Robert Rankin – Warten auf Oho (Hörbuch)

Detektivparodie, Verschwörungsfantasie und metaphysische Komödie

Gott ist tot, und seine Frau Eartha ist sauer. Gott hat nämlich vor seinem Ableben die Erde seinem Sohn Colin vererbt, obwohl er sie ihr geschenkt hatte. Damit nicht genug, trachten nun Dämonen im Auftrag eines „Ministeriums für glückliche Zufälle“ (lies: Hölle) nach der Herrschaft über eben jene nichts ahnende Erde.

Moment, ein wenig Ahnung gibt es hinieden doch: ein Dieb und ein Privatschnüffler kommen der übelriechenden Sache aus ganz unterschiedlichen Richtungen auf die Spur. Doch nach dem zu urteilen, wie sie sich anstellen, ist das Schicksal Terras mehr als ungewiss…

„Warten auf Oho“ bezieht sich im Titel – sowohl des Originals wie auch in der Übersetzung – auf Samuel Becketts Theaterstück „Warten auf Godot“. Allerdings ist Rankins Roman wesentlich lustiger, unterhaltsamer und wortreicher.

Der Autor

Robert Rankin wurde 1949 in London geboren, seit 2004 lebt er mit seiner Frau und zwei Söhnen auf dem Lande in West Sussex. Seine Spezialität sind humoristische Parodien, meist auf erkennbare Vorbilder, aber nicht immer. Bei Bastei-Lübbe sind u.a. die Elvis-Trilogie, die sechsbändige Brentford-„Trilogie“ und der Hugo-Rune-Zyklus erschienen.

Die Brentford-Trilogie

1981 Der Antipapst ISBN 3-404-24246-7 (The Antipope)B F
1982 Die Akte Brentford ISBN 3-404-24247-5 (The Brentford Triangle)B F
1984 Jenseits von Ealing ISBN 3-404-24255-6 (East of Ealing)B F
1988 Kohl des Zorns ISBN 3-404-24264-5 (The Sprouts of Wrath)B F
1997 Das Kettenlädenmassaker ISBN 3-404-24271-8 (The Brentford Chainstore Massacre)B F
1997 Nostradamus Ate My Hamster ISBN 0-552-14355-3 F
1999 Sex and Drugs and Sausage Rolls ISBN 0-552-14741-9 B
2001 Web Site Story ISBN 3-404-24313-7 (Web Site Story)
2003 Knees up Mother Earth ISBN 0-575-07649-6 (Gleichzeitig zweiter Band der Chiswick-Trilogie)B F
2005 The Brightonomicon ISBN 0-575-07668-2 (gehört genaugenommen ebenso zum Hugo Rune-Zyklus)F
2017 The Lord of the Ring Roads (Erstes Buch der allerletzten Brentford-Trilogie)

Anzahl und zum Teil auch Reihenfolge der zur Brentford-Trilogie gehörigen Bücher schwankt je nach Bibliografie, zwei Beispiele: B nach „Brightonomicon“-Klappentext; F nach fantasticfiction. Da die Bücher aber alle (mehr oder weniger) in Brentford spielen, kann man sie eigentlich getrost alle dazuzählen, wobei die genauere Reihenfolge unklar bleibt.

Außerdem ist „The Sprouts of Wrath“ bei Abacus in einer Erstauflage mit alternativem Ende und einem Artwork von Josh Kirby (zeichnete zahlreiche Illustrationen für Terry Pratchett) erschienen, aber kaum noch zu bekommen

The Armageddon Quartet

1988 Armageddon, Das Musical ISBN 3-404-24278-5 (Armageddon: The Musical)
1991 Armageddon, Das Menü ISBN 3-404-24285-8 (They Came and Ate Us: Armageddon II: The B Movie)
1992 Armageddon, Das Remake ISBN 3-404-24292-0 (The Suburban Book of the Dead: Armageddon III: The Remake)

Der Hugo-Rune-Zyklus

1993 Das Buch der allerletzten Wahrheiten ISBN 3-404-24201-7 (The Book of Ultimate Truths)
1994 Jäger des verlorenen Parkplatzes ISBN 3-404-24204-1 (Raiders of the Lost Carpark)
1994 Die größte Show jenseits der Welt ISBN 3-404-24210-6 (The Greatest Show Off Earth)
1995 Der wundersamste Mann der jemals lebte ISBN 3-404-24216-5 (The Most Amazing Man Who Ever Lived)
2009 Retromancer ISBN 978-0575078727

The Witches of Chiswick trilogy

2003 The Witches of Chiswick ISBN 0-575-07545-7
2003 Knees up Mother Earth ISBN 0-575-07315-2 (Gleichzeitig siebter Band der Brentford-Trilogie)

Einzelwerke

1995 Der Garten Unirdischer Gelüste ISBN 3-404-24225-4 (The Garden of Unearthly Delights)
1996 A Dog Called Demolition ISBN 0-552-14213-1
1998 Apocalypso ISBN 3-404-24299-8 (Apocalypso)
1999 Starker Tobak ISBN 3-404-24324-2 (Snuff Fiction)
2001 Web Site Story ISBN 3-404-24313-7 (Web Site Story)
2001 Fandom of the Operator ISBN 0-385-60256-1
2002 Die apokalyptischen Schokohasen ISBN 3-404-24336-6 (Hollow Chocolate Bunnies of the Apocalypse)
2006 The Toyminator ISBN 0-575-07010-2 (Fortsetzung der apokalyptischen Schokohasen)
2006 The Da-da-di-da-da Code ISBN 0-575-07990-8
2008 Necrophenia ISBN 978-0575078710
2011 Empires (Comic)
2013 Alice on Mars
2014 The Divine Commodore
2015 I, Robert – The Far-Fetched Autobiography of Robert Rankin

The trilogy that dare not speak its name trilogy

1997 Sprout Mask Replica ISBN 0-552-14356-1
1998 Der Tanz der Voodoo-Tasche ISBN 3-404-24307-2 (The Dance of the Voodoo Handbag)
2000 Warten auf Oho! ISBN 3-404-24318-8 (Waiting for Godalming)

The Victorian Steampunk Series

2010 The Japanese Devil Fish Girl and Other Unnatural Attractions
2011 The Mechanical Messiah and Other Marvels of the Modern Age
2012 The Educated Ape and Other Wonders of the Worlds
2013 The Chickens of Atlantis and Other Foul and Filthy Fiends
2015 The Abominable Showman

Der Sprecher

Oliver Rohrbeck ist laut Verlag als Theaterschauspieler und Synchronsprecher bekannt und hat sich v.a. als in der Hörspielreihe „Die drei ???“ einen Namen gemacht. Mit ihm als Sprecher ist bei Lübbe Audio „Frühling & Sommer“ von Stephen King erschienen, also die zwei Novellen „Die Verurteilten“ und „Der Musterschüler“.

Handlung

Zunächst sieht es so aus, als habe der Roman zwei Handlungsstränge. Das könnte sich als Irrtum erweisen. Wie sich so vieles, was man zunächst anzunehmen geneigt ist, als Irrtum herausstellt.

Der erste Strang

Ein Barbierladen namens „Stravino“ in jener längst untergegangenen Epoche vor 1990. Hier kehrt Icarus Smith, der 18-jährige Held, gerne regelmäßig ein, wozu auch immer, aber jedenfalls nicht, um sich den Bart stutzen zu lassen. Vielmehr hat er einen Deal mit dem Inhaber, und der lässt ihn schon mal die Erotikhefte auf dem obersten Regal durchblättern. Dies spielt in jenen goldenen Tagen, als das Internet noch nicht jedermanns Leben bis zur Unkenntlichkeit beschleunigte, und Icarus kann sich die Mädchenbilder daher nicht aus dem Netz saugen. Was ihn interessant macht, ist sein Selbstverständnis als „Relokator“. Sein Bruder Edwin sagt „Dieb“ dazu, aber Icarus betrachtet das Entwenden und Woandersplatzieren von Objekten als Kunst, Wissenschaft und Lebensform. Sein Bruder hält ihn für beknackt.

Wichtig sind die zwei anderen Besucher: Captain Ian Drayton, Armeeoffizier auf Heimaturlaub, und ein gewisser Mr. Cormerant vom „Ministerium für glückliche Zufälle“. Dessen dicke schwarze Aktentasche erregt Icarus‘ Begehren, woraufhin sie plötzlich eigene Wege geht, die ihr Besitzer nicht vorsah. In einem sicheren Versteck stößt Icarus darin auf eine Tonbandaufnahme, die ihn erschreckt: Die Stimme von Mr. Cormerant ist darauf, aber auch die eines Folterers, der einen Professor Bruce Partington aus Brentford nach der Formel für eine Droge namens „Red Head“ befragt. Und zwar mit schmerzhaften Methoden. Bevor der Prof stirbt, faselt er noch etwas von Aliens.

Im Haus des Professor erfährt Icarus endlich, was es mit Red Head auf sich hat: Es ist eine Droge, die Wahrheit der Wirklichkeit enthüllt – und die ist angefüllt mit Engeln und Dämonen. Icarus hat den Verdacht, dass auch das „Ministerium für glückliche Zufälle“ etwas damit zu tun hat…

Der zweite Strang

Sein Name ist Lazlo Woodbine, und er ist der größte lebende Privatdetektiv. Seine Freunde nennen ihn Laz, doch davon hat er nur sehr wenige, denn er ist ein hartgesottener Bursche (und immer noch auf der Suche nach seiner weiblichen Seite). Lazlos Schutzengel trägt den schönen namen Barry.

Heute ist sein Glückstag: Laz erhält gleich zwei Aufträge: Ein gewisser Mr. Cormerant verlangt von ihm, er solle eine schwarze Aktentasche wiederbeschaffen, die man ihm, Cormerant, in einem Barbierladen geklaut habe. Leicht verdientes Geld, denkt Laz, und die Spur führt ihn natürlich zu Icarus Smith, der Wahrheitsdroge – und Mr. Cormerants wahre Natur.

Der zweite Auftrag erweist sich als kniffliger: Gott ist aus dem Himmel verschwunden, nachdem er seiner Gattin Eartha einen Planeten namens Terra geschenkt hatte. Eartha will von Lazlo, dass er Gott findet UND ZURÜCKBRINGT. Das Wetter spiele bereits verrückt. Außerdem seien nun drei Kinder vaterlos. Wenn Laz den Fall nicht übernehme, so Barry, könne Ertha allerdings recht unagenehm werden. Den Rest seiner Tage könnte laz in einer Art Vorhölle verbringen.

Wo ist das Problem, denkt Laz lässig, besorgt sich von Barry die himmlischen Daten und begibt sich in die Disco Crimson Teacup. Hier soll sich Gott, verkleidet als Richard E. Grant, herumtreiben, in der Hoffnung, jüdische Jungfrauen aufreißen zu können. Laz findet Gott auf der Toilette, doch der verschwindet durch die Hintertür, die natürlich zu einer schummrigen Seitengasse. Laz hört Schüsse fallen und tatsächlich: Da liegt Gott auf dem Boden, beleuchtet von den Blitzen eines Hurrikans.

Nun hat Laz ein kleines Problem, denn wie Barry weiß, hat Gott den Planeten Terra in seinem Testament seinem Sohn Colin („Colin?!“) vererbt, doch die betrogene Eartha ficht dieses Testament natürlich an. Damit fangen Lazlos Probleme aber erst an, denn Colin steckt mit einem gewissen Mister Cormerant unter einer Decke. Und wie Icarus soeben schmerzhaft herausgefunden hat, ist Cormerant ein Dämon…

Mein Eindruck

Ein Dieb und ein Privatdetektiv machen sich also auf den Weg, eine umfassende Verschwörung aufzudecken, die die Weltherrschaft anstrebt – was sonst? Verschwörungskomplotte sind ja seit seligen James-Bond-Tagen ein beliebtes Mittel, einerseits die Welt zu erklären und zweitens den jugendlichen Helden eben diese Welt vor den Verschwörern retten zu lassen. Für die üblichen Actionkämpfe ist also gesorgt. Und um alle Klischees zu erfüllen, findet der Shown auf dem Dach eines Hauses statt, das gerade gesprengt werden soll.

Neben seiner Parodie aller Hard-boiled-Detektivfilme der Vierziger und Fünfziger bietet der Autor aber auch eine metaphysische Komödie auf, und die leiht dem Buch den Titel. Gottes Familie ist leicht in Unordnung geraten, seit er selbst aushäusig „aktiv“ ist, seine Frau Eartha sich um ihr Geschenk, die Erde, sorgt und die drei Kids eigene Wege gehen: Jesus Christus natürklich, dann aber auch Colin und seine Schwester Christina. Ja, und wo diese beiden in dieser Geschichte auftauchen, das führt dann auch noch zu ein paar netten Überraschungen.

Lediglich im letzten Viertel, wenn sich alle Annahmen über Gott und die Welt als Irrtümer entpuppen, wird es für den Zuhörer etwas unübersichtlich. Am besten macht man vorher mal eine Pause oder zwei. Den Atem kann man nämlich gut gebrauchen.

Die Detektivparodie, Verschwörungsfantasie und metaphysische Komödie fand ich ganz nett, aber viele Gags klingen schon etwas abgedroschen, was Detektive und Götter anbelangt. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass der Roman bereits 1999 erschienen ist – und womöglich schon Jahre davor (vor dem Internet?) geschrieben wurde. Nicht zuletzt die Spielfilmreihe um die „Nackte Kanone“ hat den Mythos um ruhmreiche, einsame, abgebrühte Privatschnüffler ad absurdum geführt.

Nicht nur, dass Lazlo Woodbine (ich glaube, so hieß mal eine Zigaretten- oder Zigarrenmarke) ein überholtes Modell ist. Er ist auch noch ein penetranter Klugschwätzer, der selbst einem Jim Carrey das Wasser reichen könnte. Allerdings bietet der Autor die eingebaute Ironiebremse an: Alle anderen Figuren können sich nicht an Woodbines wahren Namen erinnern und verunstalten ihn. Woodbine selbst kann – oder darf – sich den Namen des Herstellers seines Revolvers von Smith & Wesson nicht merken. Das führt ebenfalls zu netten Sprachentgleisungen. Leute, die diese Art Humor noch witzig finden, dürfte heute kaum älter als 17 sein. Denn danach ist die Welt einfach eine zu ernste Angelegenheit.

Der Sprecher

Oliver Rohrbecks Vortrag hat viele gute Qualitäten, so etwa das unglaublich schnelle Sprechen lustiger Stellen, doch die korrekte Aussprache bestimmter fremdsprachlicher Wörter gehört nicht dazu. Wenn er den Eigennamen Ian ausspricht, so sagt er „aiän“ statt „i’än“, und den französischen Ausdruck „sang froid“ (kaltes Blut) spricht er englisch „säng freud“ aus statt französisch „så froá“.

Immerhin charakterisiert er die wichtigsten Stimmen eindeutig, so dass man die Figuren auseinanderhalten kann. Das gilt aber nicht für die zwei „Engel“ Barry und Johnny Boy. Zum Glück haben diese beiden kaum eine gemeinsame Szene. Und durch Zusätze wie „sagte X“ und „sagte Y“ wird auch dem letzten Zuhörer klar, wer gerade was sagt. Allerdings ist das nicht gerade der beste Erzählstil, den man sich vorstellen kann.

Unterm Strich

Wie schon angedeutet, muss man wohl ein bestimmtes Maximalalter mitbringen, um dieser Sammlung parodistischer Einfälle auch wirklich Vergnügen abgewinnen zu können. Sonst wirkt das ganze Verfahren nämlich schnell schwer nervend. Ein klugschwätzerischer Detektiv, eine zerstrittene Götterfamilie – naja, Hauptsache, man hat gute Nerven. Am besten gefiel mir noch Icarus Smith, dem all unsere Sympathien gelten müssen, denn er hat eine unkonventionelle Art, mit dem Besitz anderer Leute umzugehen: Er klaut aus philosophischer Überzeugung. Er hat den „großen Durchblick“. Und bei Gelegenheit spielt er Robin Hood. Auch gegen Dämonen, die aussehen wie Reptilien mit Federn auf dem Kopf. Jeder andere – vielleicht mit Ausnahme von 007 und dem blinden Neo – würde da doch die Flucht ergreifen!

Sprecher Oliver Rohrbeck gelingt ein lebendiger, flotter Vortrag. Doch wie bei allen Hörbüchern, die viele Geistesblitze transportieren, sollte man nach zwei CDs, also 140 Minuten, mal eine Verschnaufpause einlegen und sich überlegen, welche Geschichte man gerade erfahren hat.

„Warten auf Oho“ ist eine Frage des Alters und Geschmacks. Wer beides mitbringt, wird eine Menge Spaß haben. Alle anderen haben wahrscheinlich gerade Wichtigeres zu tun.

CD: 313 Minuten
Originaltitel: Waiting for Godalming, 2000
Aus dem Englischen von Axel Merz
ISBN-13: 978-3785714065

www.luebbe.de

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