Wendy Morgan – Von schwarzem Herzen

Ein Jahr ist es her, dass Rose Larrabees Mann Sam in einer Winternacht an einem Stromschlag verstorben ist. Die junge Witwe versucht, ihr Leben so gut es geht ohne ihn zu meistern, vor allem ihren beiden Kindern zuliebe, der sechsjährigen Jenna und dem dreijährige Leo. Zusätzlich geht sie ihrer Arbeit in einem Buchladen nach. Obwohl sie ihr Schicksal tapfer erträgt, hängt sie noch zu sehr an Sam, als dass sie sich für andere Männer interessieren könnte. Neben ihren Kindern sorgt vor allem ihre Schwägerin Leslie für Abwechslung in ihrem Leben. Auch Leslie hat den Tod ihres geliebten Bruders noch nicht verkraftet. Während sie nach außen hin fröhlich und ausgelassen wirkt, vergleicht sie insgeheim immer wieder ihren Verlobten Peter mit dem verstorbenen Sam, um festzustellen, dass Peter lange nicht so fürsorglich und liebevoll ist wie er.

Am Valentinstag erhält Rose überraschend ein anonymes Herz aus Papier. An einen heimlichen Verehrer mag sie nicht glauben, doch es folgen ähnliche Vorfälle: An einem Tag liegt eine Pralinenschachtel in ihrem Auto, ein Unbekannter spielt ihr am Telefon ein Musikstück vor und schließlich scheint sich sogar jemand Zutritt zum Haus zu verschaffen. Rose bekommt es mit der Angst zu tun. Gleichzeitig fürchtet sie sich aber auch davor, sich in etwas hineinzusteigern, da die Polizei ihre ersten Meldung verharmlost. Je mehr sich diese Vorfälle häufen, desto misstrauischer betrachtet sie ihr Umfeld. Ist ihr neuer Nachbar wirklich so seltsam, wie es ihrer Schwägerin erscheint? Kann sie seiner Frau Christine, die ihr die Freundschaft anbietet, bedenkenlos ihre Kinder anvertrauen? Und macht Sams ehemals bester Freund Hitch ihr gegenüber wirklich Annäherungsversuche oder irrt sie sich da?

Zu diesem Zeitpunkt ahnt Rose noch nicht, dass sie ins Visier eines Mannes geraten ist, der ein ganz bestimmtes Ziel mit ihr verfolgt und dass sie in höchster Gefahr schwebt. Zwei anderen Frauen teilen das gleiche Schicksal mit ihr – und eine davon ist bereits tot …

Frauenmorde sind kein neuer Inhalt für einen Thriller, nicht einmal für die Autorin Wendy Morgan selbst, drehen sich doch auch frühere Werke von ihr um dieses Thema. Auch bei den einzelnen Zutaten greift sie vorwiegend auf altbekannte Muster zurück, die dennoch einen unterhaltsamen und spannenden, wenn auch nicht überdurchschnittlichen Roman ergeben.

|Sympathische Frauenfiguren|

Viele Romane stehen und fallen mit ihrer Hauptfigur und so ist es ein großer Pluspunkt, dass Rose Larrabee dem Leser von Anfang an sympathisch ist. Im weiteren Verlauf verstärkt sich dieses Gefühl noch, spätestens nach dem ersten Drittel fiebert man mit der Protagonistin mit und wünscht ihr ein gutes Ende trotz aller Bedrohungen. Rose trauert zwar täglich um ihren verstorbenen Mann, doch sie gibt sich dennoch nicht auf.

Im Zentrum ihres Lebens stehen jetzt ihre beiden Kinder, ihnen zuliebe muss sie durchhalten und so gut es geht den fehlenden Vater ersetzen. Rose leistet keine übermenschliche und somit unrealistische Stärke, auch sie kennt Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Schwermut, aber bevor die Trauer sie gefangen nehmen kann, reißt sie sich zusammen. Wenn man ihre Gedanken und Erinnerungen verfolgt, erkennt man, wie schwer ihr ein Leben ohne ihren geliebten Mann fällt. Immer wieder werden kleine Anekdoten oder typische Reaktionen von Sam auf bestimmte Situationen eingeflochten, die diese Figur dem Leser vor Augen führen und verdeutlichen, was er den Kindern für ein liebevoller Vater und Rose für ein zuverlässiger Ehemann war.

Offenkundig wird dies auch in Leslies Erinnerungen, die nicht minder unter ihrem Verlust leidet. Scheinbar unbeschwert und für die Kinder immer eine heitere Tante, sehnt sich die junge Frau nach ihrem großen Bruder zurück und lässt vor den Augen des Lesers eine zweite interessante und sympathische Frauengestalt entstehen.

Die dritte weibliche Person, die ins Interessenzentrum rückt, ist Roses Nachbarin Christine. Auch sie verbirgt hinter einer sorgfältigen Fassade ihren Kummer. Die Ehe mit ihrem Mann Ben verschlechtert sich zusehends, ihr Kinderwunsch bleibt unerfüllt und je mehr sie Rose mit Leo und Jenna beobachtet, desto sehnsüchtiger wird sie von Muttergefühlen erfasst. Allen drei Frauen ist ein hindernisreiches Schicksal gemeinsam, das jede versucht, auf ihre Weise zu meistern.

|Spannung und Rätselraten|

Es dauert zwar eine Weile, bis der Leser vom Inhalt gefangen genommen wird – doch dafür geschieht dies dann umso heftiger. Spätestens ab dem ersten Drittel bangt man um Rose und grübelt gleichzeitig darüber nach, wer der Täter sein mag, der ihr nach dem Leben trachtet. Immer wieder wird zu diesem namenlosen Fremden übergeblendet, der einer grausamen Rachemission folgt, der drei spezielle Frauen, die nichts für ihre Erwählung können, zum Opfer fallen sollen.

Den ersten Mord erlebt der Leser im Prolog mit, ebenso wie später die Jagd auf die anderne beiden Frauen, eine davon Rose Larrabee. Geschickterweise enthüllt sich erst nach und nach das Motiv des Täters. Immer wieder fällt in seinen Gedanken der Name „Angela“, doch es braucht seine Zeit, bis man erfährt, in welcher Verbindung sie zu den anderen Frauen steht. Wenn Frauenmorde auch kein originelles Thema sind – das Motiv des Täters ist es durchaus.

Für weitere Spannung ist dadurch gesorgt, dass man ahnt, dass man den Täter bereits kennt, dass Rose für ihn keine Fremde ist, sondern dass er sich bereits seit langer Zeit in ihrem Bekannten- und Freundeskreis aufhält. Auch Rose selber befürchtet nach einiger Zeit, dass der anonyme Verehrer ihr in ihrem Leben näher ist, als ihr lieb sein kann. Bald steht jeder Mann aus ihrem privaten und beruflichen Umfeld in Verdacht, während sich die Schlinge immer weiter zuzieht. Zwar erahnt man die Identität des Mörders bereits vor dem großen Showdown, doch die Autorin versteht es, sie verhältnismäßig lange zu verbergen und gleichzeitig eine stattliche Anzahl an falschen Spuren auszulegen, denen man als Leser nur zu gerne folgt.

|Abzüge durch ungeschicktes Tempus|

Während die überwältigende Mehrzahl an Romanen, egal welcher Art, in der Vergangenheitsform verfasst ist, nutzt die Autorin hier unkonventionellerweise das Präsens. Zeitgleich mit Rose und den anderen Charakteren erlebt der Leser alle Ereignisse mit. Der Vorteil dieser Machart kommt vor allem in den spannenden und dramatischen Szenen zum Tragen, denn hier wird die Atemlosigkeit des Inhalts durch den Stil gestützt. Darin liegt allerdings auch das Manko, da man von Romanen kaum die Gegenwartsform als Haupttempus gewohnt ist.

Das Präsens ist repräsentativ für die Kurzgeschichte, für Texte von überschaubarer Länge und überschauberem Inhalt; von Romanen erwartet man epische Ausmaße, sowohl was Umfang als auch was erzählte Zeit angeht. Die wenigsten Romane spielen in Echtzeit, meist werden, wie auch hier, wochen- oder monatelange Entwicklungen in adäquates Format gebracht. Diese Zusammenstellung setzt einen souveränen Erzähler voraus, der gemeinhin rückblickend auf die Ereignisse schaut und sie im Nachhinein zurechtschneidet, um sie ansprechend zu präsentieren. Das Präsens passt nicht in dieses Konzept, zu hektisch, zu aktuell werden einem hier die Geschehnisse dargelegt.

Es dauert eine ganze Weile, ehe man sich halbwegs in diesen Stil eingelesne hat und selbst dann ist es immer noch ungewohnt. Irritierenderweise verläuft der Einstieg für einen Thriller sogar außergewöhnlich gemächlich. Abgesehen vom Prolog geschieht zunächst nichts, was den Leser direkt ergreifen würde. Rose schwebt noch nicht sichtbar in Gefahr, die Absichten und das Motiv des Täters liegen im Dunkeln, der Fokus richtet sich auf Roses Familien- und Alltagsleben. Nach und nach werden ihre und Leslies Situation vorgestellt, zwischendurch immer wieder zu ihrer Nachbarin Christine, zum mysteriösen Mörder und zu einem Mann namens David übergeleitet, dessen Bedeutung für die ganze Geschichte sich erst sehr viel später offenbart. Es vergeht eine gewisse Zeit, bis man sich in alle Handlungsstränge eingelesen hat und jeden einzelnen mit wachsender Spannung mitverfolgt. Erst am Ende, als sich die Ereignisse überschlagen, passt die Gegenwartsform ins Spiel.

|Cliffhanger im Übermaß|

Vor allem gegen Ende hin, wenn sich die Handlung dem Finale nähert und sich die Entwicklungen zuspitzen, übertreibt es die Autorin leider mit den Cliffhangern, die den Leser bei der Stange halten sollen. Dabei ist es längst nicht mehr notwendig, so extrem in die Trickkiste zu greifen, da die Spannung ohehin ihren Höhpunkt erreicht hat. Der Mörder nähert sich Rose, während sich zugleich ein Schneesturm ankündigt, der Leslie von ihrer Schwägerin trennt, die wiederum nicht ahnt, dass sie sich in höchster Gefahr befindet. Die Entlarvung des Täters steht kurz bevor und auch die Nachbarin Chrstine spielt eine Rolle dabei …

Eigentlich mehr als genug Stoff, um den Leser zu fesseln. Trotzdem wird hier beständig zwischen den einzelnen Handlungssträngen hin und her geschalten und jedes Mal in einer prekären Situation abgebrochen. Das geht anfangs noch gut, dem Leser aber später zusehends auf die Nerven, wenn beispielsweise einer der Charaktere eine Entdeckung auf einem Foto macht, ihm der Atem stockt und vor einer Erklärung wieder übergeblendet wird.

Besonders ärgerlich sind die Stellen, in denen sich scheinbar etwas Dramatisches ereignet und sich die Lage bei Fortführung der Szene als harmlos entpuppt. Übertrieben auf B-Movie-Art ist auch die Stelle, an der Leslie die Identität des Mörders durchschaut, Rose per Telefon zu warnen versucht und just in dem Augenblick, in dem sie den Namen aussprechen will, die Leitung zusammenbricht – zu viel Effekthascherei überstrapaziert die Geduld des Lesers. Teilweise nicht länger als eine halbe Seite wird hier an einem Schauplatz verweilt, die Handlung springt zwischen Leslie, Chrstine und Rose hin und her, so dass man Gefahr läuft, den Überblick zu verlieren.

_Als Fazit_ bleibt ein solider und unterhaltsamer Thriller, der zwar ein wenig Anlaufzeit benötigt, im weiteren Verlauf jedoch immer spannender wird. Er fesselt den Leser vor allem durch eine sympathische Protagonistin und ein abwechslungsreiches Rätselraten um die Identität des Mörders, der einer außergewöhnlichen Motivation folgt. Abzüge gibt es dagegen für die Unpassende Präsensverwendung und ein übertriebenes Maß an Cliffhangern im letzten Teil.

_Die Autorin_ Wendy Morgan studierte zunächst Englische Literatur und arbeitete als Journalistin und Lektorin, ehe sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie veröffentlicht auch unter dem Pseudonym Wendy Markham. Weitere Werke von ihr sind u.a. „Verliebt, verlobt, verstorben“, „So laut du kannst“ und „Was du nicht weißt“. Weitere Infos über sie erhält man auf ihrer Homepage http://www.wendycorsistaub.com.

Taschenbuch: 340 Seiten
Originaltitel: She loves me not