Robert M. Talmar – Der verlorene Brief (Gilwenzeit 2)

Gilwenzeit:

Band 1: Der vergessene Turm“
Band 2: „Der verlorene Brief“

Finn Fokklin hat innerhalb der letzten fünf Tage mehr erlebt als in seinem ganzen Leben und wesentlich mehr, als er jemals erleben wollte! Und dabei ist offensichtlich, dass es noch gar nicht richtig angefangen hat! Kaum hat Finn das Abenteuer, in dessen Folge er die Bekanntschaft des Dwargen Glimfáin gemacht hat, einigermaßen überstanden, erfährt er, dass womöglich seine Eltern in Gefahr sind. Also macht Finn sich auf nach Aarienheim. Zum Glück führt Circendils Suche nach dem Versteck der Gluda ihn und Mellow in dieselbe Richtung. Aber was hat Bholobhorg dazu bewogen, sich den dreien anzuschließen?

Aufgrund der weiteren Reise durch das Hügelland tauchen natürlich auch neue Charaktere auf. Wirklich bedeutend für die Handlung ist allerdings keiner von Ihnen. Auch Charakterentwicklung bei den bereits bekannten Figuren ist kaum vorhanden, es sei denn, man möchte die Tatsache, dass Finn sich in Tallia verliebt, als solche bezeichnen. Die wachsende Tatkraft, die er entwickelt, würde ich eher dem Dolch zuschreiben, den Glimfáin ihm geschenkt hat.

Die Handlung entwickelt sich erstaunlicherweise etwas ruhiger als im ersten Band. Nachdem die dramatische Situation am Ende des ersten Bandes ausgestanden ist, folgen lediglich zwei lebhaftere Stellen, der Rest verteilt sich auf Gespräche, vor allem aber Beschreibungen. Tatsächlich kam es mir fast so vor, dass im Grunde so gut wie nichts geschieht, trotzdem hatte ich bei diesem zweiten Band weniger Durchhänger als beim ersten.

Zum einen, weil es dem Autor gelingt, die beschauliche Welt, die er im ersten Band noch dargestellt hat, zunehmend bedrohlich und düster erscheinen zu lassen. Nicht nur das Wetter ist schlechter – viel Regen, grauer Himmel, böiger, kalter Wind – auch die Landschaft wird rauer: die sanften grünen Hügel mit ihren Teichen und freundlichen Bäumen bleiben zurück zugunsten von hartem, grauem Fels und dornigem Gestrüpp. Auch sonst wird die Stimmung düsterer. Hatte der Leser nach der Ratsversammlung in Mechellinde noch den Eindruck, die Vahits seien ihrem Schicksal nicht völlig hilflos ausgeliefert, belehrt die Situation an der Räuschelfurt ihn schon bald eines anderen.

Zum anderen hat sich die Geschichte wie erhofft in eine eigenständigere Richtung entwickelt. Abgesehen vom sprachlichen Ausdruck vor allem in der wörtlichen Rede erinnerte lediglich die Wirkung der Sinyanwhe auf Mellow noch einmal stark an Tolkien, wenngleich die Wirkung wesentlich schneller eintrat und viel stärker ausfiel als die des Einen Rings. Ansonsten aber blieben störende Assoziationen aus, sodass es mir wesentlich leichter fiel, ins Geschehen einzutauchen.

Der Showdown hatte es dann wirklich in sich! Nicht unbedingt in Bezug auf Raffinesse, es war eher die unabwendbare Gnadenlosigkeit, mit der der Autor seinem Helden Stück für Stück sämtliche Schwungfedern stutzt! Finn wird schlicht überrollt, regelrecht niedergewalzt! Natürlich weiß der Leser, dass der junge Vahit überleben wird, schließlich hat er in der Einleitung des ersten Bandes von Finns Bericht über die Gilwenkriege gelesen. Dennoch war das schon ein ziemlich hartes Ende, vor allem, weil der Ausblick auf den nächsten Band sich wohl eher auf die Königreiche der Menschen richten wird. Ob und inwieweit Finn darin noch vorkommen wird, bleibt abzuwarten.

Insgesamt gefiel mir der zweite Band besser als der erste. Obwohl bisher nicht viel an Charakterentwicklung geboten ist, sind die Hauptfiguren doch so gut getroffen und dargestellt, dass sie die Geschichte bisher mühelos tragen. Die Verlagerung der Handlung aus dem Hügelland hinaus wurde im Verlauf der Ereignisse bereits angedeutet, was nicht ungeschickt gemacht war, obwohl ich es schon recht mutig von dem Gidrog finde, ohne den Brief zu seinem Herrn zurückzukehren! Ich hätte eher erwartet, dass er zurückkehrt, um die verlorene Tasche wiederzufinden, nachdem er ihren Verlust bemerkt hat. Aber abgesehen von diesem kleinen logischen Knacks war die Geschichte stimmig.

Der größte Pluspunkt war die zunehmende Lösung von Bekanntem hin zu eigenen Ideen, die sprachlich stimmungsvoll umgesetzt waren. Es gab nur wenige Stellen, vor allem im Zusammenhang mit der Romanze zwischen Finn und Tallia, die ich mir vielleicht ein wenig straffer gewünscht hätte. Das einzige, womit ich wirklich noch immer Mühe habe, sind die Eigennamen. Eigene Sprachen zu erfinden, ist ja sicher spannend und sorgt für Flair. Aber müssen sie denn unbedingt so kompliziert geschrieben sein? Das wird mich nicht wirklich am weiterlesen hindern. Schließlich bin ich durchaus neugierig auf die Reiche der Menschen. Aber ich hoffe trotzdem, dass die Revinorer eine schlichtere Sprache sprechen.

Robert M. Talmar ist ein Pseudonym. Die bisherigen Veröffentlichungen des Autors befassen sich zu einem größten Teil mit Sachthemen im Zusammenhang mit seinem Beruf als Wirtschaftsberater und Mentaltrainer, jedoch hat er seit seiner Jugend ein Faible fürs Fantastische. Sein Zyklus Gilwenzeit ist über einen langen Zeitraum allmählich gewachsen, jetzt wird er in Worte gegossen. Ein Veröffentlichungsdatum für die Fortsetzung steht bisher noch nicht fest.

Taschenbuch 480 Seiten
ISBN-13: 978-3404207503

www.gilwenzeit.de
www.luebbe.de

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