Rosemary Sutcliff – Das Hexenkind

Elternlos und arm arbeitet der Junge Lovel in einem abgelegenen Dorf als Schafhirt. Niemand macht sich die Mühe, in seinem Gesicht nach Intelligenz zu suchen, denn sein Körper ist verunstaltet durch eine verkrümmte Schulter und ein hinkendes Bein. Lovel lebt mit seiner Großmutter zusammen in einer Hütte am Rand des Dorfes und erlebt die Fürsorge dieser Frau, die eine heilkundige Kräuterfrau ist, bis zu ihrem Tode.

Plötzlich vergessen die Dorfbewohner die wundersamen Heilkünste und sehen in Lovel nur noch den missgestalten Waisen, ein Hexenkind, bewerfen ihn mit Steinen und jagen ihn davon. Er sucht völlig verwirrt und orientierungslos das Weite und läuft täglich weiter der Sonne entgegen, bis ihn seine Kräfte endgültig verlassen. Ein Schweinehirt findet ihn und bringt ihn in das nahe gelegene Kloster „New Minster“, wo er gepflegt und aufgepäppelt wird. Da der Lehnsherr des fernen Dorfes keine Verwendung für ihn hat, bleibt er im Kloster und erledigt allerlei Aufgaben für die Mönche und anderen Klosterbewohner.

Bis eines Tages Rahere, des Königs Hofnarr, im Kloster erscheint und in Lovel die Heilkünste seiner Großmutter erkennt …

Sutcliff versteht es wie keine zweite, Geschichte leben und vor dem Auge des Lesers entstehen zu lassen. Stets aus dem Blickwinkel eines Jugendlichen erzählt, lässt sie den jungen Leser mit dem Protagonisten zusammen erleben, was die jeweiligen Zeiten und Gegebenheiten für die Menschen bedeuteten.

„Das Hexenkind“ spielt im England des 12. Jahrhunderts, eine Zeit, in der alles Andersartige verteufelt und gefürchtet wurde. Wenn die Furcht zu groß wurde, schlossen sich die Menschen zusammen und suchten Zuflucht in der Brutalität, die sich oft auf Unschuldige entlud. Die Furcht, welche die Menschen dieser Erzählung vor Lovels Großmutter verspüren, hindert sie zu deren Lebzeiten daran, ihren verkrüppelten Enkel zu belangen, denn Krüppel galten in der Zeit als unnütze Esser und wurden gerne wenigstens vertrieben, wenn sie überlebten. Nach ihrem Tod ist Lovel sofort der Ableiter ihrer aufgestauten Furcht und verstärkt ihre Vorurteile durch seine Krankheit.

Während seiner Zeit im Kloster beschreibt Sutcliff, wie ein religiöser Orden, der zwar die Hilfebedürftigen aufnimmt, Lovel als Krüppel allerdings auch eher missachtet, durch sein heilerisches Talent langsam umgestimmt wird und ihn als Mensch akzeptiert. Aber erst das Auftauchen des Hofnarren, einer gleichfalls von der Norm abweichenden Erscheinung, führt zu seiner Anerkennung. Sutcliff zeigt so in einer ergreifenden Geschichte, wie ein missachteter Mensch seinen Platz findet, auch wenn er ihn sich oft erkämpfen muss und es durch oft gesellschaftliche Umstände schwerer hat als andere, die durch ihre Konformität ganz andere Ausgangsmöglichkeiten erhalten.

Dies ist eine Erzählung, die zeigt, dass auch der Mut, etwas Außergewöhnliches zu wagen und sich gegen Vorurteile seinen eigenen Weg zu suchen, belohnt werden kann. Und dass jemand, der sich seinen Erfolg auf diese Art verdient hat, selbst die Möglichkeit erhält, anderen Menschen in ähnlicher Situation zu helfen, ihren Weg zu finden. Sutcliff transportiert über Lovel einen Optimismus, der den jugendlichen Leser (vielleicht auch in eigenen Krisen) bestärken kann.

Gebundene Ausgabe: 125 Seiten
Nachdruck (3. Februar 2009)
ISBN-13: 978-3772518720
Vom Hersteller empfohlenes Alter: ab 11 Jahren
Illustrationen: Robert Micklewright
Aus dem Englischen: Elisabeth Epple

http://www.geistesleben.de

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