs. Ich habe Leonard Nimoys Lied über Bilbo, den Hobbit vermisst.

Eine beunruhigende Entdeckung hatte ich ebenfalls zu machen: In manchen Jahrgängen wurde nur der geringste Teil ins Deutsche übertragen. Unscheinbar in Mikroschrift steht dann der Eintrag „nicht auf Deutsch“ neben einem Eintrag. Dass dieser Eintrag mindestens einmal nicht korrekt ist, fand ich auf S. 244: Vonda McIntyres Story „Fireflood“ gibt es durchaus auf Deutsch: in dem Erzählband „Feuerflut“ (Moewig 3551). Die deutschen Einträge reichen bis ins Jahr 2015 und zwar bis George R. R. Martins Buch „Traumlieder II“ vom März 2015. Aktueller geht es nur online.

Donald Tucks „Handbook of Science Fiction and Fantasy“ (1962) schaffte es ebensowenig zu uns wie eine französische SF-Enzyklopädie, die nie in eine andere Sprache übersetzt wurde. Auch Bildbände wie die „Encyclopedia of SF-Hardware“ von Vincent Di Fate wird man hierzulande vergeblich suchen. Sie sind teuer in der herstellung und ihre Zielgruppe ist (vermutlich) zu klein, um ihre Übersetzung und Herstellung wirtschaftlich zu rechtfertigen. Bildbände wie etwa zu „Star Trek“ und „Star Wars“ findet man heute aber noch in Comic-Shops. Von denen ist praktisch jeder auch online zu finden.

Schwächen

Oje, so viele Druckfehler! Sie alle aufzuzählen, wäre vergebliche Liebesmüh. Sie stören zwar nicht den Lesefluss, erwecken aber doch den Eindruck, dass der finale Text nicht mehr durchgesehen wurde. Welche Fehler mögen sich darin noch verbergen?

Unterm Strich

Dieses Buch eignet sich als Einführung und Nachschlagewerk, wenn der Interessierte, Fan oder Rezensent einfach nur die wichtigsten Werke (Buch, Zeitschrift, Film, Audio, Grafik) in den Genres Science-Fiction und Fantasy (und manchmal auch Horror) kennenlernen oder nachschlagen will. Die Darstellung ist meist unvoreingenommen und objektiv, zudem war man um eine möglich umfassende Informationslage bemüht: Das Buch ist auf dem Stand von 2015.

Neben zahlreichen hilfreichen Beschreibungen liefert der Autor auch kritische Würdigungen. Sein Urteil ist fundiert und durch andere Meinungen ergänzt bzw. abgesichert. Diese Verrisse sind also nicht an den Haaren herbeigezogen und schon gar nicht einseitig oder gar wütend – derart persönliche Gründe für einen Verriss sind unglaubwürdig und entwerten einen Verriss. Umso lieber habe ich daher lobende Urteile gelesen, umso mehr, als sich viele positive Wertungen mit meinen eigenen Erfahrungen decken.

Nur bis 1984

Der Laie wird sich allerdings fragen, warum dieser Band ausgerechnet die Zeit von 1953 bis 1984 abdeckt. Die Abgrenzung erscheint willkürlich. Sie ist aber dem Gegenstand geschuldet: Vor 1953 gab es noch gar keine HUGO’s. Und 1984 war für das SF-Genre ein derart einschneidendes Jahr, dass es sich wohl anbot, den Band damit abzuschließen. Der Zeitraum 1985 bis 2015, immerhin weitere 31 Jahre, ist wohl für eine Fortsetzung ins Visier gefasst.

Der wahre Grund für die Zäsur bei 1984 bzw. nach 315 Seiten ist wohl der, dass ein größerer Umfang die Herstellungskosten in unwirtschaftliche Höhen getrieben hätten. Mit knapp 19 Euro liegt der Preis bereits an der Grenze für ein Taschenbuch aus einem Nischenverlag – und weit über dem Durchschnittspreis für ein Taschenbuch aus einem Großverlag wie Random House oder Lübbe.

Broschiert: 315 Seiten
ISBN-13: 978-3944720715
golkonda-verlag.de

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