Finn, Thomas – unendliche Licht, Das (Die Chroniken der Nebelkriege 1)

Mit „Das unendliche Licht“ legt Thomas Finn einen Roman vor, der den Auftakt der Trilogie |Die Chroniken der Nebelkriege| darstellt. Das klingt nach epischer High-Fantasy-Tradition, wie man sie von Finns früheren Abenteuern für das Rollenspielsystem |Das Schwarze Auge| kennt. Umso mehr erstaunt es, dass „Das unendliche Licht“ als Jugendbuch vermarktet wird, das im Zuge des Harry-Potter-, Bartimäus- und Lemony-Sniket-Booms auf der Erfolgswelle mitschwimmen soll. Ist Finns Ausflug in die Kinderliteratur also nur ein weiterer müder Abklatsch oder doch eine seltene Buchperle aus deutschen Landen, die einen eigenen Weg zu gehen versucht?

_Inhalt_

Kai ist ein 13jähriger Junge, der behütet in einem kleinen Dorf namens Lychtermoor bei seiner Großmutter aufwächst. Jeder Tag verläuft in geordneten Bahnen. Die hektische Welt der Großstädte, in denen das Leben pulsiert, und die Geschichten von Abenteuern und Gefahren dringen höchstens als ferne Gerücht an die Ohren der Dörfler heran.

Kais Ausbildung als Irrlichtfänger steht kurz vor dem Abschluss. Die Irrlichter werden von fahrenden Händlern aufgekauft und dann in Metropolen wie etwa dem nahen Hammaburg an der Elbe als Straßenbeleuchtung eingesetzt. Doch um die Wesen einzufangen, bedarf es Ausdauer, Disziplin und Können. Ein Irrlicht, das pro nächtlichem Streifzug durchs Moor gefangen wird, ist bereits eine gute Ausbeute. Groß ist da die Überraschung, als Kai eines Nachts gleich ein Dutzend Irrlichter fängt – sogar ein großes, besonders seltenes Exemplar ist dabei.

Die Großmutter ist erfreut, aber auch nachdenklich. Kai scheint die Wesen im wahrsten Sinne des Wortes magisch anzuziehen. So etwas war noch niemandem vor ihm geglückt.

Während die alte Frau Kais Erfolg nicht an die große Glocke hängen möchte, präsentiert Kai seinen großen Fang sofort auf dem abendlichen Dorffest. Doch plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Das Dorf wird von untoten Piraten überfallen, die nicht nur die Irrlichter klauen, sondern auch ganz Lychtermoor verwüsten. Während Kai sich von zwei mysteriösen Gestalten umgeben sieht, die ihm im Kampf gegen die Piraten zur Seite stehen, kommt für seine Großmutter, die dem Fest fern und alleine zu Hause geblieben ist, jede Hilfe zu spät. Mort Eisenhand, der Anführer der Truppe, hat die alte Dame rücksichtslos erschlagen.

Durch den Tod seiner letzten Bezugsperson ändert sich Kais Leben schlagartig. Seine beiden Retter, die sich als Elf namens Fi und Gargyle namens Dystariel vorstellen, nehmen sich seiner an und bringen ihn nach Hammaburg. Dort wacht er in einem Gemäuer auf, das über und über mit magischen Ingredienzien voll gestopft ist und von einem Poltergeist bewohnt wird. Erst nachdem er wieder zu Kräften kommt, gibt sich der Hausherr als fingergroßer Däumlingszauberer Eulertin zu erkennen. Er ist ein Beherrscher der elementaren Winde und angesehenes Mitglied im Statdrat.

Eulertin weiht Kai in die Geheimnisse um die Magie ein, bildet ihn in harten Wochen zu einem Adepten aus und klärt ihn schließlich darin auf, dass er der letzte Feuermagier sei. Laut einer Prophezeiung ist er der Einzige, der sich gegen das Schattenreich im Norden, das von der Nebelkönigin Morgoya unterjocht wurde, erheben kann. Doch so weit entfernt dieses Reich auch anmutet, Morgoya hat ihre Kräfte längst mobilisiert. Die Piratenüberfälle an den Küsten unter Mort Eisenhand und das Klauen der Irrlichter dienten einem einzigen Zweck: die Stadt Hammaburg zu Fall zu bringen und damit den Fuß auf den Kontinent zu setzen, um ihr Schattenreich auf die Welt auszuweiten.

_Bewertung_

Thomas Finn ist es gelungen, eine zauberhafte Welt zu erschaffen und sie in seinem Roman mit Leben zu erfüllen. Hammaburg, Morgoyas Schattenreich in Albion, das Albtraumgebirge und viele weitere Ortschaften verflechten sich zu einem fantastischen Abbild Europas, das, gespickt mit bekannten Mythen- und Sagenelementen, genug Bezugspunkte zur wirklichen Welt für den Leser bietet, um sich sofort mit den in der Anderswelt agierenden Geschöpfen identifizieren zu können. Dass der Autor als lokalpatriotischer Hamburger seine Stadt in den Mittelpunkt der Erzählung setzt, erweist sich dank des plastischen Bildes der Hafenmetropole, das er beim Leser hinterlässt, als wahrer Glücksgriff. Die vielen kleinen Details, die für die Handlung unerheblich, aber der atmosphärischen Beschreibungen äußerst dienlich sind, runden das Bild stimmungsvoll ab.

Vor diesem Hintergrund fesselt auch sogleich die Handlung, die aus Sicht Kais geschildert wird. Obwohl der Anfang zu schnell abgewickelt wird und ein, zwei weitere Kapitel über das dörfliche Leben Kais Entwicklung noch stärker untermauert hätten, kann Thomas Finn die Spannung konsequent hoch halten und bis zum packenden Finale stetig steigern. Der Konflikt um Mort Eisenhand, die aufkommende Gefahr durch Morgoya aus dem Norden, die politische Dimension um intrigante Ratsmitglieder und zu guter Letzt Kais Auseinandersetzung mit sich selbst und seinen Fähigkeiten verstricken sich schlüssig zu einem soliden, wenn auch zumeist in der ein oder anderen Form bereits bekannten Handlungsmuster. Positiv muss hier aber vor allem die Schilderung um Kais innere Flamme hervorgehoben werden. Denn obwohl die Gefahr in Form von Eisenhand oder Morgoya von außen droht, muss sich der jugendliche Protagonist zunächst mit sich selbst befassen. Er muss zu seiner eigenen Stärke finden, bevor er das Böse bekämpfen kann. Diese psychologische Sicht ist eine ganz große Stärke des Buchs und einer der Gründe, warum es sich unter anderen Jugendbüchern positiv hervorheben kann.

Die zweite große Stärke von Thomas Finn sind seine Charaktere. Während die Handlung Altbewährtes in gut umgesetzter Form mit einigen interessanten Ansätzen bietet, enthalten die Figuren in „Das unendliche Licht“ tatsächlich innovative Züge. Obwohl auch hier das bekannte Muster der typischen Figurenkonstellationen durchschimmert – der jugendliche Außenseiterheld, der zu sich selbst findet; der weise Lehrmeister, der dem Held den Weg weist; seine Gefährten, die ihm treu zur Seite stehen und Geheimnisse verbergen –, sind die Charaktere überaus originell. Magister Eulertin besitzt zwar Weisheit und Macht, ist aber durch seine Däumlingsgröße mehr als einmal auf Kais Hilfe angewiesen. Die Gargyle Dystariel bleibt schleierhaft und gibt kaum etwas von sich preis, doch ist ihre Geschichte eng mit der Schreckensherrschaft Morgoyas verbunden. Und auch die anderen Charaktere bewegen sich abseits der üblichen Klischees. Zwar lassen sich die Figuren recht eindeutig dem Gut-Böse-Schema zuordnen, doch dies fällt nicht negativ ins Gewicht, da es dem Jugendbuchstil angemessen erscheint und zweitens die Figuren nicht von Grund auf gut oder böse sind, sondern sich selbst entschieden haben, auf welcher Seite sie stehen wollen.

_Fazit_

„Das unendliche Licht“ ist ein spannender Roman geworden, der sich flott und zügig lesen lässt und die Erwartungen an den zweiten Teil sehr hoch steckt. Thomas Finn gelingt es, eine farbenfrohe Welt zu präsentieren, die Spaß macht, entdeckt zu werden. Obwohl es als Jugendbuch ausgeschrieben ist und den jungen Fantasylesern gute Unterhaltung bietet, dürfte es aufgrund seiner gelungenen Charaktere und seiner Anspielungen auf die Sagen Europas auch erwachsene Leser erfreuen. Bleibt also zu hoffen, dass dem deutschen Autor mit diesem Roman der verdiente Erfolg zuteil wird, denn „Das unendliche Licht“ muss den Vergleich mit anderen, zu Recht erfolgreichen Fantasy-Jugendbüchern nicht scheuen.

[Unser Interview mit Thomas Finn]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=59
[„Der Funke des Chronos“ 2239
[„Das Greifenopfer“ 1849
http://www.ravensburger.de
http://www.thomas-finn.de

Schreibe einen Kommentar