Wohl kaum etwas hat die Weltgemeinschaft im noch sehr jungen Jahrtausend so in helle Aufregung versetzt wie der Anschlag auf die „Twin Towers“ des |World Trade Center| am Nine-Eleven. Dies war der Auftakt zu einer Kampagne von Feld- oder sollte man besser sagen |Kreuz|zügen?, die uns Bewohner dieses durchgeknallten Planeten sicher noch viel länger beschäftigen wird, als uns allen lieb (und einigen bewusst) ist – ausgelöst durch die letzte verbliebene Supermacht und selbst ernannten Weltsheriffs, die nun endlich die Möglichkeit und Legitimation sahen, ganz mächtig – und entgegen dem geltenden Völkerrecht – loszuschlagen.
Da die „Beweise“ für einen muslimischen Terrorakt mittlerweile immer zweifelhafter erscheinen, brauchte man wohl ein wenig Propaganda, daher bedient sich die Machtzentrale wohl nun auch des berufenen Mundes Bob Woodwards (Pulitzer-Preisträger und zusammen mit seinem Kollegen Bernstein der journalistische Enthüller der Watergate-Affäre, die seinerzeit Richard Nixon zu Fall brachte). Woodward gilt als Number One unter den investigativen Vertretern der Journallie und auch sein deutscher Verlag (der ehrenwerte |SPIEGEL|-Buchverlag) spricht vom Namen her für ein kritisches Sachbuch über die ersten 100 Tage nach den Anschlägen – Wollen wir mal sehen, was davon zu halten ist …
_Worum geht’s? – Zum Inhalt_
Woodward ist seit jeher bei der angesehenen Tageszeitung „Washington Post“ beschäftigt und wird seit 1972 als |der| kritische Beobachter der amerikanischen Innenpolitik gefeiert (die oben erwähnte Watergate-Affäre). Ein richtiger Wadenbeißer möchte man meinen, vor dessen Feder die Mächtigen der USA zittern. Dennoch gelingt ihm der Coup, an die geheimen *hust* Protokolle des Sicherheitsrates zu gelangen, die Nine-Eleven und den anschließenden Afghanistan Feldzug beinhalten – beinahe freiwillig habe man sie (ausgerechnet ihm!) zugänglich gemacht und auch von Seiten der Behörden und sogar der Regierung (sic!) war man gern bereit, ihm für Interviews Rede und Antwort in dieser Sache zu stehen.
Der Junta-Chief himself kommt übrigens auch oft zu Wort und wird fleißig zitiert, komischerweise jedoch nicht seine bekannten markig-lächerlichen und sinnentleerten Sprüche, die uns auch aus seinen hochnotpeinlichen TV-Auftritten bestens bekannt sind, sondern allerhand extrem fragwürdiges pseudo-intelligentes Zeug, was er Woodward gegenüber in seinen Interviews zum Besten gegeben haben soll. Woodward rekapituliert diese hundert Tage, als wäre er förmlich bei den zum Teil hochgeheimen Treffen der US-Machtzentrale persönlich anwesend gewesen. Was er nachweislich ja nicht kann, ergo ist er auf das angewiesen, was ihm diejenigen, die dort teilnehmen durften/mussten, an Informationsbrocken vor die Nase setzen.
Die hauptsächlich handelnden Personen sind hierbei: Möchtegern-Präsi George Walker Bush, Sicherheitsbelaberin Condolezza Rice, Außenscherge Colin Powell, Pentagramm-Vorstand Donald Rumsfeld, Vize-Wäre-Gern-Präsi Richard „Dick“ Cheney, CIA-Chef-Terrorist Tenet und deren Vertreter. Ach ja. Ein paar vom Fußvolk des CIA dürfen in Afghanistan auch ein paar Warlords schmieren und sich an der Frontlinie irgendwie nützlich machen. Vor allem aber ein vor Pathos nur so triefendes Ende verursachen. God bless America! Oder so.
_Wer’s glaubt, wird selig – Meinung_
Was augenscheinlich wie der große journalistische Wurf anmutet, besteht schon im Vorwort keinen zweiten Blick, denn wie Woodward dort bereits andeutet, habe man zwar von offizieller Stelle sein Buchmanuskript durchgesehen und zum Teil auf „Irrtümer“ hingewiesen, es sei jedoch nicht zensiert worden. Da er von vorneherein so vehement auf diesen Umstand pocht, kommt mir automatisch der alte Sinnspruch in den Kopf, dass wer sich vorweg ungefragt, pauschal und ohne erkennbaren Anlass verteidigt, etwas im im Schilde führt. Es riecht also bereits auf den ersten Seiten bei der Lobhudelei auf die tolle, kooperative CIA verdächtig und ganz extrem nach Schwefel – Hier ist also buchstäblich schon irgendwas im Bush, dabei hat das Buch noch nicht mal richtig angefangen und mir sträuben sich bereits die Nackenhaare.
Auf den ersten 100 Seiten erfahren wir nun wer, wo, was, wann gesagt und getan haben soll, als das WTC attackiert wurde, hier hebt Woodward mindestens drei Mal hervor, dass der „gewählte“ Präsident dieses oder jenes zu einer bestimmten Zeit unternahm oder anordnete. Es ist nicht nötig extra zu erwähnen, dass ein Präsident gewählt wird, das ist in der Regel nun mal so (außer eben bei diesem), also wie soll man diese auffällige Hervorhebung dann interpretieren – Ironie seitens des Autors?
Ich könnte jetzt in nicht enden wollende Dauerlästerei verfallen und fast jede Seite mit Gegenargumenten und Quellen belegen, doch dann kann ich gleich selbst ein ganzes Buch schreiben – ich überlasse in diesem Fall mal der Presse das Wort und kommentiere anhand der drei auf dem Buchrücken abgedruckten Statements deutscher Pressestimmen:
|“Wer Woodward gelesen hat, wird glauben, bei Bush und den Seinen dabei gewesen zu sein.“ (DIE ZEIT)|
Kommentar: Na klar, |Glaube| trifft es ziemlich gut, Glaube ist der Mangel an Wissen und selbst heute glauben noch viele an die Unbefleckte Empfängnis und daran, dass Schokoriegel gesund sind. Lieber Kritiker von |DIE ZEIT|, es muss richtig heißen: „Wer Woodward gelesen hat, |soll| glauben, bei Bush und den Seinen dabei gewesen zu sein“ oder wie es der Sportsender DSF in seinem Werbeslogan so trefflich ausdrückt, ist es besser „mittendrin statt nur dabei“ zu sein. In diese Sitzungen hat man ihn (aus nachvollziehbaren Gründen) aber nicht vorgelassen und ihn stattdessen mit äußerst dubiosen Protokollen gefüttert, die meine Oma hätte ebenso verfassen können – und die arbeitet (zumindest meines Wissens nach) nicht für die CIA.
Der Autor versucht eine gewisse Nähe zwischen der Leserschaft und den Protagonisten zu schaffen, indem er den Handelnden Emotionen wie „sie oder er dachte“ oder „empfand dies und das“ zuordnet, nur fließt die Gedanken- und Gefühlswelt bekanntermaßen nicht dergestalt in Protokolle eines Sicherheitsrates ein und muss daher reine Spekulation bleiben. Nur selten verweist er auf von ihm oder anderen geführte Interviews, aus denen er die verwendeten Informationen bezieht (allerdings sind auch alle Zitate weitgehend ohne Quellenangabe, was den Autor nicht glaubwürdiger macht).
|“Um zu verstehen, wie die Bush-Administration ihre weltpolitische Bedeutung und ihre geopolitischen Möglichkeiten einschätzt, ist das Buch von fundamentaler Bedeutung.“ (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG)|
Kommentar: Hat fundamental nicht etwas mit fundamentalistisch zu tun? Na egal, da in dem Werk keinerlei Hinweise zu den massiv bestehenden Verknüpfungen der einzelnen Kabinettsmitgliedern zu wichtigen Firmen in der Kriegs- und Ölmaschinerie (nicht zu vergessen die innige Connection zwischen der bin-Laden-Familie und dem Bush-Clan) hergestellt werden, ist dies allenfalls ein unvollständiges und lückenhaftes Bild – um zu verstehen, was wirklich an unglaublicher Perfidität hinter den Machtinteressen der amerikanischen Führungs-Elite steckt, muss man wesentlich tiefer graben, als Woodward es gewagt hat (oder wagen durfte?) – Ein schwaches Bild für einen angeblichen Schnüffel-Journalisten, die solcherlei Angriffspunkte schon von Berufs wegen doch liebend gern weidlich ausschlachten.
Doch nichts davon wird auch nur ansatzweise aufgegriffen! Weder Haliburton noch Carlyle oder ähnlich dubiose von US-Politikern geführte bzw. mit ihnen verbundene Firmen werden auch nur mit einer Silbe erwähnt. Außerdem wird ziemlich schnell klar, dass Osama nicht das eigentliche Ziel der Vergeltungsschläge ist – zunächst wird dieser Eindruck zwar erweckt, doch schon bald ist vom angeblichen Schreckgespenst Al Qaida und dergleichen nichts mehr zu lesen, sondern nur noch von den Taliban, denen man auf deutsch gesagt um jeden Preis den Arsch aufreißen will. Natürlich spielen geopolitische Interessen eine Rolle, aber ganz andere, als hier geschildert – dass von Streubomben und ähnlichem Zeugs auch kein Sterbenswörtchen fällt, dürfte klar sein und spätestens jetzt niemanden mehr wundern … Die „Daisycutter“-Bomben werden zwar am Rande angerissen, aber derart, dass man glaubt, es wäre nur gerecht, sie zu abzuwerfen.
|“Woodward gelang ein Coup: Er konnte die Sitzungsprotokolle des Nationalen Sicherheitsrates an Land ziehen. Aus ihnen ergab sich die einzigartige Perspektive des Buches.“ (DER SPIEGEL)|
Kommentar: Oh, diese Formulierung ist geschickt und kann doppeldeutig gelesen werden, die Jungs und Mädels vom |SPIEGEL| sind nicht doof, man kann schon von einer einzigartigen Perspektive sprechen, ich würde das aber eher als ein|seitige| Sicht der Bush-Krieger bezeichnen, die Woodward brav nachbetet. Ob diese Protokolle vollständig (und wahrheitsgemäß) sind, darf anhand einiger fehlender Begebenheiten, die nachträglich öffentlich wurden, arg bezweifelt werden. So manche Passage aus dem Buch ist durch wirklich investigative Journalisten mittlerweile |ad absurdum| geführt und als Propaganda-Mär entlarvt worden.
Ebenso wie viele Äußerungen der amerikanischen Regierung zum Fall des WTC und des Afghanistan-Feldzugs. Insofern ist die Authentizität der ach-so-geheimen Protokolle doch stark anzuzweifeln, denn wenn sich viele Punkte als faustdicke Lüge herausstellen, darf man davon ausgehen, dass der Rest ebenso fragwürdig ist. Es handelt sich hierbei nämlich lediglich um die enttarnten Flunkereien – aber mit aller Wahrscheinlichkeit sind das noch längst nicht alle. Inwieweit die Protokolle den Tatsachen entsprechen, wird wohl nie ganz geklärt werden können, eines steht auf jeden Fall fest: Sie wurden massiv getürkt.
_I want to believe – Das Fazit_
Dies ist kein „Enthüllungs“-Buch, denn es leiert nur die Propaganda und Bettelei um Verständnis für den Einsatz in Afghanistan herunter. Dabei ist nicht einmal geklärt, ob die Selbstmordattentäter überhaupt welche waren. Zumindest bestehen in einigen wichtigen Punkten berechtigte Zweifel, ob nicht der Regierungsapparat selbt mit Hilfe des CIA und anderen ein wenig nachgeholfen hat, um die Legitimation, andere Staaten mit Krieg zu überziehen, zu erhalten. Wie dem auch sei, dieses Buch ist weder sachlich noch lesetechnisch auf der Höhe. Wenn ich statt Condoleeza (Rice) wiederholt „Condi“ lesen muss (die Anführungszeichen sind von mir, Woodward setzt dort keine!), keimt in mir der Verdacht auf, dass hier eine Verniedlichung und subtil eingefädelte Solidarisierung herbeigeführt werden soll – traurig, dass sich ein solches Urgestein offenbar so ohne Weiteres vor den Karren spannen ließ, diese Fabeln zu verbreiten.
Für einen ausgezeichneten Pulitzer-Reporter geht mir das kritische Hinterfragen vollkommen ab stattdessen dümpelt der Autor beim Weglassen des ganzen Firlefanzes tatsächlich nur an der Oberfläche. Die Intention dieses Buches mag falsch verstandener Patriotismus sein, oder ein weiteres denkbares Szenario wäre, dass Woodwards Arbeitgeber, die „Washington Post“ (wie übrigens auch der Nachrichtensender ABC) fest in der Hand des Bush-Clans ist. Ein Schuft, wer jetzt denkt, dass Woodward diese Hände nicht beißt, die ihn füttern. Ohne in Verschwörungstheorien abgleiten zu wollen, aber hier stimmt was nicht. Dennoch lassen sich zwischen den Zeilen einige Infos extrahieren, die interessant sind, wenngleich wohl nur ungewollt preisgegeben. Allerdings muss man sich dafür schon stark interessieren oder durch Zugriff auf andere Literatur quer lesen, damit man dem Puzzle einige weitere Stückchen hinzufügen kann. Man kann sich das Propaganda-Werk |just for show| mal geben, der Preis für die Restexemplare ist laut |amazon.de| mittlerweile auf 4,95 statt 25 Euro runtergegangen.