Robert A. Heinlein – Entführung in die Zukunft. SF-Erzählungen

Durchwachsende Auswahl an Erzählungen vom Großmeister

Ein Mann heuert einen Privatdetektiv an, weil er sich nicht daran erinnern kann, wie er seine Tage verbringt. Ein Witwer, der um die Welt reist und dabei von imaginären Tieren begleitet wird. Ein junger Mann, der sich in der Vergangenheit selbst begegnet – mit fatalen Konsequenzen. Dies sind nur drei der insgesamt sechs Geschichten, mit denen uns Robert A. Heinlein in seinem Storyband Entführung in die Zukunft in seine einzigartige Gedankenwelt mitnimmt. Eine Gedankenwelt, die wahrhaftig den Weg in die Zukunft bereitet hat …(Verlagsinfo)

Diese kleine Storysammlung enthält einen Kurzroman und fünf Kurzgeschichten. Davon ist die Titelgeschichte eine der am häufigsten anthologisierten Erzählungen in der Geschichte der Science Fiction. Leider liegen in der Ausgabe von 1980 Textfassungen vor, die noch aus den fünfziger Jahren stammen. Entsprechend viele Druckfehler und altertümliche Ausdrücke gibt es. Dies hat sich hoffentlich in der Ausgabe von 2019 gebessert.

Der Autor

Robert Anson Heinlein (1907-1988) wird in den USA vielfach als Autorenlegende dargestellt, sozusagen der „Vater der modernen Science Fiction“. Allerdings begann er bereits 1939, die ersten Stories im Science Fiction-Umfeld zu veröffentlichen. Wie modern kann er also sein?

Wie auch immer: Heinleins beste Werke entstanden zwischen 1949 und 1959, als er für den Scribner-Verlag (bei dem auch Stephen King veröffentlicht) eine ganze Reihe von Jugendromanen veröffentlichte, die wirklich lesbar, unterhaltsam und spannend sind. Am vergnüglichsten ist dabei „The Star Beast / Die Sternenbestie“ (1954). Auch diese Romane wurden vielfach zensiert und von Scribner gekürzt, so etwa „Red Planet: A Colonial Boy on Mars“ (1949/1989).

Allerdings drang immer mehr Gedankengut des Kalten Krieges in seine Themen ein. Dies gipfelte meiner Ansicht nach in dem militärischen Roman „Starship Troopers“ von 1959. Im Gegensatz zum Film handelt es sich bei Heinleins Roman keineswegs um einen Actionknaller, sondern um eine ziemlich trockene Angelegenheit. Heinlein verbreitete hier erstmals ungehindert seine militaristischen und antidemokratischen Ansichten, die sich keineswegs mit der der jeweiligen Regierung decken müssen.

Mit dem dicken Roman „Stranger in a strange land“ (1961/1990), der einfach nur die Mowgli-Story auf mystisch-fantastische Weise verarbeitet, errang Heinlein endlich auch an den Unis seines Landes Kultstatus, nicht nur wegen der Sexszenen, sondern weil hier mit Jubal Harshaw ein Alter Ego des Autors auftritt, der als Vaterfigur intelligent und kühn klingende Sprüche von sich gibt. „Stranger“ soll Charles Manson zu seinen Morden 1967 im Haus von Sharon Tate motiviert haben. Sharon Tate war die Gattin von Regisseur Roman Polanski und zu diesem Zeitpunkt schwanger.

Als eloquenter Klugscheißer tritt Heinlein noch mehrmals in seinen Büchern auf. Schon die nachfolgenden Romane sind nicht mehr so dolle, so etwa das völlig überbezahlte „The Number of the Beast“ (1980). Einzige Ausnahmen sind „The moon is a harsh mistress“ (1966, HUGO), in dem der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg auf dem Mond stattfindet, und „Friday“ (1982), in dem eine weibliche und nicht ganz menschliche Agentin ihre Weisheiten vertreibt.

Größtes Lob hat sich Heinlein mit seiner Future History (1967) verdient, die er seit den Vierzigern in Form von Stories, Novellen und Romanen („Methuselah’s Children“, ab 1941-1958) schrieb. Dieses Modell wurde vielfach kopiert, so etwa von seinem Konkurrenten Isaac Asimov.

Heinleins Werk lässt sich sehr einfach aufteilen. In der ersten Phase verarbeitet er auf anschauliche und lebhafte Weise physikalische und soziologische Fakten, die zweite Phase ab 1947 wurde bis 1958 mit Jugendromanen bestritten, die ebenfalls sehr lesbar sind. Die dritte Phase beginnt etwa ab 1959/1960 und ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass, wie ein Kenner anmerkte, Heinlein Meinungen als Fakten ausgibt. Daher lesen sich diese überlangen Schinken wie Vorlesungen und Traktate statt eine gute Geschichte zu erzählen.

Hinzukommt, dass Heinlein rekursiv wird: Er klaut bei sich selbst und besucht, etwa in „Die Zahl des Tiers“ (1980), die Universen seiner Zunftkollegen – hier wird die Science Fiction inzestuös. Das mag für eingefleischte SF-Fans ganz nett sein, die ihre Insider-Gags sicherlich genießen, doch für Outsider ist es einfach nur langweilig zu lesen.

Die Erzählungen

1) Die Söhne des Vogels (The unpleasant profession of Jonathan Hoag, 1952)

Jonathan Hoag sieht die dunklen Ränder unter seinen Fingernägeln und kann sich nicht erinnern, woher der Dreck kommt. Die Farbe ist ein dunkles Braunrot. Was, wenn es sich um Blut handeln sollte? Der Arzt kann es ihm nicht sagen, und als er bei einer Abendgesellschaft nach seinem Beruf gefragt wird, kann er sich nicht daran erinnern. Zutiefst verunsichert, quartiert er sich in Chicago im Hotel Manchester ein – ein ruhiger, unscheinbarer Aufenthaltsort. Aber er muss etwas unternehmen.

Cynthia und Teddy Randall sind ein Paar Privatdetektive, das sich eigentlich auf Scheidungsfälle spezialisiert hat. Die sind am lukrativsten. Als Mr Hoag anruft, geht Cynthia ran. Er klingt ein wenig mysteriös, doch als er dann kommt, ist er noch rätselhafter. Sie sollen herausfinden, was er tagsüber tut. Er weiß seinen Beruf nicht und woher die dunkelrote Farbe unter seinen Fingernägeln rührt. Cynthia wird klar, dass er unter Amnesie leidet, aber wie lange schon? Mr Hoag gibt an, er sei in Dubuque, Minnesota, im Privatsanatorium eines Dr. Rennault behandelt worden. Vor fünf Jahren wurde er entlassen und bekam einen Job. Aber welchen, das ist die Frage.

Nachdem er gegangen ist und eine stattliche Anzahlung von 500 Dollar hinterlassen hat, denken Cynthia und Teddy, dass dies leicht verdientes Geld sei. Aber dann beginnen die Schwierigkeiten. Mr Hoag hat keine Fingerabdrücke hinterlassen und seine Angabe über Dr. Rennault in Dubuque erweist sich als falsch. Da kommen Cynthia zum ersten Mal Zweifel. Es werden nicht die letzten sein.

Schon am nächsten Tag beschatten sie Mr. Hoag getrennt, bis er das Acme Building betritt, ein unscheinbares Bürogebäude. Cynthia fallen fast die Augen aus dem Kopf, als sie sieht, wie ihr Teddy mit Mr Hoag spricht und sie das Gebäude zusammen betreten. Soll das vielleicht eine Beschattung sein, hä? Sie eilt ihnen nach, verfehlt sie aber am Aufzug. Entwischt.

Als Teddy wieder aus dem Haus kommt und Cynthia erspäht, fahren sie erst nach Hause, bevor sie die Ungereimheiten klären. Behauptet er doch glatt, er habe nie mit Hoag gesprochen und sei dem Klienten gefolgt – wo sie doch genau das Gegenteil beobachtet hat! Um die Sache noch seltsamer zu machen: Hoag arbeitet angeblich im 13. Stock und Teddy folgt ihm dort in eine Suite, in der sich eine Juwelierwerkstatt befand. Das rote Zeug unter Hoags Fingernägeln ist einfach Putzpaste. Doch als sie das Acme Building nach dieser Firma durchsuchen, gibt es das 13. Stockwerk nicht mehr. Und erst recht keine Juwelierwerkstatt.

Allmählich wird Cynthia dieser Fall echt unheimlich, ja, sie bekommt sogar Angst, sie werde ein unerfreuliches Geheimnis aufdecken. Sie macht den Vorschlag, das Geld zurückzugeben. Doch Teddy will davon nichts wissen. Er will’s jetzt erst recht wissen. Ein weiterer Besuch Hoags bleibt ergeblich – wieder keine Fingerabdrücke. Aber diesmal ist er ihr noch unheimlicher: Er fragt sie, ob sie schon mal besessen war, beispielsweise von ihrem eigenen Spiegelbild. Er trägt eine Halskette aus Knoblauchzehen….

In der folgenden Nacht verschwindet Teddy – durch einen Spiegel…

Mein Eindruck

Teddy lernt die titelgebenden „Söhne des Vogels“ kennen, und diese Finsterlinge haben eindeutig etwas gegen seine Zusammenarbeit mit Hoag, aber den Grund verraten sie ihm nicht. Natürlich hält er sich nicht daran, stur wie er ist, und Cynthia muss es ausbaden. Zum Glück erweist sich der echte Mr. Hoag als einer von den Guten. Doch die Erklärung, die er ihnen am Schluss gibt, klingt auch irgendwie unglaubwürdig. Aber er sagte ihnen ja gleich, dass sie ihnen nicht gefallen würde.

Ich hatte mir von diesem Detektivroman mit übersinnlichen Elementen (eigentlich mehr Fantasy als SF) mehr versprochen. Immerhin ist Heinlein einer der ganz Großen in der SF, oder? Aber dieser Kurzroman wiederholt nur wieder seine alten Themen: Die Welt um uns herum ist eine Illusion und eine Verschwörung – klingt mehr nach dem frühen Philip K. Dick.

Das könnte aber auch daran liegen, dass auch diese Erzählung in den fünfziger Jahren entstand, und die befanden sich bekanntlich im tiefsten Kalten Krieg. Dabei haben wir noch Glück: Hoag, das alter ego des Autors, predigt hier keineswegs, ganz im Gegensatz zu Heinleins Roman „Starship Troopers“, der im gleichen Jahr, 1959, veröffentlicht wurde. Und die Figur Hoags dürfte das erste Mal sein, dass Heinlein einen Kritiker auftreten lässt. Meist war er auf die Kritiker schlecht zu sprechen.

2) Entführung in die Zukunft („All you zombies!“, 1959)

1980 kommt ein Mann in die Kneipe von „Pop’s Place“, wo unser Zeitagent als Barkeeper arbeitet. In einer Wette um eine Flasche Whisky erzählt der Neuankömmlung, ein Schriftsteller vom Typ „Ledige Mutter“, seine Lebensgeschichte.

Geboren anno 1955 als Mädchen Jane, wurde er im Jahr 1973 in einem Park von seinem / ihrem ersten Mann geschwängert, woraufhin der Vater verschwand. Neun Monate später, also 1974, brachte unser Mädel einen strammen Sohn zur Welt, doch zwei unerwartete Dinge passieren: Die Mutter wird in einen Mann umgewandelt, um die Verletzungen der Geburt überleben zu können; und zweitens wird das Baby von einem Unbekannten entführt. Nun würde der Besucher der Bar sonstwas drum geben, um diesen fiesen Kerl erwischen zu können.

1980 rekrutiert der Zeitagent seinen Kunden und erfüllt ihm seinen Wunsch, indem er ihn mit seiner Zeitmaschine ins Jahr 1973 mitnimmt, also in das Jahr, in dem Jane geschwängert wurde. Der Zeitagent jedoch reist in das Jahr 1974, um das neugeborene Baby zu rauben. Dann beginnen die Dinge, kompliziert zu werden…

Mein Eindruck

Eines der irrsinnigsten Zeitreisegeschichten, die je geschrieben wurden. Es kommt nur ein Mensch darin vor, aber in drei Versionen. Der Zeitagent ist die gleiche Person wie sein Kunde, ist sein eigener Vater, seine eigene Mutter und natürlich deren Baby. Davon zeugt beispielsweise die Kaiserschnittnarbe an seinem Bauch. Als wäre er müde von so viel Verwirrung, begibt er sich ins Jahr 2003, um den Job zu wechseln. Aber wie gerne hätte er die anderen bei sich.

3) Sie (They, 1941)

Er sitzt im Gefängnis und spielt Schach mit dem Arzt, der ihn auf seinen Geisteszustand untersuchen soll. Warum er an eine Verschwörung gegen ihn glaube? Ganz einfach: Sobald er auftauchte, benahmen sich die Erwachsenen anders, redeten über das Wetter und so. Am nächsten Morgen kommt seine Frau, Alice. Wie überflüssig und lästig. Auch sie fragt ihn, weshalb er an eine Verschwörung glaube. Ganz einfach: Als sie damals verreisen wollten, regnete es vor der Haustür in Strömen, aber als er zurück in sein Arbeitszimmer eilte und dort die Jalousie öffnete, herrschte draußen eitel Sonnenschein – paradox. Alles klar?

Der Chef der Glaroons, der mittlerweile auch New York City und Harvard University demontieren lässt, glaubt, dass der Insasse binnen zwei Tagen ausbrechen wird. Wahrscheinlich wird er doch noch alles herausfinden…

Mein Eindruck

Die Story hat eigentlich keine Handlung, aber das liegt nur daran, dass sie sich um eine Wahrheitsfindung dreht und um einen Bewusstseinszustand. Kann es ein falsches Leben geben, wenn man es zulässt? Der Häftling findet sich nicht mit den Vorgaben des menschlichen Lebens, wie sie für die Masse gelten, ab. Ja, er findet nicht einmal seinen eigenen Körper angemessen, so als wäre er kein Mensch, sondern nur eine Art Schauspieler.

Das steht wiederum in einer komplexen Beziehung zu der finalen Enthüllung, dass die Welt der Menschen tatsächlich nicht von Menschen erfüllt ist, sondern von Schauspielern, die Glaroons sind: Die Erde ist ihnen schon längst untertan. Warum ist es ihnen dann aber so wichtig, dass der Häftling an eine menschliche Erde glaubt? Und er ist ja nicht der einzige Häftling. Soll er produktiv sein wie alle anderen auch? Das ist doch eigentlich nicht nötig, denn das Ende der Erde ist ja eh gekommen.

Je näher man sich mit dieser Erzählung befasst, desto mehr Fragen wirft sie auf.

4) Unsere schöne Stadt (Our fair city, 1949)

Pete Perkins ist ein aufgeweckter Journalist in der schönen Stadt New York City. Einer seiner besten Kumpel ist der Parkplatzwärter mit dem Spitznamen Pappy, und der hat einen Freund namens Kitten. Kitten jedoch ist ein intelligenter Wirbelwind. Wie intelligent, findet der ungläubige Pete heraus, als Kitten eine Zeitung aus dem Jahr 1898 anschleppt, also von vor 75 Jahren. Darauf braucht er erstmal einen Whisky.

Sein Chefredakteur ist auch ungläubig ob Petes Geschreibsel, aber seine Meinung ändert sich, sobald ein Foto von Kitten gemacht und abgedruckt ist. Nachdem sich Pete über die schlampige Straßenreinigung in dieser schönen Stadt beschwert hat, wendet sich das Blatt: Die Polizei hat Pappy festgenommen. Ernster wird die Sache, als Kitten erst festgenommen und dann mit einer Bazooka abgeschossen werden soll. Offenbar hat der Oberbürgermeister etwas gegen negative Schlagzeilen – und vor allem gegen deren Ursache.

Der Gipfel der Entwicklung ist aber erst erreicht, als Pete entdeckt, dass Pappy gekidnappt worden ist. Wohin genau, sagt ihm Kitten mit einem Pappschild…

Mein Eindruck

Die scheinbar schwerelose Story wiederholt die libertären Themen, die Heinlein seit seinem gescheiterten Wahlkampf anno 1938 in Kalifornien vertrat: Die Bürgerrechte müssen geschützt werden, wenn die Freiheit nicht zum Teufel gehen soll, und zur Not auch mit den Waffen des Humors und der Satire.

Pete ist nur ein kleiner Schreiberling, als er gegen die Mächtigen im Rathaus aufmuckt, doch in Kitten hat er einen vielseitig verwendbaren Verbündeten. Kitten ist eine Metapher für die geballte Solidarität der freiheitliebenden Bürger, die sich Heinlein gewünscht hätte. Leider haben die meisten Bürger mehr Interesse daran, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen statt den Regen abzustellen.

5) Das 4-D-Haus (And he built a crooked house, 1940)

Quintus Teal ist ein einfallsreicher Architekt in Los Angeles. Für die Bewohner Laurel Canyons muss es allerdings schon etwas Besonderes sein und so bietet er Homer Bailey ein vierdimensionales Haus an. Der verdutzte Bailey will aufgeklärt werden. Also, ein vierdimensionales Haus ist wie ein Würfel, an den man andere Würfel anbaut – ein Tesserakt entsteht. Teal demonstriert dies an einem Modell, das ganz OK aussieht. Nach einer halben Flasche Gin hat er Bailey überredet, einen entsprechenden Scheck auszustellen.

Binnen Tagen statt Wochen ist das Haus fertig. Er holt die beiden Baileys persönlich ab, bevor es sich Homer anders überlegen kann, der gewöhnlich auf seine zögerliche Frau hört. Der Eingang des neuen Hauses sieht normal aus, aber wo ist der Rest, das erste und zweite Stockwerk? „Diebe!“ ruft Teal und hastet die ausfahrbare Treppe hinauf. Er landet wie erwartet im ersten Stock. Alles wunderbar, und sogar Mrs Bailey ist von der Küche entzückt. Aber als sie über dem zweiten Stock auf die Beobachtungsplattform steigen, landen sie im Erdgeschoss…

Doch dann versuchen sie, wieder hinauszukommen – und gelangen wieder in den ersten Stock. Gibt es überhaupt ein Entkommen? Mrs Bailey fällt inzwischen von einer Ohnmacht in die nächste, während Quintus Teal mit einem gezielten Schritt um eine bestimmte Ecke im… Rosenbeet landet. Nach seiner Rückkehr jedoch müssen er und Bailey feststellen, dass sich die Aussicht verändert hat: Eines der Fenster zeigt die Aussicht aus dem Empire State Building. Und das ist noch nicht alles…

Mein Eindruck

In handlungsmäßiger Hinsicht ist auch diese Kurzgeschichte nicht gerade ein Highlight in Heinleins Werk. Er nimmt die Idee des Tesserakts und führt sie bis zur letzten Konsequenz, selbst wenn die Logik etwas völlig anderes behaupten würde. Warum sollte beispielsweise die vierte Dimension in ein anderes Universum oder gar ins Nichts führen?

Andererseits ist es eine sehr lustige Geschichte, die voll witziger Szenen, komischer Momente und erstaunlicher Wendungen ist, so dass man sie gerne weiterliest.

Die Übersetzung

Die deutsche Übersetzung muss wohl etwa anno 1959 oder 1960 entstanden sein, wurde im Berliner Verlag Gebrüder Weiß veröffentlicht und anno 1970 von Heyne lizenziert. 1980 erschien bereits die mir vorliegende 3. Auflage, was für den Publikumserfolg dieses Buches spricht.

Doch während all der 20 Jahre zwischen der Ersterscheinung und der 3. Auflage ließ sich der Verlag nicht dazu herbei, mal die vielen Druckfehler in der Übersetzung zu korrigieren. Ich fand über ein Dutzend davon, die meisten entstellend, wenn auch selten verwirrend. Ständig wurden auch die Anführungszeichen vergessen oder zuviel eingesetzt. Hier müsste mal dringend der Text aufgeräumt werden.

Unterm Strich

Der Kurzroman, der immerhin 95 von 165 Textseiten (der 3. Auflage von 1980) ausmacht, hat mich etwas enttäuscht. Ich würde ihn nicht unbedingt als SF ansehen, sondern mehr als Fantasy: Leute, die durch Spiegel klettern, sowie Seelenwanderung stehen nicht unbedingt in hohem wissenschaftlichem Ansehen. Wenigstens ist jedoch der Verlauf der detektivischen Ermittlung spannend und zunehmend unheimlich-beklemmend. Der Stoff nimmt die Züge eines Horror-Romans an. Am Schluss muss die obligatorische Erklärung des Ganzen erfolgen, und auch sie hat mich nicht unbedingt umgehauen. Hätte sich Stephen King dieses Stoffs angekommen, wäre ein anständiger Gruselroman daraus geworden. Aber so?

Die Titelgeschichte mit dem O-Titel „All you zombies“ ist eine der am häufigsten anthologisierten Erzählungen in der Geschichte der Science Fiction. Sie wird stets unter „Zeitabenteuer“ abgeheftet, aber es geht darin um wesentlich mehr, nämlich um die Identität von Geschlechtern und die Beziehungen in einer Familie. Dabei wird so manches Tabu gebrochen.

Die anderen Geschichten scheinen harmloser zu sein, doch hier reitet Heinlein sein libertäres Steckenpferd: „Hab den Mut anders zu sein und befreie dich!“ ruft er dem jungen Leser zu. Und so wehrt sich der Häftling gegen die verschwörerischen Illusionen der Aliens, der Journalist bringt die korrupte Stadtverwaltung zu Fall – und zu guter Letzt sprengt der Architekt mit seinem Tesserakthaus die Grenzen der Dimensionen.

Auch für die vielen Druckfehler gibt es Punktabzug.

Taschenbuch: 173 bzw. 320 Seiten
Originaltitel: The unpleasant profession of Jonathan Hoag, 1959;
Aus dem Englischen von Wulf Bergner.
ISBN-13: 978-3453316300

www.heyne.de

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)