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Bruce Sterling – A Good Old-fashioned Future. Erzählungen

Bruce Sterling als Schocker und Unterhalter

Sterling ist fast der einzige amerikanische Science-Fiction-Schriftsteller, der sich mit der aktuellen (!) Welt außerhalb seines Landes befasst, und zwar nicht romatisierend oder verklärend, sondern satirisch und kritisch analysierend. Das klingt nun, als ob Sterling ein großer Theoretiker sei. Mitnichten! Ebenso wie sein Bruder im Geiste William Gibson in „Virtual Light“ und „Idoru“, so vermag Sterling seine Visionen und Kommentare in rasante Handlung und lebendige Charaktere zu gießen. Bei diesen Erzählungen, die 1993 bis 1998 erschienen, bleibt so manchem Kollegen – und auch dem unvorbereiteten Leser – die Spucke weg.
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Bear, Greg – Beyond Heaven\’s River

_Pefidisianer am Werk: Gestrandet in der Zukunft_

Das 24. Jahrhundert. Im System der Perfidisianer stoßen zwei „Horcher“ auf ein seltsames Funksignal: einen Notruf. Als sie auf der Welt landen, die vollständig von Beton bedeckt ist, stoßen sie auf eine Überlebenskuppel und darin auf einen Mann in einer mittelalterlichen japanischen Rüstung: Yoshio Kawashita stammt aber aus dem Jahr 1942. Zu welchem hinterlistigen Zweck haben die Perfidisianer, die ja für ihre Finten und Listen bekannt sind, den Japaner aus dem Zweiten Weltkrieg hierhergebracht?

_Der Autor_

Greg Bear gehört in die gleiche Liga von Hard-Science-Fiction-Autoren wie David Brin, Gregory Benford und Larry Niven, allerdings mit einem Unterschied: Er hat keinen Abschluss als Physiker gemacht, sondern sich einfach hochgearbeitet, jedoch mit steigendem Erfolg. Seinen internationalen Durchbruch erzielte er mit dem Roman „Blutmusik“ und „Äon“.

Greg Bear wurde 1951 in San Diego, einer wichtigen US-Marinebasis, geboren und studierte dort englische Literatur. Unter den Top-Hard-SF-Autoren ist er der einzige, der keine naturwissenschaftliche Ausbildung hat. Seit 1975 als freier Schriftsteller tätig, gilt er heute dennoch als einer der ideenreichsten wissenschaftlich orientierten Autoren.

Sein [„Das Darwin-Virus“, 1141 der hierzulande zuerst in einem Wissenschaftsverlag erschien, wurde zu einem preisgekrönten Bestseller. Erst damit konnte sich Bear aus dem Science-Fiction-Ghetto herausschreiben, so dass man ihn heute ohne weiteres mit Michael Crichton vergleicht. Nur dass Bear da anfängt, wo Crichton aufhört. Im Jahr 2004 erschienen bei uns „Die Darwin-Kinder“, die Fortsetzung von „Darwin-Virus“, sowie die Romane „Jäger“ und „Stimmen“. 2006 erschienen die Taschenbuchausgabe von „Die Darwin-Kinder“ sowie der Roman „Quantico“.

Bear hat eine ganze Reihe von Science-Fiction- und Fantasyzyklen verfasst. Die wichtigsten davon sind (HSF = Heyne Science Fiction):

– Die Thistledown-Trilogie: Äon (HSF 06/4433), Ewigkeit (HSF 06/4916); Legacy (bislang unübersetzt).
– Der Amboss-Zyklus: Die Schmiede Gottes (HSF 06/4617); Der Amboss der Sterne (HSF 06/5510).
– Der Sidhe-Zyklus: Das Lied der Macht (06/4382); Der Schlangenmagier (06/4569).

Weitere wichtige Werke: „Blutmusik“ (06/4480), „Königin der Engel“ (06/4954), „Slant“ (06/6357) und „Heimat Mars“ (06/5922). Er hat zudem Beiträge für die Buchreihen des Foundation-, Star-Trek- und Star-Wars-Universums geschrieben.

_Handlung_

Alae und Oomalo Waunter sind zwei bezahlte Horcher, irgendwo in den Tiefen des Weltraums. Als sie eines Tages aus dem System der Perfidisianer ein seltsames Funksignal, einen Notruf, erhalten, beschließen sie, alles auf eine Karte zu setzen. Sie wollen die bis daton unbekannte Welt entdecken und ihr Entdeckerrecht ausüben, sie komplett in Besitz zu nehmen. Es könnte sie sehr reich machen – oder sehr arm.

Als sie auf der namenlosen Welt landen, die vollständig von Beton bedeckt ist, stoßen sie auf eine Überlebenskuppel, und darin auf einen Mann in einer mittelalterlichen japanischen Rüstung: Yoshio Kawashita stammt aber aus dem Jahr 1942. Zu welchem hinterlistigen Zweck haben die Perfidisianer, die ja für ihre Finten und Listen bekannt sind, den Japaner aus dem Zweiten Weltkrieg hierhergebracht?

Als eine Raumpatrouille der United Stars eintrifft, lassen die beiden Entdecker ihren Fund zu Porotokoll geben und melden ihren Anspruch an. Loytnant Elvox ist nicht erstaunt, als wenig später ein riesiges Raumschiff in der Kreisbahn erscheint: Es ist die „Peloros“, die dem superreichen Konzern von Anna Sigrid Nestor gehört. In der Landefähre residiert die hohe Herrin sogar selbst und empfängt Elvox, der von ihr sehr angetan ist. Zusammen rufen sie die Schiedsrichter von der Welt Centrum herbei. Das dauert einige Wochen, während derer Anna diesen seltsamen solitären Bewohner namens Yoshio Kawashita näher kennen lernt.

Elvox ist etwas enttäuscht, als er das bequeme Bett der Herrin wieder verlassen muss, denn sie hat größeres Interesse an ihrem Findling, diesem Japaner, dem „goldenen Affen“. Allerdings macht Elvox sich Gedanken, was dieser Japaner einer Weltensammlerin wie Nestor bieten kann. Er muss etwas wissen, was er den Waunters, die nun zehn Prozent der Welt besitzen, verschwiegen hat. Nun weiß Elvox, wie er sich an Nestor für den Rauswurf rächen kann …

Anna findet zunehmend Gefallen an Kawashita und er an ihr. Und so erzählen sie einander ihre jeweilige Geschichte.

Yoshio Kawashita wurde 1918 geboren, wurde Pilot in der kaiserlichen Luftwaffe, nahm aber nicht an den Luftangriffen auf Pearl Harbor teil. Nur ein Jahr später kam es jedoch zur Seeschlacht um Midway, an der er auf dem Flugzeugträger „Hiryu“ teilnahm. Er bombardierte die amerikanische Insel Midway, musste dann aber erleben, wie amerikanische Bomber die japanische Flotte dezimierten und schließlich auch die „Hiryu“ versenkten. Er überlebte, indem er von dem Sog wegschwamm, in den ihn das Wrack des Schiffes ziehen wollte – oder weil ihn plötzlich eine fremde Kraft erfasste: das Schiff der Perfidisianer nahm ihn an Bord.

Dort und auf der Betonwelt führte er vierhundert Jahre lang ein seltsames neues Leben: im 13. Jahrhundert. Und er war nicht Pilot, sondern ein Kriegsherr. Der Haken dabei: Alle um ihn herum waren lediglich Geister …

_Mein Eindruck_

Dieser Roman erschien 1980, nur fünf Jahre, nachdem der Autor seine Schriftstellerkarriere mit etlichen Erzählungen ernsthaft angepackt hatte. Den Schauplatz teilt der Roman mit den Werken „Hegir“ (1979, dt. bei |Moewig|), „Psychlone“ (1979) und „Strength of Stones“ (1981, dt. als „Die Macht der Steine“) sowie mit den Erzählungen in den Sammlungen „The wind from a burning woman“ (1983) und [„Tangents“ 1785 (1989) dt. bei |Heyne|). Alle diese Werke erschienen vor Bear internationalem Durchbruch, den er 1983 mit der innovativen Novelle „Blutmusik“ erzielte und die er 1985 als Roman veröffentlichte.

Diese frühe Phase von Bears Werk zeigt daher nur in der Zusammenschau einen gewissen Zusammenhang. So taucht etwa in „Beyond heaven’s river“, das bis dato noch unübersetzt ist, ein Planet namens God Does Battle auf. Diese Welt ist der Schauplatz der Handlung in „Die Macht der Steine“ (1981). Die Schauplätze in dieser Frühphase sind der expandierende Siedlungsraum der Menschen im 24. Jahrhundert, was unweigerlich zur Begegnung mit fremden, manchmal absolut unverständlichen Aliens führt: Relikten der Aighors und Perfidisianer sowie mit Crocerianern.

|Die Kardinalfrage|

So weit, so schön. Doch die Frage, die Bear stellt, ist: Wie kommt die Menschheit mit diesem fremden Universum zurecht, wenn der Mensch doch sein uraltes, angeborenes Erbe – der alte Affe – nicht verleugnen kann und immer mit sich bringt, wohin auch immer er geht?

Yoshio Kawashita ist zwar kein Affe, aber er wird des Öfteren abfällig so bezeichnet: als der Königin Anna Sigrid Nestors „goldener Affe“. Den Skandal, als sie ihn dann auch noch heiratet, kann man sich vorstellen. Aber Kawashita ist einzigartig. Nicht nur kommt er aus dem 20. Jahrhundert – er wurde 1942 nach der Seeschlacht um Midway von den Perfidisianern entführt -, sondern er war obendrein auch ein Kriegslord im 13. Jahrhundert. Er führte also weit mehr als nur ein Leben, das uns vergönnt ist. Hat er sich also irgendwie weiterentwickelt als der Rest der Menschen im 24. Jahrhundert? Ist er besser an ein fremdartiges Universum angepasst?

|Zu den Wurzeln|

Die Antwort lautet ironischerweise ja und nein. Er mag zwar in der Zukunft gestrandet sein, doch die Lerntechnik ist ausgefeilter, und es gelingt ihm, sich rasch mit den neuen Gegebenheiten vertraut zu machen. Doch was ihm seelisch fehlt, sind seine Wurzeln. Was ist mit seinen Eltern, Verwandten, seinem Kaiser? Nichts davon ist mehr übrig. Der Besuch bei einem Sensei, einem Lehrmeister, auf der Reservatsinsel Kyushu bringt zumindest die Klarheit, dass er sich nicht vor Schande umbringen muss, obwohl dies früher seine Ehre verlangt hätte.

Also muss er zur zweiten Wurzel zurück, die er noch hat: dem Planeten, der sich fast gänzlich in seinem Besitz befindet. Warum wurde er hierher gebracht und musste in einem virtuellen 13. Jahrhundert leben? Was hatten seine Entführer lernen wollen, und warum gerade von ihm? Die Antworten erhält Yoshio allerdings nur, indem er durch Meditation sehr weit zurückgeht in verborgene Schichten seiner Erinnerung. Auf diesem Weg gelangt er zu zwei Erkenntnissen, die den Durchbruch bringen: 1) Er muss eine Art Roboter sein. 2) Er wird noch immer gesteuert! Aber wozu?

|Schwächen|

Obwohl der Plot hinsichtlich der Ideen relativ reizvoll und vielversprechend ist, entspricht die erzählerische Ausführung lediglich dem anspruchslosen Niveau eines |Ace|-Taschenbuchs. So begannen viele SF-AutorInnen, die später zu Weltruhm gelangten, darunter auch so bekannte wie Ursula K. Le Guin und John Brunner. Verglichen mit seinen späteren Schmökern, die umfangreiche Weltentwürfe wie in „Äon“ (1985) enthalten, ist „Beyond heaven’s river“ ein schmaler Band, der nur ein Drittel jener Umfänge einnimmt und sich liest wie eine kondensierte Novelle.

Damals beherrschte der Autor offenbar noch nicht die Kunst, verschiedene Stimmungen zu evozieren, indem er eine Umgebung die seelische Verfassung ihrer Bewohner widerspiegeln lässt. Einzige Ausnahme: das einführende Kapitel an Bord des Aighorschiffes, in dem die Waunters leben. Es mangelt stark an Beschreibungen von Äußerlichkeiten. Dafür dominieren Dialoge den Großteil des Textes. Sie sorgen allein für die vier Perspektiven, aus denen wir das Geschehen verfolgen können.

Natürlich sind die wichtigsten Figuren, durch deren Augen wir sehen, die beiden Eheleute Anna Nestor und Yoshio Kawashita. Sie charakterisieren sich selbst am besten, u. a. durch Tagebucheinträge. Dann kommen schon die Nebenfiguren: die beiden Waunters und schließlich der USC-Loytnant Elvox. Alle anderen Figuren wie etwa Annas Vater sind ohne Belang.

Das Fehlen von Erklärungen durch den Autor und die Dominanz der Dialoge bedeuten für den Leser, dass er die sprachlichen Nuancen, die sich in diesen Dialogen ausdrücken, mit besonderer Sorgfalt studieren muss. Dies wiederum setzt ein gutes Verständnis der englischen Sprache voraus. Der Stil ist alles andere als kompliziert – es herrscht die ziemlich langweilige Parataxe vor -, aber dafür verfügt der Autor über einen reichen Schatz an Synonymen, deren leichte Bedeutungsvarianten dem Leser geläufig sein sollten.

_Unterm Strich_

Der Roman liest sich für den Englischkenner dementsprechend leicht und flott. Da es kaum Rückblicke gibt oder gar langwierige Meditationen, erscheint der Handlungsverlauf sehr geradlinig: Kawashitas Welt – Erde – Flitterwochen-Intermezzo – Finale auf Kawashitas Welt, fertig. Aber auf äußere Konflikte wartet der Leser vergeblich. Merke: Dies ist dennoch keine Sternenoper. Vielmehr ist alles eine Nummer kleiner, und der Konflikt ist ein innerer. Kawashita, die Hauptfigur, muss mit sich ins Reine kommen. Die Lösung findet er schließlich in sich – und kommt dadurch dem Rätsel seiner Existenz und dem Geheimnis seiner betonierten Welt auf die Spur. (Wobei sich der Laie sofort fragt: Wie kann es sein, dass eine Welt völlig zubetoniert ist, dies aber niemandem als seltsam auffällt?)

Kurzum: ein Appetithappen für zwischendurch, der nur durch den spannenden und halbwegs actionbetonten Schluss lesenwert ist. Hier gibt es Erkentnisdurchbrüche, die das Lesen belohnen. Und wer dadurch noch nicht auf Bear neugierig geworden ist, der sollte als nächstes weder „Hegira“ noch „Die Macht der Steine“ lesen (sie sind ebenso minderwertig), sondern unbedingt „Blutmusik“ – ein richtiger Augenöffner, würde Sam Gamdschie sagen.

|Beyond heaven’s river; 1980; erneut 2000 by Millenium/Victor Gollancz, London
256 Seiten
Titelbild von John Harris|

Robert Holdstock – Merlin’s Wood or The Vision of Magic (Ryhope Forest 5)

Der Zauberer in Broceliande: magische Geschichten

Dieser Sammelband enthält einen phantastischen Roman um Merlin und die Zauberin Vivien, mit Schauplatz in der Bretagne, sowie zwei Erzählungen, die in Irland beziehungsweise in Schottland spielen – die Kelten mit ihren Legenden lauern also immer im Hintergrund. Von diesen Texten wurde allein „Earth and Stone“ bislang bei uns veröffentlicht.
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Robert Holdstock – Avilion (Ryhope Wood Zyklus 8)

Die Kraft von Rot und Grün: Showdown im Mythenwald

Im uralten Ryhope-Forst, dem Mythenwald, entstehen Mythen-Imagos, und sie faszinieren die Menschen so, dass diese ihnen folgen, mit oft unerwarteten Folgen. Steven, der Sohn des Mythago-Forschers George Huxley, folgt Guiwenneth, der Kriegerkönigin, in den Wald und erkämpft sie von seinem Vater und seinem Bruder, die sie ebenso lieben, für sich.

Ihre Kinder Jack und Yssobel sind im Mythenwald aufgewachsen, folgen aber unterschiedlichen Bestimmungen. Yssobel sehnt sich nach einem Wiedersehen mit ihrer verschwundenen Mutter, die im Innersten des Waldes, in Avilion, existieren könnte. Doch Jack ahnt, dass ihr Gefahr droht. Um mehr über Guiwenneths und Yssobels Mythen zu erfahren, dringt er bis an den Rand des Waldes vor und kehrt in das Haus seines Großvaters zurück. Dort erfährt er, welche Gefahr seiner Schwester droht, und muss eilen, sie zu retten.
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