Granitkinn-Weltenretter raufen im südamerikanischen Dschungel mit Nazi-Schuften um eine außerirdische Statuette mit ungewöhnlichen Eigenschaften zu bergen … – Action-Spektakel, das nach leidlich verheißungsvollem Auftakt nulldimensionale Pappkameraden in einen Amoklauf dümmlicher Nicht-Ideen stürzt: selbst als reines Lesefutter nur eine freche Zumutung.
Das geschieht:
In den französischen Pyrenäen metzeln die „Sturmtrupp“-Schergen des Uralt-Nazi-Bonzen Odilo Ehrhardt die Mönche der Abtei San Sebastian nieder und stehlen das Manuskript des Jesuiten Alberto Santiago, der darin von seinen Abenteuern im peruanischen Inka-Reich des Jahres 1535 berichtet. Den vertierten Germanen lockt die heilige Jaguar-Statue von Cusco. Die hatten Klostermann Alberto, Inka-Prinz Renco Capac und Meisterdieb Bassario einst vor den spanischen Eroberern retten. Irgendwo in den Anden brachten sie besagte Statue in Sicherheit.
Frank Nash ist Leiter einer Forschungsabteilung des US-Verteidigungsministeriums. Hier bastelt das Tactical Technology Office (TTO) an ein „Supernova“, einer Mega-Super-Atombombe, die den Planeten Erde in Stücke reißen könnte. Gebaut wird sie natürlich nur, um die nichtswürdigen Gegner der Vereinigten Staaten in heiliger Angst & Schrecken vor der Apokalypse zu halten.
Leider fehlt den Militärs das entscheidende Mosaiksteinchen für ihr neuestes Spielzeug: das spaltbare Material Thyrium 261. Wir ahnen schon, dass dieses Thyrium a) nicht von dieser Welt stammt; es fiel einst als Meteorit auf die Erde nieder, der b) den nichtsahnenden Inkas als Rohstoff für weiter oben erwähnte Jaguar-Statue diente. Die gilt es nun vor Ehrhardt zu finden, auch wenn das bedeutet, dass Nash die Hilfe unzuverlässiger Zivilisten in Anspruch nehmen muss.
Sechs Wissenschaftler sind es, die ihn und fünf wackere Soldaten nach Südamerika begleiten. Unter ihnen ist William Race, Dozent für Sprachen des Altertums, der das Santiago-Manuskript entziffern kann. Den Feind stets hart auf den Fersen, schlägt sich das Cusco-Team durch die peruanische Wildnis. Durch allerlei Feuergefechte abgelenkt, vergessen alle Beteiligten eine simple Weisheit: Die Inkas, denen ihre Statue so teuer war, haben gewisse Maßnahmen zu ihrem Schutz getroffen …
Scharmützel & Schwachsinn bis zum Abwinken!
Womit wir die erforderlichen Bestandteile – Dschungelhölle, Todesfallen, Nazis, wilde Tiere – für einen zünftigen Remmidemmi-Roman der intellektuell niederfrequenten Art beisammen hätten. Tatsächlich kracht und stürzt und ballert es auf allen Seiten, bis der anspruchsarme Action-Fan vor kindlicher Freude in die Hände klatscht. Aller Tumult kann jedoch nicht übertünchen, dass Matthew Reilly mit „Der Tempel“ einen inhaltlich wie formal ärmlichen Thriller abgeliefert hat.
Dabei fängt es wie so oft vielversprechend an. Mit historischen Rätseln bestreitet ein ganzes literarisches Genre ein Unterhaltungsprogramm, das von abenteuerlustigen Couch-Kartoffeln freudig goutiert wird. Die Inkas sind immer für eine Geschichte gut, denn obwohl sie im Guten wie im Bösen Beachtliches geleistet haben, wissen wir noch immer wenig über sie. Wieso dies so ist, weiß sogar Reilly: Wohl an keinem Ort der Welt haben europäische Eroberer im Verbund mit der katholischen Kirche so grausam gewütet wie in Südamerika. Mord und Plünderung; darauf beschränkte sich für viele Jahre das koloniale ‚Programm‘ der ungebetenen Gäste. Unersetzliches Wissen ging quasi nebenbei verloren. Was blieb, sind eindrucksvolle Trümmer und viele weiße Flecken, in die allerlei Abenteuerliches projiziert werden kann.
Auch Wunder wirkende Stein- oder Metallbrocken aus dem Weltall sind schon auf vielen Bestseller-Listen eingeschlagen. Zwar sorgt Reillys ‚Erklärung‘ für die wahrlich überirdischen Eigenschaften von Thyrium 261 für erstes leserliches Kopfschütteln – sie ist so albern geraten, dass sogar der astronomische Laie merkt, dass hier etwas faul ist -, doch dies ist vergessen, als Reilly so richtig in Schwung kommt. Die triviale aber durchaus sorgfältig fundamentierte Geschichte, die lebendig gezeichneten Figuren, die Rekonstruktion der mittelalterlichen Handlungsebene und ihre gelungene Verschränkung mit der Gegenwart – alle positiven Ansätze werden jählings in toto über den Haufen geworfen (oder besser geschossen), als wir im Dschungel Perus wieder einmal auf die Nazis stoßen.
Adolfs debile Epigonen
Als erfahrener Leser hofft man immer, dass die Ära der im südamerikanischen Exil düster über den Karten eines „IV. Reiches“ brütenden Operetten-Nazis viele Jahrzehnte nach dem Ende Hitler-Deutschlands endlich vorbei ist. Doch via Australien feiern sie plötzlich wieder fröhliche Auferstehung. „Down under“ kann Autor Reilly seine in Sachen deutsche Geschichte unkundige Leserschaft für dumm verkaufen mit:
– angeblicher Nazi-Prominenz, die – macht man sich die Mühe nachzurechnen – den Aufstieg des „III. Reiches“ höchstens als Grundschüler und den II. Weltkrieg im Stimmbruch erlebt haben dürften;
– der nahtlosen Transformation ostdeutscher Stasi-Unholde in waschechte SS-Mordbuben („Zu Befehl, Herr Untergruppenhauptscharkartoffelführer!“);
– der Präsenz deutscher Bundeswehr-Soldaten im geheimer ausländischer Mission und im Verbund mit Beamten des Bundeskriminalamtes – dem „deutschen Äquivalent des FBI“ und (selten so gelacht) „die beste Organisation ihrer Art auf der Welt“ (S. 220);
– der Debil-Prämisse, die US-Streitkräfte wollten aus Ersparnisgründen ihre Bodentruppen abschaffen; sollen sie sich zukünftig etwa darauf beschränken, einen Feind per Schiff oder Flugzeug zu attackieren?
Absturz ins Hirnlose
Dies sind nur vier der himmelschreienden Dämlichkeiten, die den Versuch, den „Tempel“ als unbeschwerte Unterhaltung ohne Tiefgang zu genießen, zunichtemachen. Ab Seite 200 hat Reilly als Erzähler ohnehin sein Pulver verschossen. Paradoxerweise geben seine Helden zukünftig Dauerfeuer. Die hirnlose ‚Handlung‘ erschöpft sich nunmehr darin, den Finsterlingen zu Wasser, zu Lande und in der Luft hinterher zu jagen und dabei so viele Boote, Jeeps und Flugzeuge wie möglich explodieren zu lassen.
Liebevoll geschilderte Kopfschüsse und maschinengewehrfrikassierte Nazi-Wänste bestimmen nunmehr die Szene. Reilly lässt jegliche Logik fahren; besonders Bücherwurm William Race entpuppt sich plötzlich als James Bond, Indiana Jones und „The Rock“ Johnson in Personalunion, zwingt mit der Linken lässig menschenfressende Riesenkatzen und Krokodile nieder, während er mit der Rechten den Nazis Zunder gibt und mit dem Mund den Steuerknüppel eines High-Tech-Kampfhubschraubers führt. Das ist so grotesk überzeichnet, dass es nicht einmal mehr lustig ist, sondern nur noch blöd – und es kommt im Finale noch viel, viel dicker & dümmer!
Besondere Originalität meint Reilly an den Tag zu legen, als er die Nazi-Räuberpistole im zweiten Drittel plötzlich zum Abschluss bringt. Nun setzt eine ganz neue Geschichte ein, die womöglich noch bescheuerter ist; ein monströser, mehr als 200-seitiger Epilog, der im immer rascheren Wechsel den einen Butzemann gegen den anderen tauscht und vergeblich den völligen inhaltlichen Leerlauf mit sinnfreien Zerstörungs- und Metzel-Orgien zu tarnen versucht. Action satt und Spannung null: Dies ist eine wahrlich traurige Leistung, die dem „neuen König des Action-Thrillers“ (Klappentext) ‚gelungen‘ ist! Fazit deshalb kurz & knapp: absolute Zeit- und Geldverschwendung!
Autor
Matthew Reilly wurde am 2. Juli 1974 in der australischen Metropole Sydney geboren. Er besitzt zwei Universitätsabschlüsse (Jura und Kunst) und kann sein Schriftsteller-Debüt in eine hübsche Story kleiden, die er u. a. im Vorwort von „Showdown“ erzählt: Obwohl erst 2000 erschienen, ist dieses Werk doch sein Erstling, entstanden 1993 noch vor „Ice Station“, dem Thriller, der ihm den Durchbruch brachte.
Ohne den Prominenten-Bonus, der ihm dadurch zuteilwurde, orientierten sich die Verleger an der Qualität des eingereichten Werkes, was für einen Verfasser vom Kaliber Reillys von Nachteil ist. Jedenfalls lehnte sämtliche Verlagshäuser das Manuskript ab. Unverdrossen nahm Reilly sein Schicksal selbst in die Hand und ließ auf eigene Kosten 1000 Exemplare von „Showdown“ drucken, die er in seiner Heimatstadt Sydney mehr schlecht als recht unter die Leser brachte, bis einer hochrangigen aber niveauflachen Mitarbeiterin des Pan Macmillan-Verlags ein Exemplar in die Hände fiel. Danach wurde alles anders und Reilly ein Bestseller-Autor , der mit seinen folgenden Thrillern erst recht mächtigen Dumm-Schaum quirlte .
Taschenbuch: 621 Seiten
Originaltitel: The Temple (Sydney : Pan Macmillan 2000)
Übersetzung: Alfons Winkelmann
http://www.ullsteinbuchverlage.de
Der Autor vergibt: