Robert E. Howard – Die Toten vergeben nichts (Gruselkabinett Folge 164)

Rache aus dem Grabe

Texas, 1877: Vom Alkohol berauscht erschießt der Cowboy Jim Gordon den ehemaligen Sklaven Joel und dessen Gattin, die ihn vor ihrem Ableben mit einem Todesfluch belegt. Haben die Alpträume, die ihn von nun an Nacht für Nacht heimsuchen, etwas mit den mysteriösen Unfällen zu tun, die ihn und die anderen Cowboys von nun an erschüttern? Gordon beginnt, um sein Leben zu fürchten… (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 14 Jahren.

Der Autor

Der Texaner Robert E(rvin) Howard ((https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_E._Howard )) (1906-36) ist am besten bekannt als Schöpfer der Figur des mächtigen Kriegers Conan. Der Brieffreund von Howard Phillips Lovecraft schuf aber in der Zeit der Großen Depression noch viele weitere Gestalten, allesamt Abenteurer und Outlaws, so etwa Bran Mak Morn, Solomon Kane (ein Pirat des 16. Jahrhunderts) und King Kull. Seine rund 160 Erzählungen für „Weird Tales“, die er ab 1925 veröffentlichte, umfassen neben Western, Piratengeschichten und dergleichen auch exzellente, vielfach abgedruckte Horrorgeschichten.

Durch seine Handhabung verschiedener Motive und Themen beeinflusste er die heroische Fantasy, insbesondere die Variante der Sword & Sorcery, im restlichen 20. Jahrhundert. Obwohl er weder Sword & Sorcery noch Heroic Fantasy erfand, etablierte er doch den diffusen Hintergrund eines Schauplatzes, der zwischen dem legendären Irland, prähistorischen Reichen wie Atlantis (bei Conan Hyperborea usw.) und dem alten Norwegen oszilliert. Von den nordischen Sagen (Islands Eddas) stammt möglicherweise der Fatalismus sowie die Verachtung für krankhaft wirkende Zivilisationen, die seine einzelgängerischen Helden an den Tag legen.

Jede Menge Zauberei schwingt in den Erzählungen mit, gewirkt von meist boshaften, egoistischen Magiern und Hexern beiderlei Geschlechts, denen der HELD sich entgegenstellen muss, um zu überleben. Hervorragende Kampffähigkeiten helfen ihm dabei, doch er gewährt selten Gnade. Er ist, wie gesagt, ein fatalistischer Einzelgänger, obwohl er Gefährten, die es verdienen, treu sein kann. Gegenüber Frauen ist der Barbarenkrieger oft rau und zupackend, doch stets ohne Bösartigkeit.

Howards Artikel in der „Encyclopedia of Fantasy“, aus dem ich zitiert habe, umfasst nicht weniger als 4,5 Spalten, was für einen Unterhaltungsschriftsteller, der nur zwölf Jahre lang schrieb, erstaunlich viel ist. Der Grund für diese Länge ist die Aufzählung der ungeheuer vielen CONAN-Romane und -Erzählungen, die in Howards Nachfolge geschrieben wurden, sowie die Aufzählung von Howards anderen Werken, die der Artikel sonst nicht abdeckt. Herausgeber wie Lin Carter und L. Sprague de Camp ergänzten und veränderten Howards nachgelassene Manuskripte (genau wie viele von HPLs Manuskripten), so dass der Sammler aufpassen muss.

Der mittlerweile wohlhabende Autor erschoss sich im Alter von 30 Jahren, kurz vor Fertigstellung eines Romans, wohl aus Kummer über den Tod seiner Mutter.

Howard-Titel im Gruselkabinett:

– Tauben aus der Hölle (Gruselkabinett 52)
– Der Grabhügel (Gruselkabinett 60)
– Besessen (Gruselkabinett 63)
– Schwarze Krallen (Gruselkabinett 70)
– Das Feuer von Asshurbanipal (Gruselkabinett 77)
– Die Kreatur (Gruselkabinett 86)
– Der schwarze Stein (Gruselkabinett 116)

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher

David Nathan: Jim Gordon, Cowboy
Ingeborg Kallweit: Jezebel
Bert Stevens: Joel
Herma Koehn: Klatschweib 1
Monika John: Klatschweib 2
Dietmar Wunder: John Elston, Rancher
Jürgen Thormann: Richter
Lutz Reichert: Deputy Sheriff Sam Grimes
Bodo Primus: Mike O’Donnell
Patrick Bach: Joe Richards, Cowboy
Peter Weis: R.J. Blaine
Horst Naumann: Dr. J.S. Ordley, Leichenbeschauer
Bene Gutjan: Tom Allison, Saloongast
Tom Raczko: Cowboy
Dirk Petrick: Cowboy

Die Macher

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden bei Titania Medien Studio und den Planet Earth Studios statt. Die Illustration trug Ertugrul Edirne bei.

Handlung

Die Cowboys des Ranchers Joel Elston haben über 3000 Rindviecher zusammengetrieben, die sie nun zum abgesprochenen Stückpreis nach Dodge City treiben sollen, denn dort befindet sich die Endstation der Eisenbahn. Bevor es losgeht, stattet der Cowboy Jim Gordon seinem alten Bekannten Joel, einem freigelassenen Sklaven, und seiner Frau Jezebel einen Besuch ab. Bei einer Flasche Schnaps fordert Jim Joel zu einer Partie Würfelspiel heraus. Jezebel, die in ihrem rotgrün karierten sackartigen Kleid, das Jim in die Augen sticht, der Partie zuschaut, schüttelt den Kopf. Was für Kindsköpfe.

Bluttaten

Doch am Ende der Flasche sieht der betrunkene Jim nicht, wie erhofft, nicht sich als Sieger, sondern als Betrogenen. Er zeiht Joel des Betrugs und nennt ihn minderwertig. Das lässt Joel nicht auf sich sitzen und haut Jim die leere Schnapsflasche über den Schädel. Der knallt Joel ab, was wiederum Jezebel gegen ihn aufbringt. Sie droht ihm so lange, bis er auch sie erschießt. Mit ihren letzten Worten verflucht sie ihn: Er werde nicht mehr lange leben, um seine Tat genießen zu können.

Schon auf dem Treck nach Dodge City beginnen sich unheilvolle Vorkommnisse derart zu mehren, dass die überlebenden Cowboys kapieren, dass an Jims Stiefelsohlen förmlich das Unglück klebt. Sie beginnen ihn zu meiden wie einen Aussätzigen. Jim nimmt kaum davon Notiz, denn ständig hört er die Stimme Jezebels in den Ohren. Mit knapper Not schaffen es die Überleben, die riesige Herde bis nach Dodge City zu treiben, wo sie sie abliefern und anschließend im Saloon einen draufmachen. Soweit der Bericht Jims im Brief an seinen Bruder.

Vor Gericht

Die Aufgabe des Richters besteht vor allem darin, die Ursache für den Tod des Cowboys Jim Gordon zu ermitteln, der auf den Stufen des Saloons tot aufgefunden worden ist. Niemand hat ihn erschossen, es gibt keinen Verdächtigen, der Tod ist ein Rätsel. Und doch starb Jim Gordon mit seinem – in der Stadt verbotenen – Revolver in der Hand, vermutlich um sich zu verteidigen. Aber gegen wen?

Mein Eindruck

Die Story scheint auf den ersten Blick ziemlich simpel gestrickt zu sein. Der Hörer weiß ziemlich sicher, dass Jim Gordon des Todes ist: Der Geist der Hexe sagt es ihm ja mehrmals, und er glaubt es. Die Spannung ergibt sich aus mehreren offenen Fragen: Wo findet sein Ableben statt? Und auf welche Weise soll es einem Geist gelingen, Jim ins Jenseits zu befördern? Schließlich würde es einem Geist schwerfallen, mangels Substanz Hand an Jim zu legen.

Nachdem man aber Jim mausetot aufgefunden hat, fällt der Ermittlung des Richters die Rolle zu, diese letzte Frage zu beantworten. Und mit der Antwort wartet das Hörspiel klugerweise bis ganz zum Schluss. Dann erst macht der Leichenbeschauer seine entscheidende Aussage. Ansonsten ist festzuhalten, dass das Publikum – und der Richter – keine einzige Träne um Jim Gordon vergießt. Er ist schon in der Eingangsszene, in der er einen anderen Cowboy über den Haufen schießt, solch ein schießwütiger Unsympath, dass wir sogar schon beim Würfelspiel ahnen, dass dieser Besuch nicht ausgehen wird.

Über die Quelle, aus der die Mulattin Jezebel ihre Hexenkräfte bezieht, schweigt sich der Autor wohlweislich aus. Nur die Klatschweiber spekulieren darüber. Sie stehe wohl mit dem Teufel im Bunde. Und als Jezebel sie grüßt, zittert eines der Klatschweiber wie Espenlaub. Offenbar verfügt Jezebel auch über indianisches Wissen. Und dass von Indianern sowieso nichts Gutes kommen kann, war dem Howard und seinen Zeitgenossen leider nur zu klar. Alles Fake News, wie wir heute wissen.

Jezebels Macht könnte genauso aus dem Voodoo-Glauben stammen, wie er in Howards Geschichte „Tauben aus der Hölle“ (Gruselkabinett Folge 52) für eine weitere Rache-Story verwendet wird. Immerhin wird Jezebel mit einem Leitmotiv ausgestattet: Es ist ihr rotgrün karierter Umhang. Die Farbe wird am Schluss noch wichtig, und der Hörer sollte quasi danach Ausschau halten. Die Pointe um dieses Detail jagt dem Hörer einen kalten Schauer über den Rücken.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Im Mittelpunkt des Geschehens steht zunächst Jim Gordon. David Nathan stellt ihn als einen schießwütigen Unsympathen dar, der im Suff selbst seine Freunde abknallt: Joel und Jezebel. Die beiden werden von Ingeborg Kallweit und Bert Stevens gesprochen. Der Fluch der bösen Tat folgt auf dem Fuße. Der Geist der Hexe verheißt Jim einen frühen Tod. Die Cowboys, gesprochen von Tom Raczko und Dirk Petrick, gehen zu Jim auf Abstand.

Die zweite Hälfte des Hörspiels bestreitet die Gerichtsverhandlung, die in erster Linie aus Zeugenaussagen besteht. Schließlich gibt es offensichtlich keinen Täter anzuklagen. Die Verhandlung ist also im Grunde eine Anhörung. Zu beantworten ist die unerklärliche Todesursache Jim Gordons. Wie kam es dazu, dass nicht nur sein Revolver explodierte, sondern auch sein Kopf? (Die blutigen Details erspare ich dem Leser.) Jürgen Thormann, die deutsche Stimme von Michael Caine und vielen anderen, leitet als Richter die Anhörung souverän und mit Autorität. Alle anderen sind nur Randfiguren mit jeweils nur wenigen Zeilen Text. Immerhin fällt niemand aus der Rolle oder legt Desinteresse an den Tag.

Geräusche

Die Geräusche sind diesmal von entscheidender Bedeutung, um der doch recht schnörkellosen Handlung eine beeindruckende Atmosphäre zu verleihen. Eine schier unglaubliche Vielfalt von Geräuschen verwöhnt das Ohr des Zuhörers. Der Eindruck einer real erlebten Szene entsteht in der Regel immer. Die Tonregie hat nicht die Geräusche des Draußen auf einem Viehtrieb in eine Klangkulisse umzusetzen, die a) überzeugend, aber b) nicht überwältigend ist. Bei letzter würde der Hörer vor lauter Überlagerungen nichts mehr verstehen.

In den Interieur-Szenen hört man bei Joel die Würfel fallen und die Schnapsgläser klirren. Im Saloon von Dodge City klimpert ein Honkytonk-Klavier an der Grenze zur Verstimmtheit. Erst während der Anhörung kommt so etwas wie Ruhe auf, unterbrochen von Rückblenden. All diese Samples setzt die Tonregie zur Genüge ein, um einer Szene eine Fülle von realistisch klingenden Geräuschen zu vermitteln.

Die Musik

Die Musik wird nur punktuell eingesetzt, um eine bestimmte Stimmung zu erzeugen. Wenn ich mich nicht täusche, wird dabei nicht auf klassische Instrumentierung zurückgegriffen, sondern häufig auf digital erzeugte Sounds. In bedrohlichen Momenten erklingen dabei vor allem tiefe Bässe.

Das Booklet

Das Titelmotiv zeigt die Szene, in der der Geist der ermordeten Mulattin Jezebel über Dodge City kommt, um Jim Gordon aus dem hell erleuchteten Saloon zu rufen.

Im Booklet sind die Titel des GRUSELKABINETTS bis zum Sommer 2021 verzeichnet. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf.

Unterm Strich

Jim Gordon, der schießwütige Cowboy mutiert vom erfolgreichen Viehtreiber zum Unglücksraben. Ist auch dies der Fluch der bösen Tat? Warum trampelt der Stier seinen Kumpel Joe zu Tode? Jim wird bald wie ein Aussätziger behandelt. Befände er sich auf einem Schiff der königlich-britischen Marine, würde man ihn einen JONAS nennen: den ungläubigen, mit einem Fluch belegten Unheilbringer. Nicht, dass irgendetwas davon Jim im Mark erschüttern könnte. Im Saloon von Dodge City ist er schließlich bereit, sich dem Geist der Hexe entgegenzustellen.

Soweit ist alles ziemlich klar, aber es bleibt noch eine entscheidende Frage zu klären: Wie genau konnte es dem Geist der Hexe trotz seiner Substanzlosigkeit gelingen, Jim ins Jenseits zu befördern? Die zweite Hälfte des Hörspiels besteht aus einer Anhörung, die die Aufgabe hat, diese Frage zu beantworten. Denn offenbar gibt es keinen Täter…

Die recht schnörkellose Handlung strebt auf zwei Spannungshöhepunkte zu: Wo wird Jim sein Schicksal ereilen? Und wir kam er mangels Fremdeinwirkung wirklich zu Tode? Die Antwort auf die zweite Frage lässt bis zum Schluss auf sich warten.

Das Hörspiel

R. E. Howards Geschichten zeichnen sich meist nicht gerade durch Komplexität oder intellektuelle Höheflüge aus. Emotionale Wirkung ist viel wichtiger. Seine Pulp-Fiction-Leser erwarteten spannende Unterhaltung, die sie in höchstens einer Stunde bewältigen konnten. Die vorliegende Story ist keine Ausnahme. Sie ist geradlinig gezeichnet, doch mich hat vor allem die ausgefeilte Klangkulisse beeindruckt. Anders als etwa in „Schwarze Krallen“ (Gruselkabinett 70) sorgt eine dichte Soundkulisse für den realistischen Hintergrund als auch für emotionale Stimmung. Diese wird durch die Musik, die halb Melodie, halb Sound ist, effektvoll ergänzt.

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen.

Die Sprecherriege für diese Reihe ist höchst kompetent und renommiert zu nennen, handelt es sich doch um die deutschen Stimmen von Hollywoodstars wie Michael Caine (Jürgen Thormann) oder Johnny Depp (David Nathan). Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für spannende Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert, und die Stimmen der Hollywoodstars Clooney und Malkovich vermitteln das richtige Kino-Feeling.

CD: über 45 Minuten
Originaltitel: The Dead Remember, 1936;
ISBN-13: 9783785781913

www.Titania-Medien.de

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