Hardy Kettlitz – Die HUGO Awards 2001-2017

Die Geschichte eines SF-Preises: aktuell & mit Fotos

Der Hugo Award ist weltweit der wichtigste und bekannteste Preis für Science-Fiction-Werke. Er wird seit 1953 von den Mitgliedern der World Science Fiction Convention während einer feierlichen Zeremonie in zahlreichen, gelegentlich wechselnden Kategorien vergeben.

In diesem dritten Band der Reihe werden die ausgezeichneten Werke und die Preisträger aus dem Zeitraum 2001 bis 2017 gewürdigt und einzeln vorgestellt, und zwar nicht nur die bedeutenden Romane oder Filme, sondern auch Illustratoren, Herausgeber, Podcasts und Fans. Ein großartiges Lesebuch wie auch ein äußerst nützliches Nachschlagewerk für alle, die sich für die Science Fiction interessieren! (Verlagsinfo)

Der Autor

Hardy Kettlitz war lange Zeit Mitarbeiter des SF-Magazins „Alien Contact“, das er die meiste Zeit als Chefredakteur verantwortete und für das er zahlreiche Artikel, Interviews und über 300 Rezensionen schrieb. Seit 1994 gibt er die Buchreihe „SF Personality“ heraus, für die er (z. T. mit Christian Hoffmann und anderen) bisher über ein Dutzend Ausgaben verfasste, u. a. über Edmond Hamilton, Ray Bradbury, Isaac Asimov, Robert A. Heinlein, Robert Sheckley, Fritz Leiber, Clifford D. Simak und Cordwainer Smith.

2002 wurde er für seine Arbeit an Alien Contact, die Reihe „SF Personality“ und die Organisation der Berliner »Tage der Phantasie« mit dem Kurd Laßwitz Preis ausgezeichnet. Anfang 2015 hat er innerhalb des Golkonda Verlages das Imprint „Memoranda“ gegründet. (Verlagsinfo)

Inhalte

1) Hintergrund: Wieso HUGO und wer ist dieser Typ überhaupt?

Im VORWORT weist der Autor darauf hin, dass die Bezeichnung „Hugo Gernsback Award“, mit der der Heyne-Verlag gerne auf seinen Titelbildern warb, nicht korrekt ist. Der Preis heißt einfach nur salopp „The HUGO Award“. Er wird von den Lesern verliehen, was ihn vom NEBULA Award unterscheidet, der von Schriftstellern und Fachleuten verliehen wird. Man kann sich darüber streiten, wer das bessere Näschen für Qualität hat, aber Peter Nicholls, der Herausgeber der maßgeblichen „Encyclopedia of Science Fiction“, hob den Daumen für den HUGO und die Leser. Mehr Info: thehugoawards.org.

Der Preis hat sich nach Hugo Gernsback benannt, einem aus Luxemburg zugewanderten amerikanischen Herausgeber und Autor, der von 1884 bis 1967 lebte. Er prägte auch die Bezeichnung „Scientifiction“ beziehungsweise „Science Fiction“ und gab im April 1926 mit „Amazing Stories“ das erste SF-Magazin heraus. Der Rest ist Geschichte. Aber sein Geist des Selfmade-Mans sollte die amerikanische SF fortan prägen. Wenn man sich nur all die Publikationen, Autoren und Künstler aus der Fangemeinde, dem „Fandom“, anschaut, die mit dem HUGO geehrt wurden, dann spricht dies Bände.

2) Einführung und Anmerkungen

Zum anderen berichtet der Herausgeber von einer kleinen Rebellion in der Wählerschaft. Um das jahr 2013 herum gründete der Autor Larry Correia den Wählerzirkel „Sad Puppies“ (traurige Hundewelpen), um die Ergebnisse der HUGO-Wahlen zu manipulieren. Dieses HUGOgate“ ist im „SF-Jahr 2016“ des Golkonda-Verlags beschrieben worden. Die manipulierten Ergebnisse wurden 2015 mit dem Votum „Kein Preis“ quittiert. Nach diesem Ereignis mussten die Regeln anno 2017 angepasst werden.

Die Anmerkungen, die Kettlitz dazu angehängt hat, erläutern sämtliche Details. Diese Informationen sind wesentlich zum Verständnis der späteren Kapitel zu den jeweiligen Jahren und den zahlreichen Preisen. Ohne diese Infos würde man sich endlos wundern, warum auf den World Conventions der World SF Society „Fan Artists/Editors/Authors“ und „Semi-Professional Artists/Editors/Authors““ usw. ebenfalls Preise verliehen bekamen. Der Nachwuchs wird eben gehörig gefördert.

Newcomer werden regelmäßig mit dem John W. Campbell Award geehrt, eine weitere Kuriosität, denn er wird nicht von der World SF-Society gewählt, wohl aber auf den HUGO-Conventions verliehen. Dennoch fand ich solche Kandidaten von höchstem Interesse, denn aus ihnen wurden häufig Stars. Ab 2001 sind auch elektronische Medien hinzugekommen, die man übers Web nutzen kann. Dazu gehören v.a. Podcasts, von denen es einige Kuriosa gibt, sowie Online-Comic-Serien.

Zu den Regeln gehört auch die Einteilung der Preiskategorien für Texte: Novel, Novella, Novelette und Short Story. Im Laufe der Jahre entwickelte sich eine bewährte Einteilung der Textkategorien, die sich an der Zahl der Wörter orientiert, die ein Text umfasst. Wie genau die Einteilung aussieht, kann man online unter the.hugoawards.org nachlesen. Texte verlieren, wie gesagt, immer mehr an Bedeutung, besonders wenn sie in gedruckter Form vertrieben werden. Lieber sind mir und vielen anderen E-Books. Inzwischen gibt es sogar die Klassiker wie etwa Harrisons Stahlratten-Romane als E-Books.

3) Die HUGO Awards 2001-2017

Dies ist naturgemäß der umfangreichste Teil des Buches: Von S. 21 bis S. 298 darf man hier rund 280 Seiten durchackern. Aber das Durchackern kann auch ein Vergnügen sein, wie man es etwa aus einer Enzyklopädie ziehen kann.

Neben der bio-bibliografischen Charakterisierung aller Preisträger (da findet sich so manches rührende Schicksal) versteht es der Autor, jedes preisgekrönte Werk einzeln zu würdigen. Es bleibt aber nicht bei bloßer Berichterstattung in Form von Beschreibung, sondern auch eine kritische Einschätzung findet hier ihren Platz. So kann man sich mit dem Autor über so manches preisgewürdigte Werk nur wundern.

Man sieht also, dass der Leser nicht alleingelassen wird, sondern einen Maßstab zur Beurteilung der ausgezeichneten Werke an die Hand bekommt. Damit sich der Leser auch einen optischen Eindruck machen kann, sind alle Werke mit ihren Titelbildern abgedruckt – in mehreren englischsprachigen Ausgaben und, wo realisierbar, auch in der deutschen Ausgabe. Auffällig ist der hohe Anteil an Ausgaben des Heyne-Verlags.

Den Großteil dieser Informationen und Bilder beschaffte sich der Autor aus seinem Verlag und aus den Büchern der Reihe „SF Personality“, die er seit 1994 als Herausgeber veröffentlichte (s.o.). Daher sind die Lizenzrechte sowieso gesichert und geklärt.

Mein Gesamt-Eindruck

Als Sammler und langjähriger Rezensent, Fan und Leser von Science Fiction und Fantasy habe ich diese rund 350 Seiten in wenigen Tagen verschlungen. Viele Werke, Angaben und Informationen über Autoren und Werke waren mir schon bekannt, aber Kettlitz schaffte es, viele Lücken zu füllen und mich mit neuen Mitwirkenden der aktuellen SF- & Fantasy-Szene vertraut zu machen.

Nach rund 280 Seiten entstand in mir der Eindruck einer lebendigen weltumspannenden Leser-, Blogger-, Fan- und Grafikergemeinde, die fortwährend mit Produktion, Verkauf/Vertrieb, Kommunikation und Bewertung beschäftigt ist. Sie unterscheidet sich dadurch kaum von anderen Branchen – nicht einmal in der Kritik, dem Lob von anderen (Laudatio genannt) und in der umsatzträchtigen Vergabe von Preis in schier zahllosen Kategorien. All diese Phänomene sind heute beispielsweise auch in der Informationstechnologie zu finden.

Übrigens sollte keinesfalls der Eindruck entstehen, der HUGO sei nur eine Angelegenheit für lesende Menschen. Hier werden auch Filme wie etwa „Der Herr der Ringe 1-3“ (2001-3) und Serienepisoden wie GoT „The Rains of Castamere“ (aka „Die Rote Hochzeit“) gewürdigt und ausgezeichnet. Folgerichtig lassen sich seit 2017 ganze Serien und Zyklen auszeichnen, v.a. in der SF und Fantasy. Hinzukommen Comic-Serien, die zunehmend weibliche Hauptfiguren aufweisen, und Podcast-Serien.

Manipulation

Eine beunruhigende Entdeckung, die der Autor erwähnt, hatte ich ebenfalls zu machen: Von manchen Jahrgängen wurde nur der geringste Teil ins Deutsche übertragen. Unscheinbar in Mikroschrift steht dann den Eintrag „nicht auf Deutsch“ neben einem Eintrag. Die Folge ist klar: Die deutschen Leser, Autoren und Herausgeber sind nicht mehr auf dem Laufenden, was in der angelsächsischen Szene, die leider immer noch (oder schon wieder) maßgeblich ist, vor sich geht. Die USA sind nach wie vor der größte Markt für SF & Fantasy. Man richtet sich danach, oder lässt es gleich bleiben. Die deutschen Einträge reichen bis ins Jahr 2018 und zwar bis Mai. Aktueller geht es nur online.

Nachrufe

Jede Menge Nachrufe sollte man schreiben. Ursula K. le Guin erhielt ihren sechsten und letzten HUGO 2017, konnte ihn aber nicht mehr persönlich entgegennehmen. Sie starb im Januar 2018, während zahlreiche ihrer Werke noch der Veröffentlichung harren, besonders die Erzählungen. Noch viele weitere AutorInnen mussten ihren Abgang von der irdischen Bühne machen. Es ist die Aufgabe des Genre und seiner Community, dafür zu sorgen, dass man sich an sie erinnert.

Anhänge

A) Retro-HUGOs

„Retrospective Hugo Awards“ alias „Retro-Hugos“ werden auf den World Conventions vergeben und zwar in unregelmäßigen Abständen. Es gab nämlich WorldCons, auf denen kein Hugo vergeben wurde. Das war 1939 bis 1941, 1946-1952 und 1954. Die Vergabezeremonie wird jeweils 50, 75 oder 100 Jahre nach diesen WorldCons vergeben. Das war 1996, 2001, 2004, 2014 und 2016.

Die Preisempfänger sind hochkarätige Publikationen. Den Anfang macht T.H. Whites Artus-Trilogie „The Once and Future King“ von 1938. Wenige Seiten später folgt Orson Welles‘ aufsehenerregende Hörspieladaption von H.G. Wells‘ „War of the Worlds“, ebenfalls 1938. 1954 wurde die erste Verfilmung dieses Klassikers ausgezeichnet. Viele weitere klingende Namen tauchen auf den folgenden Seiten auf.

B) Die HUGO-Trophäe

Von der Trophäe in Raketenform hat der Autor Kettlitz nicht nur drei Fotos geschossen, sondern dazu auch interessante Infos gesammelt. Hier sind Fotos vom LonCon 2014 zu sehen, wo Kettlitz die Golkonda-Autorin Jo Walton traf und ablichtete.

C) 75. WorldCon in Helsinki

Auf sieben Seiten berichtet der Autor über den 75. WorldCon, der 2017 in Helsinki stattfand.

D) Ein umfangreicher INDEX beschließt das Buch.

Schwächen

Die Zahl der Druckfehler wurde gegenüber dem HUGO-Band 1 stark reduziert. Es gibt zwar hie und da falsche oder fehlende Endungen, aber dagegen ist wohl kein Kraut gewachsen.

S. 123: „mit einer Menge von Seitenhiebe[n]…“ Das N fehlt.

S. 167: Die Berufsbezeichnung „Filkerin“ – wird nicht erklärt, muss man also aus der Szene kennen. Ein Filker macht Folk Music im phantastischen Genre, siehe hier auf Deutsch: https://de.wikipedia.org/wiki/Filk_(Musik) . Offenbar gibt es das Phänomen schon seit mindestens 1955.

Unterm Strich

Dieses Buch eignet sich als Einführung und Nachschlagewerk, wenn der Interessierte, Fan oder Rezensent einfach nur die wichtigsten Werke (Buch, Zeitschrift, Film, Audio, Grafik, Comic, Podcast) in den Genres Science Fiction und Fantasy (und manchmal auch Horror) kennenlernen oder nachschlagen will. Die Darstellung ist meist unvoreingenommen und objektiv, zudem war man um eine möglich umfassende Informationslage bemüht: Das Buch ist nachprüfbar auf dem Stand von Mai 2017.

Etwas niederschmetternd, um nicht zu sagen: bestürzend waren die zahlreichen Sternchen-Vermerke hinter den nominierten Werken. So kommt es zu dem verwirrenden Eindruck, dass ein Meister wie China Miéville neben einem Manipulator wie Jeffro Johnson steht, ein Buch wie „The Censustaker“ (Miéville) neben einem Machwerk wie „Space Raptor Butt Invasion“ (ich hoffe, ich muss das nicht übersetzen). Mehr als einmal stehen da ganze Kategorien mit dem Vermerk „kein Preis“. Manche Werke der Manipulatoren wurden ins Deutsche übersetzt, darunter die Monsterkiller-Epen von Larry Correia.

Erfreulich ist hingegen die Vielzahl von weiblichen Autoren, die einen Spitzenpreis nach dem anderen einheimsen konnten. Das sind keine Heimchen vom Herd, sondern Dozentinnen und Aktivistinnen. Manche Geekette mit wissenschaftlichem Hintergrund weiß sich mit starken Argumenten gegen den Sexismus im Genre und v.a. im Verlagsmarkt zu wehren. Die Essayistin Kameron Hurley wurde mit einem HUGO belohnt. Die Lesergemeinde ist also durchaus zu Selbstkritik fähig. Hurley veröffentlichte auch „The Geek Feminist Revolution“. Dabei steht wie so häufig der Vermerk: „nicht auf Deutsch“.

Neben zahlreichen hilfreichen Werk-Beschreibungen und erfreulich vielen Biografien liefert der Autor auch kritische Würdigungen. Sein Urteil ist fundiert und durch andere Meinungen ergänzt bzw. abgesichert. Diese Verrisse sind also nicht an den Haaren herbeigezogen und schon gar nicht einseitig oder gar wütend – derart persönliche Gründe für einen Verriss sind unglaubwürdig und entwerten einen Verriss. Umso lieber habe ich daher lobende Urteile gelesen, umso mehr, als sich viele positive Wertungen mit meinen eigenen Erfahrungen decken oder sie ergänzen.

Mit knapp 19 Euro liegt der Preis bereits an der Grenze für ein Taschenbuch aus einem Nischenverlag – und weit über dem Durchschnittspreis für ein Taschenbuch aus einem Großverlag wie Random House oder Lübbe. Allerdings eignet sich das Buch als SF-Sammlerstück und findet hoffentlich seinen Weg in den sekundärwissenschaftlichen Markt an Universitäten und Bildungseinrichtungen. Da in Band 3 immer wieder auf die beiden Vorgängerbände verwiesen wird, ist es ratsam, alle drei Bände zu erstehen.

Taschenbuch: 352 Seiten
ISBN-13: 9783944720753

www.Golkonda-verlag.de

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