Fiona Albrecht – Blowjob. Tagebuch einer Oralsex-Praktikantin

Oralsex ist kein Dickmacher

Oralsex bei der Arbeit, um die männlichen Mitarbeiter bei Laune zu halten – dafür wurde Fiona engagiert. In ihrem Tagebuch beschreibt sie, wie es ist, tagtäglich für sexuelle Dienste zur Verfügung zu stehen. Ein hocherotischer Roman mit ironischem Einschlag. (Verlagsinfo)

In „Blowjob“ sind die Blogeinträge der Studentin Fiona Albrecht zusammengetragen, worin diese von einer Phase ihres Lebens berichtet, in der sie aufgrund einer akuten finanziellen Notlage einen ungewöhnlichen Job annehmen musste: Sie wird zusammen mit anderen „Schwanzlutscher-Mädchen“ dafür eingesetzt, die Mitarbeiter eines kleinen Unternehmens mit ihrem Mund zu verwöhnen… (Amazon.de)

Die Autorin

Über Fiona Albrecht verrät der Verlag Passion Publishing leider nichts. Aber so wie sie schreibt, scheint sie eine Berliner Schnauze zu haben. Vokabeln wie „prienen“ oder „panne sein“ kommen eher nördlich des deutschen Weißwurstäquators vor. Mir waren sie bis dato unbekannt.

Handlung

Fionas Antrag auf Bafög für ihr Studium wird aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt, und um ihre Studentenbude finanzieren zu können, braucht sie dringend eine alternative Einnahmequelle. Weil ihr Freund Rüdiger sie für eine andere verlassen hat, fällt auch er als Unterstützung aus. Da hört die junge Frau von einer Stelle, die sich wie ein schlechter Scherz anhört, aber unheimlich viel Kohle verspricht: Sie muss bloß den Angestellten dieses Investmentfirma einen blasen. Dann würde sie sich eine goldene Nase verdienen. Das Blasen würde sie sich schon zutrauen, obwohl sie bei Rüdiger nur wenig Übung erwerben konnte.

Grundbedingungen

Schon das Bewerbungsgespräch mit einer sehr netten jungen Frau namens Moesha ist ein Augenöffner: Es handle sich um eine Stelle, die pro Tag bezahlt wird und auch auf maximal sechs Monate befristet ist. Hat man sowas schon gehört? Aber ganz im Ernst: Die Mädchen, die die Stelle annehmen, brauchen wirklich bloß Blowjobs auszuführen – und kriegen noch eine Ausbildung an der BJ Academy gratis obendrein. Na, wenn’s weiter nichts ist, denkt sich Fiona, und so eine Ausbildung kann sicher nichts schaden – vielleicht hat Rüdiger sie ja gerade deshalb verlassen, weil sie im Fach Oralsex so eine Niete ist? Männern ist grundsätzlich alles zuzutrauen, denkt sich die „weltgewandte“ 20-jährige.

Stolperfallen

Im Kleingedruckten ihres Vertrags gibt es allerdings noch ein paar klitzekleine Haken: Eine Stillschweigevereinbarung kommt Fiona nicht verwunderlich vor. Aber sie muss für sechs Monate in eine Art Schlafsaal ziehen, der sich im Firmengebäude befindet. Damit will die Firmenleitung angeblich verhindern, dass sich die Mädels woanders eine Geschlechtskrankheit einfangen und diese auf die geschätzten Mitarbeiter übertragen. Fiona kommt sich vor wie im Kloster.

Uli, die Vorarbeiterin der Schwanzlutscherinnen, hält noch eine Überraschung bereit: Alle müssen ihre Handys abgeben. Fiona ist geschockt, aber Uli versichert ihr, dass es vor nicht allzu langer Zeit eine Epoche gab, in der es Menschen gelang, ohne Handy zu überleben. Kaum zu glauben! Doch es kommt noch härter: Jede Lady bekommt einen Pulsmesser, der verhindern soll, dass sie sich selbst einen runterholt: geht der Puls in die Höhe, wird Alarm ausgelöst. Komplett bescheuert! Aber die Firma hat einen Plan B: Jedes Mädchen darf ein oder zweimal in der Woche auf den Balkon des sechsten Stocks, um es sich dort zu besorgen. Es gibt eine Warteliste, die ein Herr Meusel verwaltet. Geknickt erkennt Fiona, dass sie frühestens in zwei Wochen Dampf ablassen darf. Das kann ja Eiter werden!

Helden des Alltags

Weil sie ihren Laptop in die Firma nehmen darf, beschließt Fiona, alle interessanten Vorfälle in ihrem Blog zu veröffentlichen, den sie bei WordPress für ihre Freunde betreibt. Das verstößt allerdings gegen die Stillschweigevereinbarung, und so dürfen nur registrierte User dort lesen. Das Blog wird ihr noch größte Probleme bereiten. Sie wird sich noch wünschen, sie hätte nie damit angefangen.

Per Pager wird sie gleich zu ihrem ersten Kunden gerufen. Sie praktiziert ihre noch bescheidenen Oralsex-Künste, bevor sie gleich zum nächsten Kunden hetzen darf. Am Abend kommt dann die Erleuchtung: Alle neuen Mädels stoßen auf größtes Interesse, denn die Herren erhoffen sich offenbar, dass endlich mal eine Könnerin unter den Dienstleisterinnen ist. (Obwohl sie sich eine Professionelle wahrscheinlich gar nicht leisten könnten. Fiona hat den Verdacht, die vielen Abwesenheiten von Moesta seien darauf zurückzuführen, dass die Könnerin, die die BJ Academy leitet, längst als Escort-Edelhure Unmengen Kohle verdient.)

Henning Rippke, der Star-Investment-Broker der Firma, ist ein autoritärer Kerl, der Fiona hart hernimmt. Doch die romantischen Träume, sie könnte sich bei ihm anlehnen, werden bald durch sein arrogantes, hartes Auftreten zunichtegemacht. Rippke spielt im zweiten Teil des Romans ein unrühmliche Rolle: Er hat offenbar illegale Geschäfte am Laufen, die für die Firma den Ruin bedeuten – und für sämtlichen weiblichen Mitarbeiter! Wem kann Fiona nur ihren finsteren Verdacht anvertrauen? Es ist der gutmütige Dirk Meusel, der die Liste führt. Sie darf ihn sogar duzen. Aber damit gerät sie ins Revier einer ehrgeizigen Freien Frau mit dem bezeichnenden Namen Constanze Dorn (alle Namen sind anonymisiert worden), die gegen die fesche Fiona eine oberfiese Intrige spinnt, weil sie Meusel für sich selbst erobern will.

Feindliche Übernahme

Wie schon erwähnt, können registrierte Nutzer Fionas Blog lesen. Das ist auch dem Freund von Kollegin Anne, der Bulimikerin, gelungen. Er hat endlich gerafft, unter welchen ausbeuterischen Bedingungen „seine“ Anne rackern muss und will sie zurückhaben. Dafür macht er eines Tages einen gewaltigen Aufstand in der Lobby der Firma. Anne ist sich nicht sicher, ob sie seinen Anspruch rührend finden oder ihm den Laufpass geben soll, um in Ruhe arbeiten zu können. Am nächsten tag klappt sie während des Workshops ohnmächtig zusammen: bloß unterernährt – oder mehr?

Herr Haupt (nomen est omen) von der Firmenleitung zitiert am nächsten Tag Fiona zu sich. Ihr Blog hat es auf die Titelseite der Lokalzeitung geschafft! Die Reporter ergehen sich in fiesen Spekulationen über die zwielichtigen „Schwanzlutscherinnen“ und die Ausbeuterfirma, in der sie schuften müssen. So ein Scheiß! Da hat Fiona aber einiges wieder geradezubiegen. Es ist wenig hilfreich, als ein anderer Blogger namens Carsten anfängt, die Story aufzugreifen. Es kann sich nur noch um wenige Tage handeln, dann stehen ganze Ü-Wagen vorm Firmeneingang. Sie muss dringend was unternehmen – auf eigene Faust…

Mein Eindruck

Sobald man die abstruse Grundidee akzeptiert, liest sich der Roman doch recht flott und spaßig. Diese Grundidee, so gibt Fiona zu, habe sie etwa 15 Jahre zuvor (ca. 1996) aus einer Story im Internet geborgt. Die therapeutische Wirkung der männlichen Triebabfuhr mal außer Acht gelassen, interessiert den weiblichen oder männlichen Leser vor allem, welche erotischen „Stellen“ die Autorin auftischt. Doch Selbstlob ist Fionas Anliegen nicht, sondern sie schildert lieber, welche Fortschritte sie bei ihrem Blow-Job macht. Wer sich also an langen, genüsslichen Erotikszenen aufgeilen will, sollte lieber woanders suchen.

Die Mädels

Das Blog von Fiona konzentriert sich in recht straffer Form lieber auf die Entwicklung der Beziehungen zu Fionas Kolleginnen. Es sind sieben Ladys, die recht gut charakterisiert werden, so dass man sie jederzeit auseinanderhalten kann. Das ist auch dringend nötig, denn die Mädels sitzen sich ja in ihrem klösterlichen Quartier ständig auf der pelle. Und eine von ihnen muss eine Lesbe sein, mutmaßt Fiona, aber welche? Dass Anne nur ein Strich in der Landschaft ist, wissen wir bereits. Und dass Victoria zu einem „Bling Ring“ gehören muss, weil sie nur die modischsten Klamotten trägt, wird auch bald klar. Vor diesem Hintergrund kommt uns Fiona schon bald wie ein Ausbund von Normalität vor, auch wenn sie wie „Bridget Jones“ zunächst wie ein naiver Trampel auftritt. Aber sie lernt schnell.

Chick-Lit trifft Deep Throat

Chick-Lit à la „Bridget Jones“ trifft also auf „Deep Throat“-Phantasien und das Gezicke von Casting-Shows. Immerhin wird der Plot rund um Rippke relativ spannend, löst sich dann aber nicht in einem Showdown, sondern in Wohlgefallen auf. Darüber war ich echt enttäuscht, doch die Autorin lässt nichts auf die Männern kommen. Woran das liegt, kann ich nur mutmaßen. Vielleicht verbirgt sich hinter dem Pseudonym der Autorin ja ein Mann. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sich die Autorin vor Klagen wegen übler Nachrede und Verleumdung schützen wollte. Darum sollte man sich als Autor grundsätzlich immer bemühen.

Die Blowjob Academy

Einen echten Nutzeffekt bieten die Notizen aus der BJ Academy. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, werden regelmäßig Fionas Workshop-Notizen zitiert, fein säuberlich nach Themenpunkten strukturiert. Daraus geht hervor, dass es Basiswissen und Tricks für Fortgeschrittene gibt. Basiswissen ist etwa, immer eine Wasserflasche dabei zu haben, um die Kehle zu befeuchten. Und die Kiefermuskeln zu entspannen, sonst kann ein Muskelkrampf zu einem Desaster ausarten. Zu den Vertragsbedingungen gehört, das Sperma runterzuschlucken. Das ist nicht gerade die Idealvorstellung einer Frau von Oralsex, aber die eines Mannes.

Des weiteren ist es eine schwierige Technik, während eines Deep Throat-Jobs weiterzuatmen. Die Luftröhre pflegt dabei ja meist blockiert zu sein. Zum Glück verfügt der Rachenraum über zahlreiche Öffnungen, die das Atmen erleichtern. Für besonders Fortgeschrittene – und das demonstriert Fiona in den letzten Kapiteln – gehört die Fähigkeit, den Erguss des Mannes hinauszuzögern, bis er um Erlösung bettelt. Eine Könnerin kann also durch ihre Fähigkeiten entsprechende Macht erlangen. Oralsex, so lernen wir obendrein, ist kein Dickmacher wie etwa Vaginalsex, denn jede Ejakulation bringt es auf maximal fünf Kalorien – zu wenig, um sich davon zu ernähren. Wie man an der armen Anne sieht.

Weibliche Vorbilder

Am Anfang fragt sich Fiona, der Frischling, noch: „Was würde Lena in dieser Lage tun?“ Also Lena Meyer-Landrut, als sie bei DSDS „entdeckt“ wurde. Wesentlich später erwählt sich Fiona Cleopatra zum Vorbild: Die ägyptische Königin hatte gerade ihr Reich an den Bruder verloren, als sie Julius Caesar und Marcus Antonius mit ihrer Lippenkunst bezirzte und so wieder auf den Thron zurückgelangte. Und es muss ja noch etliche weitere Oralsex-Meisterinnen gegeben haben, und nicht alle hießen „Mata Hari“.

Jedenfalls geht die Amateur-Spionin der Firmenleitung aus der BJ Academy und der praktischen Anwendung der BJ-Lektionen nicht nur als Praktiker erfahrener hervor, sondern auch als Mensch und Frau. Sie hat ein differenziertes Menschenbild entwickelt – und das Wissen, dass sich alle Regeln umgehen lassen.

Textschwächen

Rechtschreibung? Fehlerkorrektur? Fehlanzeige. Schwamm drüber!

Unterm Strich

Ich habe dieses unterhaltsame Garn a nur einem Tag gelesen. Es ist ja nicht gerade für geistige Überflieger geschrieben, sondern die Autorin unterhält nicht zuletzt durch ihre schnoddrige Sprache („abgefahren“, „abgespaced“ usw.) und die witzigen Situationen, in die sie ihre naive Heldin schickt. Das liest sich wie eine Kombi aus Chick-Lit und SitCom, garniert mit zwei, drei Handlungssträngen, die für Spannung bzw. Emo-Stress sorgen. Fiona ist ehrlich genug, die fiesen Streiche zu schildern, die ihr die „Kunden“ spielen und die sie maximal demütigen. Der Plot ist keine Aneinanderreihung erotischer Szenen, die endlos ausgewalzt werden, wie man sie aus einschlägiger Literatur, etwa „Fanny Hill“ (1749) oder „Geschichte der O“ (1954) kennt. Wer so etwas sucht, wird hier nicht fündig.

Lerneffekt

Was frau noch am nutzbringendsten aus der Lektüre mitnimmt, sind die zahlreichen, als Ratgebern entnommenen Tipps, wie man die Fähigkeit zu abwechslungsreichem Oralsex erwirbt, praktiziert und bis zur Deep Throat Kür weiterentwickelt. Als männlicher Leser kann man auch noch einiges Lernen, das man seiner Partnerin empfehlen kann – ganz dezent, versteht sich.

Schnapsidee

Wenn die vielen Druckfehler nicht gewesen wären, hätte sich mein Lesevergnügen „ungetrübt“ nennen lassen. Wer Fandom-Literatur aus dem Web kennt, wird sich hier wie zu Hause fühlen. Aber Autorinnen wie E.L. James haben dort ja auch mal klein und unscheinbar angefangen. Und aus dem Fandom kommt wohl auch die abstruse Grundidee einer therapeutischen Blowjob-Dienstleistung, die sich eine Firma intern und – halbwegs – geheim leistet. Im Rückblick klingt sie schwer nach einer Schnapsidee, die ein paar bezechte und zugedröhnte Yuppies an der Wall Street (Siehe „Wolf of Wall Street“) zu fortgeschrittener Stunde entwickeln würden.

Taschenbuch: 264 Seiten
ISBN-13: 9783939907749

www.Passion-Publishing.de

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