Brandon Sanderson – Die Seele des Königs (3 Novellen)

Als „Die Seele des Königs“ in den Vorankündigungen auftauchte, dachte ich erst, es sei die Fortsetzung der Sturmlicht-Chroniken. Nach dem Lesen der Kurzbeschreibung war klar, dass es das nicht ist. Aber erst, als ich mein Exemplar in der Hand hielt, stellte ich fest, dass es sich hierbei nicht um einen Roman, sondern um drei Novellen handelt.

„Die Seele des Königs“ ist die erste der drei.

Nach einem Attentat liegt der König im Koma. Sollte das an die Öffentlichkeit dringen, wird der fünfköpfige Regierungsrat seine Macht verlieren. Deshalb ringen seine Mitglieder sich widerwillig dazu durch, der jungen Fälscherin Shai, die eigentlich hingerichtet werden sollte, die Freiheit anzubieten … wenn sie dafür die Seele des Königs fälscht!

Diese erste Geschichte war wirklich eine runde Sache, sowohl von der Länge als auch vom Inhalt her. Der Entwurf der Magie wird deutlich, während Shai einem der Ratsmitglieder ihre Arbeitsweise und die Wirkung ihrer Kunst erklärt. Und ihr Studium des Königs, vor allem seines Tagebuches, offenbart allmählich nicht nur dessen Charakter, sondern auch ihren eigenen. Spannung erhält die Erzählung zusätzlich durch einen nachtragenden Hauptmann und eine machthungrige Rätin. All das ist sauber ausbalanciert, feinfühlig erzählt und ohne logische Brüche. Sehr gelungen!

Die zweite Novelle heißt „Legion“.

Stephen ist ausgesprochen anders als seine Mitmenschen. Er wohnt in einem riesigen Haus mit über 40 Zimmern, die nahezu alle bewohnt sind. Allerdings nicht von ihm selbst, sondern von den Halluzinationen, die er erschafft. Eines Tages wird er für die Suche nach einer besonderen Kamera engagiert: sie kann die Vergangenheit abbilden …

„Legion“ ist erstaunlich kurz, gerade mal halb so lang wie die beiden anderen Geschichten. Das macht sich durchaus bemerkbar. So wird die Funktionsweise der Kamera nahezu völlig ausgespart, was unter anderem die Frage offen lässt, auf welche Weise der Fotograf denn beeinflussen kann, ob er zum Beispiel das antike oder das mittelalterliche Rom fotografiert. Der Grund, warum die Kamera nur bei Benutzung durch ihren Erfinder funktioniert, ist dafür recht schnell klar, und man wundert sich, dass Stephen der Einzige ist, dem das auffällt. Trotz der Kürze wird allerdings recht deutlich, warum der Erfinder der Kamera mit seiner Erfindung getürmt ist. Außerdem ist die Geschichte recht kurzweilig erzählt, was vor allem an den verschiedenen, teilweise recht schrägen Halluzinationen liegt. Dazu noch eine Prise „007“ und fertig ist die kuriose Mischung. Ich fand sie nicht ganz so gelungen wie die Geschichte davor, aber immer noch sehr lesenswert.

Und zu guter Letzt wäre da noch „Die Klinge der Unendlichkeit“.

Siris ist das Opfer, derjenige, der dazu ausersehen ist, den Gottkönig zum Zweikampf herauszufordern, um zu beweisen, dass die Menschen noch immer Widerstand gegen ihre Unterdrücker leisten. dass Siris dieses Duell gewinnt, war allerdings nicht geplant!

Der Anfang der Geschichte las sich gar nicht so schlecht. Die Reaktion von Siris‘ Heimatdorf , das nun die Rache der übrigen Ewiglichen fürchtet, sowie Siris Entschluss, trotz seiner Sehnsucht nach Freiheit und Leben die „Sache zu Ende zu bringen“ sind gut gemacht.

Doch dann wird es allmählich etwas wirr. Der Gottkönig wird wiedergeboren und ergeht sich in Andeutungen. Die Gegner, auf die Siris im Verlauf der Geschichte trifft, sind teils lebendig, teils Maschinen, womit ich keine Cyborgs meine. Und Isa, die ihm ebenfalls begegnet, verrät überhaupt nichts von sich! Das einzige, was sich allmählich herauskristallisiert, ist das Geheimnis im Zusammenhang mit dem Schwert des Gottkönigs, und Details zu Siris‘ wahrer Identität. Alles andere bleibt offen, unzusammenhängend, lose, das Ende kommt ganz abrupt.

Vielleicht hätte ich mich leichter getan, wäre ich ein Fan von Computerspielen. Denn „Die Klinge der Unendlichkeit“ basiert auf dem Game „Infinity Blade“! Was man wissen könnte, wenn man sich für Computerspiele interessieren würde. Ich tu das nicht. Tatsächlich handelt es sich auch nicht um eine Novelle. Vielmehr ist der Text, der hier abgedruckt ist, der Anfang des ersten Bandes einer Trilogie! All das hätte ich gern vorher gewusst!

Unterm Strich finde ich diese Ausgabe nicht sehr geglückt. Schon, dass man das Buch aufklappen muss, um herauszufinden, dass es sich hier nicht um einen Einzelroman, sondern eine Sammlung handelt, ist sehr ungeschickt (oder Absicht?). dass man außerdem den beiden echten Novellen diesen unbrauchbaren dritten Textbrocken angehängt hat, läßt mich einfach nur den Kopf schütteln. Warum konnte man es nicht wie in der englischen Ausgabe bei den ersten beiden belassen? Werbung für die Trilogie? Die macht man lieber, indem man vielleicht die ersten 30 Seiten des ersten Buches als gekennzeichnete Leseprobe aufnimmt. Im vorliegenden Fall drängt sich eher der Eindruck auf, dass der Verlag den Umfang des Buches ein wenig aufblähen wollte, um es teurer verkaufen zu können! Interessenten sei deshalb empfohlen, die Originalausgabe „Legion and The Emperor’s Soul“ zu lesen. Wer auch „Die Klinge der Unendlichkeit“ lesen will, der kaufe sich die Trilogie.

Brandon Sanderson gehört zu denjenigen, die bereits als Kinder phantastische Geschichten schrieben. Sein Debütroman „Elantris“ erschien 2005, seither war er ungemein fleißig. Aus seiner Feder stammen die Trilogie Mistborn, der Jugendbuchzyklus Alcatraz, sowie die letzten drei Bände zu Robert Jordans Zyklus Das Rad der Zeit. Dazu kommt eine ganze Anzahl Kurzgeschichten und die unvollendeten Zyklen Warbraker, Dragonsteel, sowie die Sturmlicht-Chroniken und Infinity Blade. Der Autor lebt und arbeitet in Utah.

Taschenbuch 448 Seiten
Originaltitel: The Emperor’s Soul, Legion, Awakening (Infinity Blade 1)
Deutsch von Michael Siefener
ISBN-13: 978-3-453-31524-2

http://brandonsanderson.com
http://www.heyne.de

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