Mickey Spillane – Tod mit Zinsen

Spillane Tod mit Zinsen Cover kleinDas geschieht:

Privatdetektiv Mike Hammer wird alt. Er weiß es, nachdem ihn zwei Bauchschüsse trafen und deutlich mehr Zeit als früher verstreicht, bis er halbwegs auf den Beinen und den nichtswürdigen Strolchen hinterher ist, die ihn so rüde aus dem Weg schaffen wollten. Seinen Beinahe-Mörder, den Mafia-Kronprinzen Azi Ponti, hat Hammer zwar mit seiner alten .45er den Schädel vom Hals geschossen. Azis Bruder, der verrückte Ugo, ist noch sehr lebendig und hat Blutrache geschworen.

Eigentlich wollte Hammer sich in Florida auskurieren. Doch in New York erwischt es seinen alten Armee-Kumpel Marcus Dooley, der als Buchhalter für den Mafia-Paten Lorenzo Ponti – Azis und Ugos Vater – gearbeitet hat. Voller Reue über seinen Absturz ins Verbrechen hatte Dooley dessen größten Coup sabotiert: Lorenzo ließ die Gewinne der Mafia einsammeln. Die stolze Summe von 89 Milliarden Dollar war dabei zusammengekommen, die Lorenzo für schlechte Zeiten bunkern wollte.

Dooley hat das Geld in ein nur ihm bekanntes Versteck umgeleitet, der wütende – und strohdumme – Ugo ihn dafür über den Haufen geschossen. Aber Dooley hält lange genug durch, um seinem alten Kumpel Mike Hammer auf dem Totenbett ein paar Hinweise zuzuraunen. Der Detektiv im Fast-Ruhestand begibt sich daraufhin noch einmal auf den Kriegspfad. Er will das Rätsel lösen, wohin knapp 90.000 Kisten mit Bargeld verschwunden sind. Außerdem gilt es Freund Dooley zu rächen; das war dessen letzter Wunsch.

Lorenzo Ponti sucht sein Geld, Sohn Ugo will endlich selbst die Macht übernehmen und konspiriert gegen den eigenen Vater. Die Staatsanwaltschaft würde Hammer gern ausschalten. Aber der alte Mike schert sich einen Dreck um das Gesetz und plant einen seiner üblichen Ein-Mann-Feldzüge gegen die Mafia …

Hammer down!

Da ist er also, der letzte ‚echte‘ Mike Hammer-Roman, dem erstaunten Publikum präsentiert zum 50-jährigen (!) Jubiläum dieses vielleicht rüdesten Krimi-Klassikers aller Zeiten. 1947 erschien Hammer in „I, the Jury“ wahrlich mit einem Donnerschlag auf der Bildfläche. Ein reaktionärer Kotzbrocken war er, der glühend hasste, was jenseits seiner arg beschränkten Weltsicht lag. Verbrecher aller Art gehörten dazu, aber Hammer verließ sich nie auf das Gesetz, sondern definierte persönlich, was es zu bestrafen galt. Deshalb traf sein Bannstrahl ebenfalls Politiker (stets korrupt) wie Anwälte (macht- und geldgeiles Gesindel), Schwule, Schwarze, Emanzen oder sonstwie widerspenstige Frauen; die Liste war schier unendlich.

Mit den Jahren wurde Hammer immer verbohrter, bösartiger und brutaler, bis ihn die Zeit endlich einholte und er 1971 untertauchte. Aber die Zeit heilte alle Wunden, die Erinnerung an den bösen Burschen vergoldete sich, Gut & Böse produzierten sich in Literatur und Film in den folgenden Jahrzehnten in einer Weise, die Mike Hammer wie einen Waisenknaben dastehen ließ.

Als er sich 1989 wieder zurückmeldete, war er einerseits erschreckend und belustigend nostalgisch geworden. Zum Erstaunen der Hammer-Feinde (sowie zum Kummer seiner Fans, die den irren König der Selbstjustiz liebten und vermisst hatten) schaltete Autor Spillane in „The Killing Man“ (dt. „Tote kennen keine Gnade“) einen Gang herunter und legte einen rasanten, sich einen Dreck um Logik scherenden Thriller vor. Erstaunlich gut geschrieben war dieses Buch auch. Spillane verstand sein Handwerk; es ging nur immer wieder im Medienrummel unter.

Der angerostete Hammer

„Tod mit Zinsen“ geht noch einen Schritt weiter. Die Geschichte ist keine Abfolge wüster Schießereien und Morde. Es gibt eine Handlung. Wieder einmal überrascht Spillane mit atmosphärischen Bildern aus New York. Es bleibt sogar Zeit für raue Gags: „Mit einer beiläufigen Geste griff Dr. Morgan nach der Bierdose und zerdrückte sie … ‚Die waren früher härter‘, meinte er. ‚Früher waren sie aus Stahl. Sie haben die Umwelt nicht belastet, sondern sind einfach weggerostet.‘ ‚Warum macht man sie heute aus Aluminium?‘ ‚Es gibt weniger davon, es ist teuer und es belastet die Umwelt mehr.‘“ (S. 21) Mickey Spillane gibt sich politisch weiterhin betont unkorrekt, aber er hat auf gelernt, seine notorisch empörten Kritiker subtiler zu piesacken.

Da fällt es leichter, den nicht nur absurden, sondern schwachsinnigen Plot zu verzeihen. Welchen Sinn macht es, 89 Milliarden Dollar Bargeld aufzuhäufen? Spillane geht davon aus, dass Alt-Mafiosi wie Lorenzo Ponti einen Hang zum Sparstrumpf haben. Doch dies ist einfach grotesk! Man benötigt eine Lagerhalle (oder einen Geldspeicher), um so viel Geld zu horten. Das gibt Spillane offen zu. Er ist eben kein Krimi-Autor, der seine Verbrechen digitalisiert. Beute muss sich mit den Händen fassen lassen.

Nicht nur hier ist Spillane über sein Ziel hinausgeschossen. „Mafia“ ist für den Autor ein böses Spiegelbild der ‚richtigen‘ Welt, ein kriminelles Schattenreich, das sich auf pure Brutalität gründet und von ebenso schlauen wie brutalen Unholden geleitet wird. So argumentierte einst J. Edgar Hoover, der paranoide Diktator-Direktor des FBI, wenn er seine polizeistaatlichen Aktivitäten rechtfertigen wollte. Mit der Realität hatten und haben solche Spukgeschichten für ängstlich-dumme Bürger wenig zu tun. Sie eignen sich indessen wunderbar für einen typischen Spillane-Reißer. Wir müssen uns nur daran gewöhnen, dass ein Autor solche Uralt-Feindbilder einsetzt.

Hammer im Ruhestand?

Macht nichts, denn realitätsnah waren die Hammer-Reißer nie. Sie dienten der puren Unterhaltung und ermöglichten es dem Leser, ordentlich Dampf abzulassen, wenn Mike Hammer in seiner Vertretung allerlei Schurken in die Ärsche trat, hochmütige Respektspersonen beleidigte und schöne Frauen flachlegte. In abgeschwächter (= gereifter?) Form setzt Hammer dies in „Tod mit Zinsen“ fort. Dass er dabei ein wenig leiser auftritt als sonst, ist keineswegs von Nachteil. Hand aufs Herz: Der Wüterich vergangenen Zeiten könnte nur mehr peinlich berührtes Grinsen erzeugen. Den Mike Hammer aus „Tod mit Zinsen“ hingegen würden wir gern noch einmal wiedersehen!

Was ein unheiliger Wunsch zu bleiben scheint, denn Mike Hammer nimmt Abschied. Er ist sich der Tatsache bewusst, ein Anachronismus zu sein. (Nicht umsonst dient der Schlupfwinkel eines alten Schnapsschmugglers als Schauplatz von entscheidender Bedeutung.) Darüber hinaus ist er ernsthaft geschwächt durch schwere Verletzungen. Er kann dieses Mal nicht mit dem Kopf durch die Wand, sondern muss taktieren, seine zahlreichen Gegner täuschen, statt sie zusammenzuschlagen und abzuschießen. Dass er darin wenig Übung hat, bringt ihn immer wieder in ernsthafte Schwierigkeiten, aus denen ihm vor allem der eigene Mythos rettet. Mike Hammer schießt erst und fragt – vielleicht – dann; das imponiert auch dem Lumpenpack der Neuzeit.

Diese Altersweisheit steht Hammer erstaunlich gut zu Gesicht. Zum Zeitpunkt unserer Geschichte muss er die 70 bereits überschritten haben. (Spillane negiert das für langjährig agierende Krimihelden lästige Altern nicht völlig. Dass Hammer im II. Weltkrieg diente, ist wichtiger Bestandteil der Handlung.) Er hat sich bisher gut gehalten, aber die Uhr tickt auch für beinharte Eisenfresser.

Hammerhartes Happy-End

Ein bisschen zu stark tritt Spillane dennoch auf die Bremse. Die Wandlung vom Saulus zum Paulus erfolgt recht flott. Jetzt will er sogar seine ‚Sekretärin‘ und Dauergeliebte Velda heiraten! Für sie gilt das Diktat der Zeit übrigens nicht, denn weiterhin lässt ihr Anblick allen Männern dieser Welt die Knie weich & andere Körperteile steif werden. Im Laufe vieler Jahrzehnte hat Velda stets geduldig Mikes Sturmläufe gegen das Böse unterstützt und seine Wunden verbunden. So hat sie sich diese Ehe weidlich verdient, zumal Spillane allerlei einfällt, um dem feierlichen Anlass die Sentimentalitäten zu nehmen.

Politisch erfreulich unkorrekt nimmt sich der Verfasser wieder seiner Schurken an. Kriminelle sind und bleiben Abschaum. Mit Don Lorenzo führt Hammer zwar ein fast philosophisches Gespräch über das Wesen des organisierten Verbrechens, aber dann will ihn der alte Mafiagangster gleich wieder umlegen lassen. Geld regiert die Welt, dazu kommt die Macht, gegen die auch die ‚Guten‘ nicht immun sind, was Spillane genüsslich für Respektlosigkeiten gegen die Regierung, die Justiz oder andere Sesselfurzer, die nicht an der Front dem wahren Recht Geltung verschaffen, nutzt!

Autor

Frank Morrison „Mickey“ Spillane, geboren am 9. März 1918 in Brooklyn, New York: ein Selfmademan nach US-Geschmack, aus kleinen Verhältnissen stammend, in 1001 miesen, unterbezahlten Jobs malochend, doch mit dem amerikanischen Traum im Herzen und nach allen Mühen den gerechten Lohn – Geld, Ruhm, Geld, Anerkennung und Geld – einstreichend.

Vorab stand ein Intermezzo im II. Weltkrieg, in dem Spillane angeblich als Fluglehrer und aktiver Kampfflieger tätig war; die Beweislage ist freilich dünn. Eine Beschäftigung als Comic-Zeichner ist dagegen belegt. 1946 ins Zivilleben zurückgekehrt, machte sich Spillane voller Elan an den Durchbruch. Er berücksichtige alles, was gegen den zeitgenössischen Sittenkodex verstieß, und schrieb in neun Tagen „I The Jury“ (1947, dt. „Ich, der Richter“), das erste Abenteuer des raubeinigen Privatdetektivs Mike Hammer, dessen Name Programm war. Der erhoffte Aufruhr war genauso heftig wie der Verkaufserfolg. Spillane ließ seinem Erstling weitere Hammer-Brachialwerke folgen und wurde ein reicher Mann.

Für einige Jahre hielt er sich schriftstellerisch zurück, fuhr Autorennen, arbeitete als Zirkusartist und gründete eine Filmgesellschaft. Hier gönnte er sich den Spaß, Mike Hammer in dem B-Movie „The Girls Hunters“ (1963, dt. „Der Killer wird gekillt“/„Die Mädchenjäger“) höchstpersönlich zu mimen. In den 1960er und 70er Jahren wurde Spillane wieder aktiver. Mit dem Geheimdienst-Söldner „Tiger Man“ schuf er sogar einen noch grobschlächtigeren Charakter als Mike Hammer. Aber die Kritik verschweigt gern, dass Spillane auch als Jugendbuch-Autor hervortrat. Für „The Day the Sea Rolled Back“ wurde er 1979 mit einem „Junior Literary Guild Award“ ausgezeichnet.

1971 hatte Spillane die Hammer-Serie beendet, sie aber 1989 unter dem erhofften Mediendonner wieder aufleben lassen. Natürlich war Hammers große Zeit längst vorüber; Brutalität und Menschenverachtung gehörten inzwischen zum normalen Unterhaltungsgeschäft. Aber der böse Bube erwies sich als zäh, kehrte 1996 in „Black Alley“ (dt. „Tod mit Zinsen“) noch einmal zurück und überlebte sogar Spillanes Tod am 17. Juli 2006: Ab „The Goliath Bone“ (2008) lässt Max Allan Collins Hammer weiterhin kräftig in der Verbrecherwelt aufräumen.

Taschenbuch: 282 Seiten
Originaltitel: Black Alley (New York : Penguin/E. P. Dutton 1996)
Übersetzung: Übersetzung: Lisa Kuppler
http://www.aufbau-verlag.de

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