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Andreas Eschbach – Herr aller Dinge

Der Kurd-Laßwitz-Preisträger 2012!

Andreas Eschbach, einer der geistreichsten deutschen Schriftsteller unserer Tage, knöpft sich auch diesmal weltverändernde Potenziale vor. Herr aller Dinge transportiert eine vielschichtige Geschichte, deren erzählerisches Hauptaugenmerk auf die Beziehung zweier höchst unterschiedlicher Menschen gerichtet ist – quasi der erste Liebesroman aus Eschbachs Feder, könnte man behaupten. Handeln tut er allerdings vor allem von den Entwicklungen, die Hiroshi Kato, eine der beiden Hauptpersonen, antreiben und schließlich zu bahnbrechenden Erkenntnissen führen – und Eschbach entwickelt die Geschichte so geschickt, dass sich Hiroshi einer unermesslichen Verantwortung stellen muss und damit – liebe Leserinnen, hört kurz weg – die tragische Beziehung zu Charlotte Malroux auch so endet, wie sie sich entwickelte.

Charlotte Malroux ist die Tochter des französischen Botschafters, zum Beispiel in Tokio, wo sie die Bekanntschaft eines Jungen aus der Nachbarschaft, des Sohnes einer Hausangestellten sogar, macht und aus dieser Bekanntschaft für den Jungen, Hiroshi Kato, etwas erwächst, was ihn sein Leben lang mit der Sicherheit einer Idee begleitet und leitet, denn es führt ihm den Sinn und Unsinn der menschlichen Würde am Maßstab der Güterverteilung mehr als einmal deutlichst vor Augen, ein Charakteristikum unserer Gesellschaft, das er ausschalten will. Widersprüchlich ist er sich des Schicksals seiner Begegnung mit Charlotte und der Bedeutung derselben in tiefster Sicherheit bewusst, so dass sich für ihn grundsätzlich nicht die Frage nach einer anderen Frau stellt, vor allem, nachdem er sie an einer amerikanischen Universität wieder trifft und sich ihre kindliche Beziehung mit derselben Selbstverständlichkeit fortsetzt, die sie auch schon in Japan auszeichnete.

Sowohl Hiroshi als auch Charlotte verfügen über außergewöhnliche Fähigkeiten, die bei Hiroshi weltlicher, intellektueller Natur zu sein scheinen, doch möglicherweise auf Charlottes Gabe zurück zu führen sind: Charlotte hat Zugang zu historischen Erinnerungen, sie sieht die Bilder und die stärksten Gefühle der Menschen, die irgendeinen beliebigen Gegenstand berührten. Dabei werden diese Bilder deutlicher und stärker, je länger ein Gegenstand im Besitz eines Menschen war. Die Verbindung zwischen dieser Gabe und Hiroshis Begabung im technisch-mathematischen Bereich wird in einer frühen Szene des Romans deutlich, als die beiden Kinder auf einem Ausflug ein Artefakt entdecken, ein Messer, das eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Charlotte ausübt. Sie riskiert mehr als nur Ärger, als sie unbedingt versucht, das Messer zu berühren, um seine Geschichte zu erfahren. Unter den intensiven und schmerzhaften Eindrücken verliert sie das Gleichgewicht und Hiroshi fängt sie auf – und erlebt einen kurzen Kontakt über Charlotte mit dem Wesen des Messers. Dieser Zufall könnte von zentraler Bedeutung für die Ausprägung seiner unwahrscheinlichen Begabung sein.

Während sich nun auf der einen Seite alles um Hiroshis großes Ziel dreht, jedem Menschen zu jeder Zeit alles zu ermöglichen, ist die Beziehung der beiden Dreh- und Angelpunkt der weiteren Geschichte. Charlotte durchlebt emotionale Irrwege, bis sie an einer Expedition teilnimmt, durch die die Wende eingeleitet wird. Ab diesem Zeitpunkt fokussiert sich die Handlung immer mehr auf die Auswirkungen, die Hiroshi in der Entdeckung der perfekten Nanomaschinen erlebt, erkennt und befürchtet. Hier nimmt der Roman zwar deutlich sichtbar Charakteristika eines Science-Fiction-Thrillers an, und Eschbach scheut nicht einmal die Entfaltung des großartigen, umfassenden Erkenntnisbildes, ein Gefühl, das dem bewanderten SF-Leser als „Sense of Wonder“ geläufig ist. Trotzdem bleibt die Triebfeder die Beziehung zwischen den Protagonisten, aufgelockert durch eine auf Eifersucht basierende Intrige, die man sich getrost wegdenken kann. Dem gegenüber entwirft Eschbach ein grausames Bild von einer Menschheit, die vom Vernichtungswillen getrieben den Sprung in die Zukunft schafft. Mit dieser Erkenntnis der Möglichkeiten und im Science-Fiction-Sinn auch der eigenen Geschichte trifft Hiroshi seine Entscheidungen und sucht einen anderen Weg.

Die bedingungslose Zuneigung Hiroshis zu Charlotte und seine immerwährende Sicherheit, sie beide gehörten zusammen, führt tragischerweise dazu, dass er sich immer mehr von ihr distanziert. Hier kommen nämlich die Wirtschaftsmächte, Geheimdienste und Regierungen ins Spiel, die bei derlei gefährlichen Entdeckungen stets mit von der Partie sind. Logischerweise muss sich Hiroshi gegen eine einzelne Macht entscheiden, eine Tatsache, die sich schon lange durch die Literatur zieht und der sich auch Eschbach nicht verschließt. Also wird er als Gefahr eingestuft und verfolgt und muss Charlotte durch seine Abwesenheit schützen.

Man könnte denken, Hiroshi hätte seine Kenntnisse und Fähigkeiten auch einsetzen können, um unterzutauchen, doch sehen wir hier zwei Aspekte, die sich aus der Geschichte ergeben und das nicht zulassen. Charlotte erkrankte an einem Tumor, was Hiroshi natürlich kurz vor dem Showdown zu ihr lockte, um sie zu heilen – und damit die Verfolger auf den Plan ruft. Und Eschbach wählte Hiroshi als Japaner zum Protagonisten, um einen Menschen zu haben, der traditionell fähig ist, auch den letzten und endgültigen Schritt zu gehen und eine Weiche für die Zukunft der Menschheit zu stellen. Diese letzten Szenen des Romans kumulieren noch einmal alle Action und Gefühle, die sich mal auf- und abschwellend durch die Geschichte ziehen. Eschbach trifft den Nerv seiner Leser und schafft einen abschließenden Höhepunkt von ungeheurer Kraft. Der Kreis schließt sich in Gestalt eines Messers, das Charlotte als Erinnerungsstück von Hiroshi erhält. Und das eine Anleitung enthalten mag, sollte die Menschheit je für Hiroshis Erkenntnisse reif sein.

Viele Kritiker gelangen zu dem Schluss, dass Eschbach zwar außergewöhnliche Ideen umsetzt und tolle Romane schreibt, aber gleichzeitig eine unüberwindbar erscheinende Schwäche in dem Ende seiner Geschichten liegt, das den Leser oft verwirrt oder unbefriedigt zurücklässt. Mit „Herr aller Dinge“ widerlegt Eschbach diese Theorie, zwar nicht zum ersten Mal, aber in höchster Deutlichkeit und Selbstverständlichkeit, so dass man das Buch zuklappt – und erst einmal nichts sagt.

Gebunden, 687 Seiten
ORIGINALAUSGABE
ISBN: 978-3-7857-2429-3
Leseprobe
http://www.luebbe.de

Ausgezeichnet wurde der Roman mit dem Kurd-Laßwitz-Preis 2012
Die Jury des Deutschen Science Fiction Preises verlieh dem Roman den Zweiten Platz, knapp hinter Karsten Kruschels „Galdäa – Der ungeschlagene Krieg“.

Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (2 Stimmen, Durchschnitt: 4,50 von 5)


 

Andreas Eschbach – Der Nobelpreis

Bestsellerautor Andreas Eschbach – so nennen ihn Verlage und Fans gleichermaßen begeistert. Mit „Der Nobelpreis“ liegt der neueste Roman vor, der diesmal keinerlei Elemente aus Herrn Eschbachs Ursprungsgenre, der Science-Fiction enthält, sondern ein hochklassiger Thriller ist.

Über Andreas Eschbach gibt es viel zu sagen, aber vor allem zählt, dass er hervorragende Romane schreibt. Er ist gebürtiger Deutscher, wohnt aber seit einiger Zeit mit seiner Familie in der französischen Bretagne. Für seine Romane erhielt er regelmäßig Auszeichnungen, zuletzt schaffte er es mit seinem Romanerstling „Die Haarteppichknüpfer“ über den Großen Teich – die Amerikaner, sehr zurückhaltend, was die Übersetzung fremdsprachiger Romane angeht, veröffentlichten ihn als edlen Hardcover unter dem Titel „The Carpetmakers“.
Weitere Infos unter http://www.andreaseschbach.de.

Der Nobelpreis

Für Hans-Olof Andersson ist der Nobelpreis eine Institution, für deren Glaubwürdigkeit er alles tun würde. Er schlägt ein enormes Bestechungsgeld aus, als er als Mitglied des Nobelkomitees für Medizin für eine bestimmte Kandidatin stimmen soll (was er allerdings ohnehin beabsichtigt hatte). Der Nobelpreis käuflich? Unvorstellbar! Da greifen die Hintermänner der Bestechung zu einer anderen Maßnahme und entführen des Professors Tochter. Hans-Olof versteht diesen Angriff auf den Nobelpreis als unduldbaren Übergriff und geht zur Polizei. Wie er jedoch feststellen muss, ist ein Polizeibeamter direkt involviert – unmöglich kann er sich den Beamten anvertrauen. Bleibt als letzter Ausweg sein ungeliebter Schwager Gunnar Forsberg, der als Industriespion im Gefängnis sitzt.

Auf Bewährung bringt Olof ihn heraus und überträgt ihm die Suche nach seiner Tochter Christina. Hochprofessionell gelingen Gunnar nächtliche Besuche bei wichtigen Personen der verdächtigten Firma (Wer würde wohl am meisten vom manipulierten Nobelpreis profitieren? Doch wohl die Firma, bei der der Träger arbeitet!) und dort selbst, doch auf unglückliche Weise scheint die Polizei einen Riecher für ihn zu besitzen, so dass ihm oft nur knapp die Flucht gelingt. Über Christina lässt sich allerdings wenig herausfinden. Stattdessen kommt Gunnar einer ganz anderen Geschichte auf die Spur.

Für den Leser

Wie Herr Eschbach immer betont, ist auch dieser Roman wieder ganz anders als seine Vorgänger. Für die Geschichte ist ein wunderschöner erzählerischer Trick unabdinglich: Der Perspektivenwechsel zwischen Hans-Olof und Gunnar. Das kommt völlig überraschend und bewirkt außerdem eine Änderung in der Erzählung selbst und ihrem Stil. Man kann in ihrem Ton Teile der Lebenseinstellung der beiden Erzähler erkennen: Olofs gleichmäßige, etwas phlegmatische Stimme gegen Gunnars sprunghafte, aufmerksame und lebensfreudige. Dabei sind beide Personen sehr selbstüberzeugt und sehen Fehler nur bei Anderen, vor allem Gunnar fällt hier auf. Er macht natürlich alles richtig – bis er fast auf die Nase fällt, glaubt er auch daran.

Andreas Eschbachs Kreativität zeigt sich deutlich in einer Szene, in der Gunnar außergewöhnlich knapp der Polizei entkommt: In einer nächtlichen Arztpraxis ausweglos festsitzend, täuscht er den Beamten den Beischlaf mit einer populären Persönlichkeit vor und gibt sich selbst als Arzt aus. Entscheidendes Element ist für die Abwiegelung des Misstrauens der Männer der hastig versteckte, aber lang genug sichtbare triefende Penis des „Arztes“.

So überraschend eine derartige Beschreibung auch kommt, Herr Eschbach versteht sein Fach: Als Bühnenbildner, Regisseur und Schauspieler im Theater der Fantasie benutzt er alle Mittel, um seine Geschichte in die Vorstellung des Lesers zu transferieren.

Was außerdem macht diesen Roman so gut? Wahrscheinlich spielt auch die Technik eine große Rolle, die Flüssigkeit, der Spannungsaufbau, der sich durch die häufigen Rückschläge Gunnars manifestiert. Und Herr Eschbachs professionelle Recherche, denn wenn man den sachlichen Informationen zum Beispiel über den Nobelpreis glauben kann, offenbart sich zu einem großen Medienereignis dieser Monate ein toller „BILD“-Fehler: Der in Kalifornien hingerichtete Gangster. Ob diese Hinrichtung nun moralisch vertretbar oder abzulehnen ist, wurde an anderen Stellen diskutiert. Hier geht es um den Nobelpreis, für den der Gangster gleich mehrfach nominiert gewesen sein soll. Herr Eschbachs Recherche ergab, dass diese Informationen unter Verschluss bleiben. Darauf ist auch ein wichtiger Handlungspunkt zurückzuführen, ohne den die Geschichte so nicht funktionieren würde. Künstlerische Freiheit von Herrn Eschbach oder mediale Fehlinformation? Leicht lässt sich auf Letzteres Tippen.

Die Geschichte lädt zum Miträtseln ein. So erscheint es doch plausibel, dass der vorbildliche Hans-Olof, der ja für die entsprechende Kandidatin stimmen wollte, durch den gescheiterten Erpressungsversuch dazu gebracht werden sollte, ihr seine Stimme zu verweigern. Aber wäre das sinnvoll? Herr Eschbach spinnt ein feines Netz aus falschen Fährten, die zum Teil extra für den Leser angelegt erscheinen, da sie von den Protagonisten missachtet werden, uns jedoch so deutlich vor Augen liegen. Schließlich kommt aber doch alles ganz anders.

Fazit: Andreas Eschbach sagte sinngemäß, wenn man noch ein Buch in diesem Jahr oder Jahrzehnt lesen wolle, solle man Wolfgang Jeschkes „Cusanus-Spiel“ lesen. Diese Aussage trifft weitaus eher auf den „Nobelpreis“, seinen eigenen neuen Roman zu. Das ist garantiertes Lesevergnügen für jedermann.

Andreas Eschbach – Der letzte seiner Art

In einem verschlafenen irischen Fischerdorf erwacht Duane Fitzgerald – blind und bewegungsunfähig bis auf seinen Arm. Obwohl er mit einem Kantholz auf sich einprügelt – eine bisher oft erfolgreiche Methode – bleibt er hilflos. Glücklicherweise berührt er zufällig ein bisher unbekanntes Implantat unter seiner Bauchdecke und ein Zucken lässt seinen Körper erbeben. Dieses ihm neue Implantat (obwohl er doch eigentlich seinen Bauplan auswendig kennt) scheint den Stromausfall zu bewirken, also greift Duane nach dem erreichbaren Taschenmesser, klappt die Ahle heraus (was sich in seinem Zustand als besonders kompliziert erweist) und durchstößt die Bauchdecke. Normalerweise würde ein internes System Enzyme ausschütten, die für Schmerzunempfindlichkeit gesorgt hätten, aber leider ist dieses ja derzeit inaktiv. Duane bleibt nichts anderes übrig, als sich unter Schmerzen mit der Ahle in den Eingeweiden herumzuwühlen, um den Wackelkontakt am Implantat zu beseitigen.

Andreas Eschbach
Geboren am 15.9.1959 in Ulm. Verheiratet, ein Sohn.
Studierte in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik, wechselte aber noch vor dem Abschluss in die EDV-Branche, arbeitete zunächst als Softwareentwickler und war von 1993 bis 1996 geschäftsführender Gesellschafter einer EDV-Beratungsfirma. Nach fast genau 25 Jahren in Stuttgart lebt er seit September 2003 mit seiner Frau in der Bretagne. Quelle: http://www.andreaseschbach.de/

Klar ist Duane Fitzgerald, der Ich-Erzähler des Romans, ein Cyborg – eine kybernetisch-organische Mixtur, fabriziert und entwickelt von amerikanischen Militärs, um als unbesiegbarer Steel-Man mit einigen Gleichartigen eine Sondereingreiftruppe zu bilden. Eschbach verknüpft intelligent die Zeitgeschehnisse mit seiner Geschichte. So wurde der erste Golfkrieg durch die USA nur so in die Länge gezogen, um die Steelmen rechtzeitig einsatzbereit zu machen – bis dato waren sie lediglich gut ausgebildete Marines mit einem künstlichen Arm. Erst als offensichtlich wurde, dass das Projekt nicht mit der nötigen Geschwindigkeit voranschritt, ging die Army zu der bekannten letzten Phase des Krieges über – ohne Steelmen.

Es ist ein absolut geheimes Projekt, über Jahre und mehrere Präsidentenlegislaturen hinweg in der Entwicklung. Ist es vorstellbar, dass sich so etwas – als Projekt, unabhängig vom Detail – durchführen lassen könnte bei den kleinlichen Differenzen verschiedener Machthaber? Eschbach stellt es dar, als habe das Militär seine eigene Forschung betrieben, bis schließlich Clinton die Einstellung anordnete.

Aus der Ich-Perspektive des Cyborgs, der mit Verschleißerscheinungen zu kämpfen hat, erhält die Geschichte trotz der typischen Verschwörung und der Horrorvision von unbesiegbaren Übermenschen einen humorvollen Schlag, denn seine Gedanken sind manchmal so natürlich und sprunghaft, dass man über seine Menschlichkeit lächelt und seinen Charakter sofort akzeptiert.

[…] stand da, wippte auf den Fersen und sah straßauf, straßab. Ich wurde unruhig, je länger es dauerte. Wie lange kann man schon an seinen Schuhen herumfummeln, ehe die Umwelt anfängt, das merkwürdig zu finden? […] Die Frau kam näher. […] Mit etwas Glück waren ihre Augen schlecht genug, dass ihr entging, dass ich Slipper trug […]
-Auszug aus „Der Letzte seiner Art“, S. 58

Es ist auch eine Art von Galgenhumor, die zwischen den Zeilen von Duanes Erzählung durchklingt. Eigentlich ist er natürlich völlig unzufrieden mit seinem Leben, andererseits fühlt er sich an seine Eide gebunden. Er sieht sich als menschliches Wrack, und durch den Verschleiß seines Systems erhält dieser Blickwinkel eine ganz neue, erschreckend reale Bedeutung. Die Geschichte nimmt eine Wendung, die für ihn entweder das endgültige Ende oder einen Neuanfang bedeuten könnte, doch damit einher gehen plötzlich auftretende Gefahren, die selbst für einen Steelman tödlich sein können – sind die Attentäter jetzt von den eigenen Leuten angeheuert oder vom Feind, der in den Besitz der Cyborgtechnik kommen will? Auf jeden Fall ist er gut über das Innenleben und die Möglichkeiten der Cyborgs informiert, so dass Duane nach und nach erfährt, wie seine Gleichartigen unauffällig ausgeschaltet wurden.

Zu diesem Zeitpunkt wird ihm klar, was wir schon länger befürchten: dass es um sein Leben geht, nicht nur um gewisse Annehmlichkeiten wie den frei gewählten Wohnort. Trotzdem wirken seine Gedanken (die eigentlich eine aufgeschriebene Erzählung darstellen, aber das erfahren wir erst später) manchmal in ihrer Analyse wie von einer außenstehenden Person, um dann wieder in das Innerste vorzudringen. Eschbach beginnt jedes Kapitel mit einem Zitat von Seneca, dessen Philosophie für Fitzgerald die einzige Möglichkeit darstellt, sein Schicksal zu ertragen. Er versucht, nach dieser Philosophie zu handeln und betrachtet dabei sein Bemühen skeptisch. Vor allem die Totalität des Endes fasziniert ihn, und so ist nicht verwunderlich, dass sich daraus eine Lösung für ihn selbst entwickelt.

„Der Letzte seiner Art“ ist eine Charakterstudie, die sich mit der ausweglosen Tragik eines Übermenschen befasst und in diesem Gewand ein heikles, gleichwohl sehr oft behandeltes Thema aufgreift. Was kann der Bürger schon von den Machenschaften und Projekten solcher Regierungen oder Militärs wissen? Auf der anderen Seite: Schürt man mit diesen Spekulationen nicht eine gewisse Furcht? In diesen Tagen vielleicht gar nicht so unsinnig.

Der Roman fließt ruhig dahin, unter einer stetigen Spannungssteigerung. Aber Eschbach zeigt trotzdem seine vielfältigen Künste, denn das Tempo erhöht sich schlagartig um ein Vielfaches, als der Cyborg sein System voll aktiviert (und damit schneller als jede menschliche Reaktion agieren kann). Danach fällt es wieder ab und lässt uns unseren Herzschlag beruhigen, um weiter dem Finale entgegenzustreben. Ein düsterer, philosophischer, sehr unterhaltsamer und eindringlicher Roman.