James P. Blaylock – Homunculus

Süffiger Cocktail aus Steampunk, Horror und Fantasy

Homunculus spielt im viktorianischen London, aber nicht in einem London wie es aus der Geschichte bekannt ist, sondern eher wie in den Phantasien von Wells, Verne und Stevenson. Da gibt es einen seltsamen Männerclub die der Alchemie frönen. Ein seltsames Luftschiff mit einer Leiche als Steuermann kreist über London und ein außerirdisches Raumschiff wird immer wieder erwähnt, verbunden mit einigen seltsamen Artefakten. „Durch die nächtlichen Gassen des viktorianischen London schleicht ein buckliger Zwerg und erweckt Tote zum Leben.“

Dieser Roman aus dem Jahr 1986 mit dem Philip K. Dick Memorial Award ausgezeichnet.

Der Autor

James P. Blaylock wurde 1950 in Long Beach, Kalifornien geboren und studierte bis 1974 Englisch an der California State University (Fullerton). Zur Zeit lebt Blaylock in Orange, Kalifornien und lehrt kreatives Schreiben an der Chapman University.

Zusammen mit K.W. Jeter („Blade Runner 2“) und Tim Powers („Die Tore zu Anubis‘ Reich“) gilt James P. Blaylock zu Recht als einer der phantasievollsten Autoren der Zunft. Zusammen schuf dieses Trio das Unter-Genre „Steampunk Science-Fiction“, eine Mischung als viktorianischem Krimi, Cyberpunk und Science-Fiction-Ideen, so etwa „Homunculus“ und „Land der Träume“.

Von Blaylock erschienen mehrere phantastische Romane, so etwa „Hokusais Gral“ und „Die letzte Münze“ bei Heyne sowie bei Ullstein. Mit seinen Fantasyromanen (The Elfin Ship, 1984ff) parodierte er die Tolkien-Hysterie der siebziger Jahre.

Der Elfen-Zyklus:

1) Das Elfenschiff
2) Die Festung des Selznack
3) Der Steinriese

Mehr Info: http://www.sybertooth.com/blaylock/index.htm

Handlung

Im Jahr 1870 fliegt – wie alle fünf Jahre – der lenkbare Ballon mit Randal Birdlip an Bord tief über das viktorianische London hinweg. Gelenkt wird dieses seltsame Luftschiff von einer Gestalt, die wie ein Skelett aussieht, jedoch offenbar untot ist. Kein Wunder, dass die braven Bürger in Panik vor dieser Erscheinung fliehen

April 1875

Genau fünf Jahre später, am 4.4.1875, wird seine baldige Wiederkehr erwartet. Apokalypse-Stimmung breitet sich aus. Es regnet in Strömen auf die abendliche Spode Street, die Jermyn Street und alle anderen verwinkelten Gässchen zwischen Holborn und dem Piccadilly Circus. Hier beobachtet der einbeinige Käptn i.R. Powers von den verdunkelten Fenstern seines Pfeifen- und Tabakladens aus nachdenklich die Straße und das Haus gegenüber. Auf der Straße treibt sich in den Schatten ein Buckliger herum, den er schon viele Male gesehen hat – ohne herauszubekommen, was dieser auf seinen Karren transportiert. Diesmal lauert der Bucklige, dessen Name offenbar Dr. Ignacio Narbondo lautet, irgendwo in den Schatten. Aber auf was?

Im Haus gegenüber hat der Erfinder William Keeble seine Werkstatt in der Mansarde unterm Dach. Gerüchte besagen, er arbeite an einem verbesserten Birdlip-Antrieb – zusammen mit einem jungen Erfinder und Forscher namens Langdon St. Ives. Und da kommt der junge Mann auch schon, unterm Arm zweifellose einige Baupläne. Was die beiden Tüftler wohl vorhaben, fragt sich Käptn Powers. Da lenkt ihn die hereinhuschende Gestalt einer Lady von seinen Beobachtungen ab. Ladies soll man nicht warten lassen, denkt er sich und schenkt ihr ein Lächeln.

St. Ives und Keeble planen, wie er wissen sollte, den Bau eines Raumschiffs. Da der Äther zwischen den Welten bekanntlich dünn ist, brauchen sie zuerst einen Oxygenator, also eine Maschine, die Sauerstoff zum Atmen herstellt. Ob sie wirklich ein Perpetuum mobile hinkriegen – na, Keeble bezweifelt es: Das sei eine Idee der Alchimisten. Da fällt sein Blick auf das Gesicht eines Fassadenkletterers, der direkt in seine Mansarde hereinspäht. Er versucht, den Spion zu packen, doch sein Griff geht ins Leere.

Erst unten auf der Straße können die beiden Erfinder und Keebles Ziehsohn Jack Owlesby den Spion stellen. Auch Käptn Powers kommt aus seinem Tabakladen gehumpelt und schwingt eine – hoffentlich geladene – Pistole. Doch der Racker entwindet sich allen Händen und entwischt. St. Ives muss einer Lady ausweichen, die aus einer Seitenstraße Richtung Piccadilly eilt.

Der Trismegistus-Klub

Der Einstiegsdieb war nicht Narbondo, da sind sich die Mitglieder des Trismegistus-Klubs ziemlich sicher. Sie hätten den Buckligen sofort wiedererkannt. Der Klub besteht aus Powers, St. Ives, Keeble, seinem Ziehsohn Jack Owlesby, St. Ives‘ Diener Hasbro, dem geheimnisvollen Theophilus Godall und einem gewissen Bill Kraken. Kraken hat St. Ives Baupläne übergeben, die er seinem ehemaligen Herrn, dem Bordellmillionär und Unternehmer Kelso Drake, geklaut hat. Denn auch Drake hat Pläne für ein Raumschiff. Wenn er es nicht schon irgendwo in seinen Sündenhäusern versteckt hat, wie gemunkelt wird.

Da klopft es an der Tür und ein gewisser Willis Pule, seines Zeichens Student der Philosophie, begehrt, Aufnahme in den Klub zu erlangen. Er sei ein Bekannter von Dorothy Keeble. Doch Jack, der fest entschlossen ist, eines nicht allzu fernen Tages die entzückende Dorothy zu seiner Gattin zu machen, weiß, dass sich eine so wohlerzogene Dame – sie besucht noch ein Mädchenpensionat auf dem Lande, ist aber derzeit auf Besuch bei ihrem Vater – niemals mit einem zwielichtigen Subjekt wie Pule abgeben würde.

Kaum ist Pule abgewiesen, folgt ihm der geheimnisumwitterte Theophilus Godall. Und der sagt, es sei wie vermutet: Pule ist ein Spion Dr. Narbondos. Nur Bill Kraken weiß wenigstens, wer der Einstiegsdieb bei Keeble war: Billy Deene, und der arbeitet für Kelso Drake. Der Klub ist von Spionen umzingelt. Aber was wollen all diese Leute?

St. Ives beschließt, in Drakes Etablissements nach dem Raumschiff zu suchen, stolpert aber ein ums andere Mal über höchst seltsame Gestalten. Da ist etwa der selbsternannte Messias und Falschmünzer Shiloh. Da sind auch zwei Herren, die ihn starr wie Fische anstarren und wie Blinde gegen Wände laufen. Sie arbeiten sowohl für Drake als auch für Shiloh. Als er in einem Bordell auf Bill Deene trifft, der einen Revolver schwingt, macht er sich aus dem Staub.

Vorgeschichte: der Homunculus

Kraken hat St. Ives das Notizbuch von Sebastian Owlesby geschickt. Owlesby war vor 15 Jahren zusammen mit Dr. Narbondo im Auferstehungsgeschäft. Aus den Notizen geht hervor, dass den Mann schwere Gewissensbisse plagten. Diese müssen offenbar zu seiner geistigen Umnachtung geführt haben. Immerhin erfahren die verwunderten Klubmitglieder nun von zwei wichtigen Aspekten der ganzen ominösen Geschichte, in die sie verwickelt worden sind.

Erstens ist Narbondo, der Bucklige, ein wohl nicht ganz menschliches Subjekt. Es frisst – lebende – Sperlinge zum Mittag, köpft lebende Jungen mit einer Gartenschere, erweckt sie dann wieder auf geheimnisvolle Weise zum Leben. Die so entstandenen lebenden Toten verkauft er an seinen Verbündeten Kelso Drake, einen Fabrikbesitzer, der billige Arbeiter gut gebrauchen kann, besonders da sie keine Fragen nach dem Lohn und anderen unwichtigen Dingen stellen. Und Narbondo betreibt dieses Gewerbe bis zum heutigen Tage, wie der umtriebige Godall versichert. Dabei hat er sich mit Shiloh zusammengetan.

Zweitens war Sebastian Owlesby in den Besitz eines Keeble-Kästchens gelangt, in dem der einzige und wahre Homunculus eingesperrt war. Dieses „Männchen“ stammte offenkundig nicht von dieser Welt, denn es vermochte die Entropie umzukehren: Es machte Gelähmte wieder gesund, lieferte Energie usw. St. Ives bezweifelt aber, dass dies die Grundlage für Narbondos Fähigkeit ist, Tote zum Leben wiederzuerwecken. Wie auch immer: Sebastians Frau Nell übergab seinem Partner Birdlip das Kästchen mit dem Alien. Seitdem fliegt er mit unerschöpflicher Energie per Ballon von Küste zu Küste: Das also ist wohl „Birdlips Antrieb“. Nach Owlesbys Tod und Nells Verschwinden nahm Keeble seinen Sohn Jack in seine Obhut.

Verschwindibus

Es ist kein geringerer als wieder der zwielichtige Millionär Kelso Drake, der diese zweite Klubsitzung stört. Er fordert von Erfinder William Keeble erneut Baupläne für eine gewisse Apparatur, doch der weigert sich standhaft. Als Drake Andeutungen macht, Dorothy Keeble könnte etwas zustoßen, stürzt sich Jack wutentbrannt auf ihn. Beim folgenden Handgemenge zieht Drake den Kürzeren und zieht Leine. Die Feier von Jacks Geburtstag nimmt ein düsteres Ende.

Doch kurz darauf entdeckt Käptn Powers in seinem Hinterzimmer, dass seine große Schiffstruhe durchwühlt worden ist. Von Bill Kraken keine Spur – und auch nicht von dem Keeble-Kästchen, in dem sich ein faustgroßer Smaragd befindet. Allmählich fragt sich St. Ives, wieviele Kästchen es in dieser verwickelten Geschichte eigentlich gibt. Er sehnt sich nach seinem Raumschiff, das, nun mit dem fertigen Oxygenator versehen, bereit zum Start ist.

Doch die Gegenseite fängt erst richtig an loszulegen…

Mein Eindruck

Der Leser wird flugs entführt in ein viktorianisches London, das erfüllt ist von Absonderlichkeiten, Tragödien, Heldentum, Schmutz und Korruption und Gewalt. Das Bemerkenswerte an diesem Roman ist die Sichtweise. In den meisten viktorianischen Geschichten, etwa von Sherlock Holmes‘ Abenteuern, ist von der Oberschicht und braven Bürgern die Rede.

Hier jedoch stellt die kriminelle Unterschicht den Hauptteil des Personals, allen voran Narbondo, Shiloh und Drake. Sie steht im Gegensatz zum Trismegistus-Klub (Hermes Trismegistos gilt als Schutzgott der Alchimisten.) aus halbwegs aufrechten Männern, so etwa Keeble, St. Ives, Godall und vor allem der grimmige Seemann Käpt’n Powers. (Er ist nach des Autors gutem Freund Tim Powers, einem bekannten Phantastikautor, benannt.)

Die beiden Lager würden allerdings für wenig Konfliktstoff sorgen, um die Handlung in Schwung zu bringen, gäbe es da nicht unsichere Kantonisten, die quasi zwei Agenten des Chaos sind. Bill Kraken ist Drake entkommen, will sich aber erst gegenüber St. Ives, dann aber auch gegenüber Narbondo bewähren. Er ist ein Bruder Leichtfuß und schwerer Alkoholiker, der noch nicht weiß, wo sein Platz ist.

Willis Pules Herz gehört nicht dem Teufel Alkohol, sondern der schönen Philosophie. Deshalb der Student stets eine Ausgabe des Buches „Londoner Philosophen“ von William Ashbless bei sich. (William Ashbless ist eine Erfindung des Autoren-Trios Blaylock, Powers und K. W. Jeter, die ihn sich teilen. Er spielt eine bedeutende Rolle in Powers‘ Romanen.)

Pules Entwicklung ist derart unwahrscheinlich, dass ich mich kaum traue, ihn zu beschreiben. Seine größte Charakterschwäche ist seine maßlose Selbstüberschätzung. Jedes Unternehmen, das er beginnt, verspricht ihm Erfolg und Ruhm, doch es endet stets mit einer Katastrophe. Durch eines der Keeble-Kästchen färbt er sein eigenes Gesicht grünlich, so dass er aussieht wie eine von Narbondos Leichen auf Urlaub. Deshalb muss er sein Gesicht bandagieren und sieht damit aus wie „Der Unsichtbare“ von H.G. Wells. Als er die Reaktion der Mitmenschen auf seine Gesichtsfarbe registriert, wächst ihn ihm der Hass und er wird zum Anarchisten und Bombenleger – genau wie die Figur von Wells.

Weibliche Figuren spielen in diesen kriminellen, grotesken und zuweilen horrormäßigen Machenschaften eine eher nebensächliche Rolle. Nell Owlesby findet Schutz bei Käptn Powers, doch Dorothy Keeble wird ruchlos entführt und in einem Bordell versteckt. Am Schluss ist es Winnifred Keeble, die resolute Gattin des Erfinders, die mit einer Pistole die Männergesellschaft in Schach hält.

Finale

Dies ereignet sich auf dem aberwitzigen Höhepunkt der Handlung. Jetzt treffen verschiedene Entwicklungen zusammen und finden ihr mehr oder weniger unerwartetes Ende auf der heide vor dem Dörfchen Hampstead, die heute als Hampstead Heath eine begehrte Wohngegend ist. (Der Autor kennt das historische London genau und erwähnt auch Orte und Namen, die schon längst verschwunden oder geändert worden sind.)

Endlich landet das Luftschiff des untoten Randal Birdlip vor den Augen einer „halben Million“ Londoner. An Bord befindet sich eines der ebenso kostbaren wie rätselhaften Keeble-Kästchen. (Es sind insgesamt vier.) Jeder vermutet darin etwas anderes, aber jeder aus den beiden oben genannten Lagern will es haben. Der Run beginnt. Da landet ein zweites Schiff. Es ist St. Ives, der das von Drake erbeutete Raumschiff des kleinen Aliens steuert. „Hey, wie schwer kann es schon sein, einen Alien-Flieger zu steuern?“, scheint uns St. Ives, der kühne (oder trottelige) Pilot zuzuraunen.

Nun gibt es für die gaffende Menge wirklich etwas zu staunen. Die genannten „Agenten des Chaos“ greifen ein, und es ergeben sich unerwartete neue Möglichkeiten. Am Ende ist eines der beiden Schiffe völlig verschwunden, das andere hebt ab und fliegt davon. Ich verrate aber nicht, welches.

Die Übersetzung

Die ausgezeichnete Übersetzung durch Biggy Winter kann ich nur als stilecht bezeichnen. Die Sprache ist sehr authentisch im Wortlaut, aber auch im Satzbau. Jedes Wort zählt, so dicht ist der Erzählstil. Das mag nach einem Vorteil klingen, aber tatsächlich brauchte ich deshalb drei Anläufe, um mit der nötigen Muße und Konzentration an die Lektüre heranzugehen.

Einmal schaffte ich es sogar bis S. 89, bevor ich den Faden inmitten der Wechselwirkungen zwischen dem Lager der Verbrecher und dem Trismegistus-Klub verlor. Man darf das Buch also nicht einfach mal eine oder zwei Wochen beiseite lege, sondern es in einer Sitzung während weniger Tage bewältigen. Eine hilfreiche Personenliste sucht man nämlich vergebens.

S. 36: „knifflich“ statt „knifflig“
S. 129: „will ich eine verdammte Landratte sei[n]“, ruft Käptn Powers. Das N fehlt.
S. 209: „würde er sich persönlich sich dafür einsetzen…“ Einmal „sich“ reicht völlig.
S. 237: „Er erhob sich [auf] und ging zur Tür.“ Das Wörtchen „auf“ ist überflüssig.
S. 291: „der Mann… rollte in [den] Rinnstein…“ Das Wörtchen „in“ fehlt.
S. 353: „weder Jack noch Dorothy befanden [sich] in einem Zustand…“ Das Wörtchen „sich“ fehlt.

Ich schätze, diese fehlenden oder überflüssigen Wörter sind auf das Redigieren des Textes auf einem der frühen PCs, Macs oder Ataris zurückzuführen, die es anno 1990 bereits gab. Ich selbst hatte einen Atari ST1040, einen Mac-Klon mit einer grafischen Benutzeroberfläche, auf dem man hervorragend arbeiten konnte.

Unterm Strich

Schauplatz dieses phantastischen Steampunk-Romans ist das viktorianische London, wie es 13 Jahre vor dem ersten Auftritt Sherlock Holmes anno 1888 bestand. Hier gibt es noch schmuddelige Ecken mitten im Stadtzentrum, und vom East End will man lieber gar nicht sprechen. Die einzige Beleuchtung stammt von Gaslaternen und Kerzen. Dementsprechend zwielichtig sind die Geschäfte, die hier getätigt werden.

Der Tod ist auch nicht mehr, was er mal war. Dr. Narbondo plündert frische Gräber, erweckt die Toten zum Scheinleben und verhökert sie an seine Abnehmer Shiloh und Kelso Drake. Dieses Auferstehungs-Business führt zu einigen grotesken Szenen, so etwa dann, als auch Shilohs Mutter Joanna Southcote exhumiert wird. Sie ist nur noch ein Gerippe, aber dennoch schafft es Shiloh, ihren klappernden Schädel der Straßenmenge als Wunder vorzuführen. Da es damals noch keine Schulpflicht gab, glaubt der ungebildete Pöbel nicht nur an Gespenster und Auferstandene, an Ghouls und Zombies. Das Leben der Armen war kurz, hart – und mitunter höchst bizarr.

Auf dieses Horror & Crime-Element treffen nun Forschung und Raumfahrt als „vernünftige“ Gegenpole. Das Raumfahrt möglich ist, hat das verschwundene Alien-Männchen (es ist etwa 20 cm hoch) gezeigt. St. Ives ist der hoffnungsvolle erste Mann, der auf den Mond fliegen will. Daraus entwickelt sich jedoch eine groteske Parodie auf die bekannten Abenteuer von Jules Verne. Am Schluss muss sich St. Ives, der Sternenpilot in spe, wirklich Sorgen um seine Reputation machen und wendet sich an die Kgl. Akademie der Wissenschaft. Dort wird er nicht nur mit höchst appetitfördernden Ausführungen über die Verdauungsvorgänge bei Kühen traktiert, sondern auch gleich erpresst: Die Akademie will den Birdlip-Antrieb, koste es, was es wolle. Na, bitte hinten anstellen!

Die Suche nach den vier Keeble-Kästchen gleicht einem Hütchenspiel (wie es etwa in Ridley Scotts Verfilmung von ROBIN HOOD von Russell Crowe vorgeführt wird). So ist für eine Menge Rätselstoff gesorgt, der die Kombinationsgabe des Leser herausfordert. Erst nach der Seite 300 erhalten wir einen Überblick über die Gesamtzahl der Kästchen, die Erfinder Keeble stets so trickreich fabriziert. (Man denke etwa an das Zauberkästchen in Clive Barkers Verfilmung seines Romans HELLRAISER.) Dass der Inhalt so manchen Kästchens grotesk-lächerliche Wirkung zeitigt, bedarf keiner Erwähnung im Roman: Das muss der Leser schon selbst verstehen.

Wie auch immer: Dies ist Original-STEAMPUNK, wie er von dem genannten Autorentrio Blaylock, Powers und Jeter vor rund 30 Jahren erfunden wurde. Dass dieses Untergenre immer noch attraktiv ist, zeigen die Romane von Mark Stodder, etwa „Der kuriose Fall des Spring-heeled Jack“ und „Der wundersame Fall des Uhrwerkmannes“, aber auch die RÄDER-Trilogie von Jay Lake (alle erschienen bei Bastei-Lübbe).

Nach dem erstaunlichen und irrsinnig komplexen Finale des Romans auf Hampstead Heath wusste ich: Dieses Buch ist wie ein berauschendes Elixier, und man sollte sich damit einfach wie mit einer guten Flasche Schampus besaufen.

Broschiert: 382 Seiten
Originaltitel: Homunculus, 1986
Aus dem US-Englischen übertragen von Biggy Winter
ISBN-13: 978-3453042810

www.heyne.de

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