Robert Holdstock – Ancient Echoes (Ryhope Wood Zyklus 6)

Horror-Trip in die Traumzeit

Zwei Gestalten aus der Welt seiner Visionen entführen Jack Chatwins kleine Tochter. Um sie zurückzubekommen, muss er in das Land gehen, aus dem die beiden Entführer stammen: jenseits unserer Wirklichkeit. Es wird eine spannende Entdeckungsreise, die u.a. zur Selbsterkenntnis führt.

Auch dies ist wieder ein extrem spannender und origineller Trip in die Traumzeit. Das ist die der keltischen Jungsteinzeit und der Bronzezeit und noch davor, also nicht mit der der Aborigines zu verwechseln.

Der Autor

Robert Paul Holdstock, geboren 1948, begann mit dem Schreiben schon 1968, machte sich aber erst 1976 als Schriftsteller selbständig und schrieb daraufhin eine ganze Menge Genre-Fantasy. Dabei entstanden wenig interessante Trilogien und Kollaborationen an Sword and Sorcery-Romanen, u.a. mit Angus Wells.

Erst 1983 und 1984 taucht das für die Ryhope-Sequenz wichtige Motiv des Vater-Sohn-Konflikts im Roman „Mythago Wood“ auf, für den der Autor den World Fantasy Award erhielt. Beide Seiten werden getrennt und müssen wieder vereinigt werden. Das Besondere an dieser emotional aufgeladenen Konstellationen ist jedoch, dass die Bewegung, die dafür nötig ist, in einer Geisterwelt stattfindet: dem Ryhope-Forst.

In Holdstocks keltischer Fantasy befindet sich in diesem Urwald, der kollektiven Unbewussten C. G. Jungs entspricht, erstens ein Schacht, der mit weiterem Vordringen ins Innere immer weiter zurück in der Zeit führt. Eines der wichtigsten und furchtbarsten Ungeheuer, Urscumug, stammt beispielsweise aus der Steinzeit. Und zweitens finden bei diesen seelischen Nachtreisen durch die Epochen permanent Verwandlungen, Metamorphosen statt. So verwandelt sich die Hauptfigur Tallis in „Lavondyss“ schließlich in eine Dryade, einen Baumgeist. Das ist äußerst faszinierend geschildert.

Am Ende der Nachtreisen warten harte Kämpfe, die auch in psychologischer Hinsicht alles abverlangen, was die Kontrahenten aufbieten können. Und es ist niemals gewährleistet, dass die Hauptfiguren sicher und heil nach Hause zurückkehren können. Denn im keltischen Zwielicht, das noch nicht durch das christliche Heilsversprechen erleuchtet ist, scheint am Ende des Weges keine spirituelle Sonne, sondern dort wartet nur ewige Nacht. Es ist also die Aufgabe des Autors darzulegen, wie dieses schreckliche Ende vermieden werden kann.

Der MYTHAGO-Zyklus bis dato:

1. Mythago Wood (1984; Mythenwald, World Fantasy Award!)
2. Lavondyss (1988; Tallis im Mythenwald)
3. The Bone Forest (1991; Sammlung)
4. The Hollowing (1993)
5. Merlin’s Wood (1994, Sammlung inkl. Roman)
6. Ancient Echoes (1996)
7. Gate of Ivory (2000)
8. Avilion (2008)

Der MERLIN CODEX-Zyklus:

1. Celtika (2001)
2. The Iron Grail (2002)
3. The Broken Kings (2007)

Handlung

Der Archäologe Jack Chatwin hat ein paar merkwürdige Visionen. Doch nicht so sehr das grün tätowierte Gesicht der jungen Frau – Greenface – erschreckt ihn, sondern ihr Geliebter, Grayface. Denn als Greenface in Jacks Realität erscheint, will Grayface sie zurückhaben. Er bedroht Jacks Frau und entführt seine kleine Tochter. Die beiden Erscheinungen fliehen vor einem schrecklichen Geheimnis, und erst als Jack herausfindet, um was es sich dabei handelt, kann er Grayface überwinden und seine Tochter wiederbekommen.

Doch bis dahin ist es ein sehr weiter Weg. Auf seinen von einer Maschine namens MIDACS (Abkürzung für: Mostly Isolated, Defined, Autonomous Central Self) induzierten Reisen in das Zentrum der im eigenen Unterbewusstsein befindlichen vorbewussten Traumwelt, aus der Gray- und Greenface kommen, lernt er vorzeitliche Kulturen kennen und trifft auf das Phänomen des Landwirbels, eines Mahlstroms im Land, das ganze Landstriche verschlingt. Und er begegnet dem Wesen, das Gray- und Greenface verfolgt…

Mein Eindruck

Wie schon in „Mythago Wood“, „Lavondyss“ und „The Hollowing“ (siehe meine Berichte) führt Robert Holdstock den Leser in die unheimliche Welt der allerersten Mythen, in das Zwielicht, wo die Archetypen über Leben und Tod bestimmen. In dieser Schattenzone wird der Leser mit seinen ältesten Ängsten und Begierden konfrontiert, was nicht unbedingt zu jedermanns Vergnügen ist.

Holdstock hat in den Masken der Archetypen eine eigentümliche Machtquelle gefunden, die er als einziger Fantasy-Autor darzustellen versteht, am besten bislang wohl in „Lavondyss“. Green- und Grayface sind weitere Masken des Vorbewussten oder Kollektiven Unterbewussten nach C.G. Jung. Und aus diesem Paar entspinnt der Autor eine an Spannung und Faszination kaum zu überbietende Story. „Ancient Echoes“ ist ein Abenteuer, von dem man nie weiß, wohin es den Leser entführt.

Dadurch, dass eine Träume induzierende Maschine den Zugang zur Traumwelt öffnet, wird eine wissenschaftlichere Betrachtungsweise möglich, die dem modernen Leser entgegenkommt, aber sie wäre nicht wirklich nötig. Wirklich wichtig sind hingegen die psychologischen Wechselwirkungen zwischen realer Welt – Jacks Familie, seine Frau betrügt ihn während seiner Absencen – und den Schrecken der Anderswelt, die in die Realwelt einbrechen. Das Buch vermischt somit SF, Fantasy und Horror.

Taschenbuch: 432 Seiten
Sprache: Englisch

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