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Andreas Eschbach – Quest. SF-Roman

„Quest“ ist eine Space-Opera mit nur einem Thema: die Suche nach dem Planeten des Ursprungs, nach dem Schöpfergott des Universums, nach dem Sinn des Lebens. Man sieht: Das sind reichliche hohe und viele Themen für einen Abenteuerroman. Und so verwundert es nicht, dass sich der Anteil an Abenteuern stark in Grenzen hält. Aber dafür hat der Roman andere Qualitäten vorzuweisen, beispielsweise glaubwürdige Figuren und zwei gute Liebesgeschichten.
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Andreas Eschbach – Herr aller Dinge

Der Kurd-Laßwitz-Preisträger 2012!

Andreas Eschbach, einer der geistreichsten deutschen Schriftsteller unserer Tage, knöpft sich auch diesmal weltverändernde Potenziale vor. Herr aller Dinge transportiert eine vielschichtige Geschichte, deren erzählerisches Hauptaugenmerk auf die Beziehung zweier höchst unterschiedlicher Menschen gerichtet ist – quasi der erste Liebesroman aus Eschbachs Feder, könnte man behaupten. Handeln tut er allerdings vor allem von den Entwicklungen, die Hiroshi Kato, eine der beiden Hauptpersonen, antreiben und schließlich zu bahnbrechenden Erkenntnissen führen – und Eschbach entwickelt die Geschichte so geschickt, dass sich Hiroshi einer unermesslichen Verantwortung stellen muss und damit – liebe Leserinnen, hört kurz weg – die tragische Beziehung zu Charlotte Malroux auch so endet, wie sie sich entwickelte.

Charlotte Malroux ist die Tochter des französischen Botschafters, zum Beispiel in Tokio, wo sie die Bekanntschaft eines Jungen aus der Nachbarschaft, des Sohnes einer Hausangestellten sogar, macht und aus dieser Bekanntschaft für den Jungen, Hiroshi Kato, etwas erwächst, was ihn sein Leben lang mit der Sicherheit einer Idee begleitet und leitet, denn es führt ihm den Sinn und Unsinn der menschlichen Würde am Maßstab der Güterverteilung mehr als einmal deutlichst vor Augen, ein Charakteristikum unserer Gesellschaft, das er ausschalten will. Widersprüchlich ist er sich des Schicksals seiner Begegnung mit Charlotte und der Bedeutung derselben in tiefster Sicherheit bewusst, so dass sich für ihn grundsätzlich nicht die Frage nach einer anderen Frau stellt, vor allem, nachdem er sie an einer amerikanischen Universität wieder trifft und sich ihre kindliche Beziehung mit derselben Selbstverständlichkeit fortsetzt, die sie auch schon in Japan auszeichnete.

Sowohl Hiroshi als auch Charlotte verfügen über außergewöhnliche Fähigkeiten, die bei Hiroshi weltlicher, intellektueller Natur zu sein scheinen, doch möglicherweise auf Charlottes Gabe zurück zu führen sind: Charlotte hat Zugang zu historischen Erinnerungen, sie sieht die Bilder und die stärksten Gefühle der Menschen, die irgendeinen beliebigen Gegenstand berührten. Dabei werden diese Bilder deutlicher und stärker, je länger ein Gegenstand im Besitz eines Menschen war. Die Verbindung zwischen dieser Gabe und Hiroshis Begabung im technisch-mathematischen Bereich wird in einer frühen Szene des Romans deutlich, als die beiden Kinder auf einem Ausflug ein Artefakt entdecken, ein Messer, das eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Charlotte ausübt. Sie riskiert mehr als nur Ärger, als sie unbedingt versucht, das Messer zu berühren, um seine Geschichte zu erfahren. Unter den intensiven und schmerzhaften Eindrücken verliert sie das Gleichgewicht und Hiroshi fängt sie auf – und erlebt einen kurzen Kontakt über Charlotte mit dem Wesen des Messers. Dieser Zufall könnte von zentraler Bedeutung für die Ausprägung seiner unwahrscheinlichen Begabung sein.

Während sich nun auf der einen Seite alles um Hiroshis großes Ziel dreht, jedem Menschen zu jeder Zeit alles zu ermöglichen, ist die Beziehung der beiden Dreh- und Angelpunkt der weiteren Geschichte. Charlotte durchlebt emotionale Irrwege, bis sie an einer Expedition teilnimmt, durch die die Wende eingeleitet wird. Ab diesem Zeitpunkt fokussiert sich die Handlung immer mehr auf die Auswirkungen, die Hiroshi in der Entdeckung der perfekten Nanomaschinen erlebt, erkennt und befürchtet. Hier nimmt der Roman zwar deutlich sichtbar Charakteristika eines Science-Fiction-Thrillers an, und Eschbach scheut nicht einmal die Entfaltung des großartigen, umfassenden Erkenntnisbildes, ein Gefühl, das dem bewanderten SF-Leser als „Sense of Wonder“ geläufig ist. Trotzdem bleibt die Triebfeder die Beziehung zwischen den Protagonisten, aufgelockert durch eine auf Eifersucht basierende Intrige, die man sich getrost wegdenken kann. Dem gegenüber entwirft Eschbach ein grausames Bild von einer Menschheit, die vom Vernichtungswillen getrieben den Sprung in die Zukunft schafft. Mit dieser Erkenntnis der Möglichkeiten und im Science-Fiction-Sinn auch der eigenen Geschichte trifft Hiroshi seine Entscheidungen und sucht einen anderen Weg.

Die bedingungslose Zuneigung Hiroshis zu Charlotte und seine immerwährende Sicherheit, sie beide gehörten zusammen, führt tragischerweise dazu, dass er sich immer mehr von ihr distanziert. Hier kommen nämlich die Wirtschaftsmächte, Geheimdienste und Regierungen ins Spiel, die bei derlei gefährlichen Entdeckungen stets mit von der Partie sind. Logischerweise muss sich Hiroshi gegen eine einzelne Macht entscheiden, eine Tatsache, die sich schon lange durch die Literatur zieht und der sich auch Eschbach nicht verschließt. Also wird er als Gefahr eingestuft und verfolgt und muss Charlotte durch seine Abwesenheit schützen.

Man könnte denken, Hiroshi hätte seine Kenntnisse und Fähigkeiten auch einsetzen können, um unterzutauchen, doch sehen wir hier zwei Aspekte, die sich aus der Geschichte ergeben und das nicht zulassen. Charlotte erkrankte an einem Tumor, was Hiroshi natürlich kurz vor dem Showdown zu ihr lockte, um sie zu heilen – und damit die Verfolger auf den Plan ruft. Und Eschbach wählte Hiroshi als Japaner zum Protagonisten, um einen Menschen zu haben, der traditionell fähig ist, auch den letzten und endgültigen Schritt zu gehen und eine Weiche für die Zukunft der Menschheit zu stellen. Diese letzten Szenen des Romans kumulieren noch einmal alle Action und Gefühle, die sich mal auf- und abschwellend durch die Geschichte ziehen. Eschbach trifft den Nerv seiner Leser und schafft einen abschließenden Höhepunkt von ungeheurer Kraft. Der Kreis schließt sich in Gestalt eines Messers, das Charlotte als Erinnerungsstück von Hiroshi erhält. Und das eine Anleitung enthalten mag, sollte die Menschheit je für Hiroshis Erkenntnisse reif sein.

Viele Kritiker gelangen zu dem Schluss, dass Eschbach zwar außergewöhnliche Ideen umsetzt und tolle Romane schreibt, aber gleichzeitig eine unüberwindbar erscheinende Schwäche in dem Ende seiner Geschichten liegt, das den Leser oft verwirrt oder unbefriedigt zurücklässt. Mit „Herr aller Dinge“ widerlegt Eschbach diese Theorie, zwar nicht zum ersten Mal, aber in höchster Deutlichkeit und Selbstverständlichkeit, so dass man das Buch zuklappt – und erst einmal nichts sagt.

Gebunden, 687 Seiten
ORIGINALAUSGABE
ISBN: 978-3-7857-2429-3
Leseprobe
http://www.luebbe.de

Ausgezeichnet wurde der Roman mit dem Kurd-Laßwitz-Preis 2012
Die Jury des Deutschen Science Fiction Preises verlieh dem Roman den Zweiten Platz, knapp hinter Karsten Kruschels „Galdäa – Der ungeschlagene Krieg“.

Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (2 Stimmen, Durchschnitt: 4,50 von 5)


 

Andreas Eschbach – Quest (Lesung)

Zwischen der Verpflichtung für ihren Pantap und der Sorge vor der großen Invasion des Sternenkaisers begibt sich der Fernerkunder Megatao auf die Suche nach der letzten Hoffnung. Kommandant Eftalan Quest und seine Mannschaft versuchen, was noch keinem Menschen glückte: Den Planeten des Ursprungs zu finden, die eine legendäre Welt, auf der alles Leben begann – doch um was zu tun …?

Andreas Eschbach wurde geboren, erlebte eine Kindheit, studierte Luft- und Raumfahrttechnik und arbeitete als Softwareentwickler, ehe es ihn nach Frankreich zog. Dort lebt und arbeitet er mit seiner Familie an der Bretagne im Urlaub.

Die ferne Zukunft: Die Menschheit hat sich über Galaxien ausgebreitet und dabei in die unterschiedlichsten Gruppierungen aufgespalten, so dass die einzelnen Völker voneinander nichts mehr wissen. In der Galaxis Gheera existiert das monarchische Reich des Pantap, und dieses Reich, obwohl gigantisch in seinen Dimensionen, wird von den Heerscharen des Sternenkaisers angegriffen. Noch kennt niemand die Streitkräfte des Gegners, doch es gehen Gerüchte über unglaubliche Massen an Kriegsschiffen, die über weit überlegene Technik gebieten. Da scheint es nicht abwegig, wenn der Pantap einen seiner mächtigen Fernerkunder, die Megatao unter dem Kommando des Kriegshelden Eftalan Quest, auf eine geheime Mission schickt, deren Ziel nur dem Kommandanten höchst selbst bekannt ist.

Quests Mannschaft arbeitet effizient und höchst erfolgreich an den einzelnen Abschnitten auf ihrem Weg, zum Beispiel entwenden sie der gigantischen Bibliothek von Paschkan, die von Außerirdischentechnik geschützt wird, die Heiligtümer, die gehütetsten Informationen, die von Außerirdischen berichten. So findet man schließlich das Volk der Yorsen, der ältesten und mächtigsten Wesen der Galaxis, und erhält dort den nächsten Hinweis auf dieser intergalaktischen Schnitzeljagd. Doch was wäre das alles wert ohne den Unsterblichen Smeeth, den man mit seinem beschädigten Raumschiff aus dem All fischt? Und was hofft Quest auf dem legendären Planeten des Ursprungs zu finden?

„Quest“ ist ein Roman aus den Anfängen des eschbachschen Schaffens. Das „Jesusvideo“ war schon geschrieben, und Eschbach erreichte Publikum außerhalb der Science-Fiction-Szene. Mit „Quest“, das er selbst als Geschenk an seine Fans beschreibt, machte er den letzten Schritt zurück in die offensichtlichen marketingtechnischen Niederungen des Prädikats „SF“, das im Folgenden von seinen Büchern für Erwachsene verschwindet. Quest, einstmals erschienen in wunderschöner großformatiger Paperbackausgabe mit Innenillustrationen auf buntem Hochglanzpapier, präsentiert auf den ersten Blick seine Zugehörigkeit zum „Raumschiffe, Aliens und T..ten“-Genre, wobei Letztere in allen anderen Bereichen der Literatur mindestens genau so präsent sind wie in der SF und Eschbach einen sich stets weiterentwickelnden Stil hat, sie in Szene zu setzen.

Ab diesem Zeitpunkt erscheint Eschbachs Science-Fiction also entweder getarnt als Thriller, oder in Form von Jugendromanen wie dem Marsprojekt oder zuletzt der „*Out-Trilogie“. „Quest“ spricht aber erfreulich direkt schon durch sein Titelbild den echten Fan an, was nicht bedeutet, es sei für andere Leser verschlossen – ein Vorurteil, unter dem die SF Zeit ihres Daseins leidet. Raumschiffe, fremde Galaxien, Sternenkaiser … na und? „Quest“ bietet mehr als ein Beziehungsdrama, in dem die Standesunterschiede und gesellschaftlichen Zwänge eine Rolle spielen; es gibt Ausblicke in die charakterlichen Untiefen des Menschen, egoistisches Handeln bis zur Selbsterkenntnis, Gott als Sinnbild negativer Motivation und schlicht wunderbare Unterhaltung an einer spannenden, gut erzählten Geschichte. Es macht seinem Titel Ehre, denn man kann die Geschichte ebenso auf diesen Aspekt reduzieren: Die Queste, die Suche nach dem Planet des Ursprungs, nach dem Mythos der Menschheit.

Quest als Protagonist ist ein mehrschichtiges Subjekt; er tritt zwar selten in Erscheinung und macht eher den Eindruck des überlegenen, hochintelligenten Kommandanten – über seine Beziehung zur ersten Heilerin erfährt man aber mehr von ihm, als der Schein vortäuscht. Im Grunde ist er ein zerstörtes Leben, zerfressen von Verantwortung und Heldenstatus, ein Mensch, der seine großen Verluste nie verwunden hat. Und doch scheinen diese Verluste ihn vor allem in seinem egozentrischen Weltbild zu bestärken, zeigt er doch nie Trauer oder menschlichen Verlust, sondern in erster Linie Verzweiflung über seine Unfähigkeit, über die Last, die das Schicksal ihm auferlegt hat, über Gottes Gleichgültigkeit. Er ist verbittert ob der Ausweglosigkeit seiner tödlichen Erkrankung, ohne die Möglichkeit, einen Verantwortlichen für die Geschehnisse zu finden als sich selbst.

Andere Charaktere haben ihre weltlicheren Probleme, so wie der erste Verweser (Quests Stellvertreter), der als Einziger in der Kommandohierarchie über Fähigkeiten verfügt und doch niemals ein Kommando wird führen können in der durch gesellschaftliche Strukturen geregelten Konzeption der monarchistischen Flotte des Pantap. Oder der junge Novize Bailan, der sich dem Abenteuer seines zölibatären Lebens gegenüber sieht, als er die Niedere kennenlernt, einer jungen Frau der untersten Kaste, die rechtlos und wertlos wie Leibeigene behandelt werden – auch ein Aspekt, den Eschbach schließlich für eine dramatische Wendung nutzt. Und nicht zuletzt der Unsterbliche, Smeeth, der von Narben übersäte Mann aus der Vergangenheit, der so unendlich viel mehr weiß und kann, als die menschliche Vorstellungskraft für möglich hält, und der sich doch an seine tierische Abstammung klammert, um das Alleinsein über die Jahrtausende zu ertragen. Er ist der Mensch, dessen Abgeklärtheit schließlich den einzigen Ausweg für Quest, den gescheiterten Kommandanten und Fahnenflüchtigen, aufzeigt. Und er ist der Mann, dessen bloße Existenz für die unaufhaltbare Invasion des Sternenkaisers verantwortlich ist durch die Mythen, die sich um ihn und seine Geschwister ranken, die Mythen der Unsterblichkeit, die die Sternenkaiser seit Menschengedenken verfolgen und zu erreichen trachten. Wenn man die Zustände in der Galaxis Gheera auf diesen Punkt reduzierte, würde man sogar Quests Zustand auf Smeeths Existenz zurückführen können. Ein unmenschlicher Gedanke.

Übrigens hängt im Speiseraum der Megatao ein kleiner Haarteppich, eine Kostbarkeit, die den Flechtenden Jahre seines Lebens kostet – was für die Zukunft der Galaxis noch eine ausschlaggebende Rolle spielen soll, wie Eschbach uns in seinem Romanerstling „Die Haarteppichknüpfer“ bereits miterleben ließ.

Sascha Rotermund als Sprecher ist für die neue Vertonung der Eschbach-Klassiker eine feste Größe. An seiner Stimme und Betonung lässt sich nichts aussetzen, es ist durchweg ein angenehmes Hörerlebnis, dem auch die nötige übergreifende Spannung nicht fehlt. Einzig die Namen haben eine eindeutige Anglisierung erhalten, was aufgrund ihrer Schreibweise durchaus im Rahmen des Vorstellbaren liegt, andererseits lässt sich jeder Name – vor allem auch in Anbetracht der zeitlichen Distanz zur Existenz des heutigen Englisch – auch unbedenklich deutsch aussprechen. Die Kürzungen, die aus redaktionellen Gründen anfallen mussten, fallen bei diesem Roman wieder erstaunlich unauffällig aus, und obzwar die vollständige Lektüre natürlich noch eine ganz andere Aussagekraft hat, bietet diese Lesung eine hoch zufrieden stellende und unterhaltende Leistung.

„Quest“ ist mithin einer der besten Romane Eschbachs.

6 Audio-CDs mit 442 Minuten Spieldauer
ISBN: 978-3-7857-4663-9

www.luebbe.de

Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Andreas Eschbach – Der Nobelpreis

Bestsellerautor Andreas Eschbach – so nennen ihn Verlage und Fans gleichermaßen begeistert. Mit „Der Nobelpreis“ liegt der neueste Roman vor, der diesmal keinerlei Elemente aus Herrn Eschbachs Ursprungsgenre, der Science-Fiction enthält, sondern ein hochklassiger Thriller ist.

Über Andreas Eschbach gibt es viel zu sagen, aber vor allem zählt, dass er hervorragende Romane schreibt. Er ist gebürtiger Deutscher, wohnt aber seit einiger Zeit mit seiner Familie in der französischen Bretagne. Für seine Romane erhielt er regelmäßig Auszeichnungen, zuletzt schaffte er es mit seinem Romanerstling „Die Haarteppichknüpfer“ über den Großen Teich – die Amerikaner, sehr zurückhaltend, was die Übersetzung fremdsprachiger Romane angeht, veröffentlichten ihn als edlen Hardcover unter dem Titel „The Carpetmakers“.
Weitere Infos unter http://www.andreaseschbach.de.

Der Nobelpreis

Für Hans-Olof Andersson ist der Nobelpreis eine Institution, für deren Glaubwürdigkeit er alles tun würde. Er schlägt ein enormes Bestechungsgeld aus, als er als Mitglied des Nobelkomitees für Medizin für eine bestimmte Kandidatin stimmen soll (was er allerdings ohnehin beabsichtigt hatte). Der Nobelpreis käuflich? Unvorstellbar! Da greifen die Hintermänner der Bestechung zu einer anderen Maßnahme und entführen des Professors Tochter. Hans-Olof versteht diesen Angriff auf den Nobelpreis als unduldbaren Übergriff und geht zur Polizei. Wie er jedoch feststellen muss, ist ein Polizeibeamter direkt involviert – unmöglich kann er sich den Beamten anvertrauen. Bleibt als letzter Ausweg sein ungeliebter Schwager Gunnar Forsberg, der als Industriespion im Gefängnis sitzt.

Auf Bewährung bringt Olof ihn heraus und überträgt ihm die Suche nach seiner Tochter Christina. Hochprofessionell gelingen Gunnar nächtliche Besuche bei wichtigen Personen der verdächtigten Firma (Wer würde wohl am meisten vom manipulierten Nobelpreis profitieren? Doch wohl die Firma, bei der der Träger arbeitet!) und dort selbst, doch auf unglückliche Weise scheint die Polizei einen Riecher für ihn zu besitzen, so dass ihm oft nur knapp die Flucht gelingt. Über Christina lässt sich allerdings wenig herausfinden. Stattdessen kommt Gunnar einer ganz anderen Geschichte auf die Spur.

Für den Leser

Wie Herr Eschbach immer betont, ist auch dieser Roman wieder ganz anders als seine Vorgänger. Für die Geschichte ist ein wunderschöner erzählerischer Trick unabdinglich: Der Perspektivenwechsel zwischen Hans-Olof und Gunnar. Das kommt völlig überraschend und bewirkt außerdem eine Änderung in der Erzählung selbst und ihrem Stil. Man kann in ihrem Ton Teile der Lebenseinstellung der beiden Erzähler erkennen: Olofs gleichmäßige, etwas phlegmatische Stimme gegen Gunnars sprunghafte, aufmerksame und lebensfreudige. Dabei sind beide Personen sehr selbstüberzeugt und sehen Fehler nur bei Anderen, vor allem Gunnar fällt hier auf. Er macht natürlich alles richtig – bis er fast auf die Nase fällt, glaubt er auch daran.

Andreas Eschbachs Kreativität zeigt sich deutlich in einer Szene, in der Gunnar außergewöhnlich knapp der Polizei entkommt: In einer nächtlichen Arztpraxis ausweglos festsitzend, täuscht er den Beamten den Beischlaf mit einer populären Persönlichkeit vor und gibt sich selbst als Arzt aus. Entscheidendes Element ist für die Abwiegelung des Misstrauens der Männer der hastig versteckte, aber lang genug sichtbare triefende Penis des „Arztes“.

So überraschend eine derartige Beschreibung auch kommt, Herr Eschbach versteht sein Fach: Als Bühnenbildner, Regisseur und Schauspieler im Theater der Fantasie benutzt er alle Mittel, um seine Geschichte in die Vorstellung des Lesers zu transferieren.

Was außerdem macht diesen Roman so gut? Wahrscheinlich spielt auch die Technik eine große Rolle, die Flüssigkeit, der Spannungsaufbau, der sich durch die häufigen Rückschläge Gunnars manifestiert. Und Herr Eschbachs professionelle Recherche, denn wenn man den sachlichen Informationen zum Beispiel über den Nobelpreis glauben kann, offenbart sich zu einem großen Medienereignis dieser Monate ein toller „BILD“-Fehler: Der in Kalifornien hingerichtete Gangster. Ob diese Hinrichtung nun moralisch vertretbar oder abzulehnen ist, wurde an anderen Stellen diskutiert. Hier geht es um den Nobelpreis, für den der Gangster gleich mehrfach nominiert gewesen sein soll. Herr Eschbachs Recherche ergab, dass diese Informationen unter Verschluss bleiben. Darauf ist auch ein wichtiger Handlungspunkt zurückzuführen, ohne den die Geschichte so nicht funktionieren würde. Künstlerische Freiheit von Herrn Eschbach oder mediale Fehlinformation? Leicht lässt sich auf Letzteres Tippen.

Die Geschichte lädt zum Miträtseln ein. So erscheint es doch plausibel, dass der vorbildliche Hans-Olof, der ja für die entsprechende Kandidatin stimmen wollte, durch den gescheiterten Erpressungsversuch dazu gebracht werden sollte, ihr seine Stimme zu verweigern. Aber wäre das sinnvoll? Herr Eschbach spinnt ein feines Netz aus falschen Fährten, die zum Teil extra für den Leser angelegt erscheinen, da sie von den Protagonisten missachtet werden, uns jedoch so deutlich vor Augen liegen. Schließlich kommt aber doch alles ganz anders.

Fazit: Andreas Eschbach sagte sinngemäß, wenn man noch ein Buch in diesem Jahr oder Jahrzehnt lesen wolle, solle man Wolfgang Jeschkes „Cusanus-Spiel“ lesen. Diese Aussage trifft weitaus eher auf den „Nobelpreis“, seinen eigenen neuen Roman zu. Das ist garantiertes Lesevergnügen für jedermann.

Andreas Eschbach – Die Haarteppichknüpfer

Mit „Die Haarteppichknüpfer“ gab Andreas Eschbach sein Debüt im Roman. Die Geschichte spielt in einer fernen Zukunft, in einer fernen Galaxis, in einem Universum, das zu großen Teilen vom „Sternenkaiser“ beherrscht wird. Zu seinen Ehren und um seinen unvorstellbaren Sternenpalast zu schmücken, gibt es die Haarteppichknüpfer, die ihr Leben lang an einem einzigen Teppich aus dem Haar ihrer Frauen und Töchter arbeiten.

Andreas Eschbach lebt und arbeitet „im Urlaub“, in der französischen Bretagne, wohin es ihn kürzlich mit seiner Familie zog. Neben Science-Fiction-Romanen wie „Quest“, „Solarstation“ und den Jugendbüchern um „Das Marsprojekt“ ist er auch sehr erfolgreich mit den Thrillern „Jesus-Video“ (verfilmt), „Eine Billion Dollar“ und „Der Letzte seiner Art“. Mit „Der Nobelpreis“ wird im September 2005 sein neuester Roman erscheinen. Und seit 2005 ist sein erster Roman unter dem Titel „The Carpet Makers“ in den USA erschienen.
Weitere Infos: http://www.andreaseschbach.de.

Wohin damit?

In der Klause des Haarteppichknüpfers Oswan spielt sich eine Tragödie ab: Traditionell ernährt ein Knüpfer eine Familie mit vielen Frauen und Töchtern, um an verschiedenfarbiges Haar zu kommen, aber höchstens einen Sohn, da der Erlös eines Haarteppichs nur für eine Familie reicht. Oswans Sohn ist dem Gewerbe jedoch abgeneigt und besucht lieber die Schule und den Lehrer bei seinen Diskussionsabenden, um Bücher zu lesen (was verboten ist) und Wissen zu erlangen (was normalerweise unmöglich ist). Oswan ist verzweifelt. Es scheint ein Zeichen des Kaisers zu sein, als seine Frau einen zweiten Sohn gebärt. Oswan nimmt das traditionelle Schwert von der Wand und erschlägt den älteren.

Als ein Haarteppichhändler die Stadt besucht, sickert das erste Mal das Gerücht durch, der Kaiser habe abgedankt! Völlig unglaublich, denn der Kaiser herrscht schon seit Jahrtausenden über sein Reich. Es tauchen Männer auf, die sich Rebellen nennen und mit einer Fotografie des toten Kaisers ihre Überzeugungsmission beginnen, doch oft scheitern sie an den Traditionen und der Borniertheit der Menschen. Bis sie auf ein Geheimnis stoßen: Jeder Planet dieser Galaxis dient einzig der Haarteppichproduktion, und jeder Planet ist der Meinung, einziger Produzent zu sein. Doch im Sternenpalast findet sich kein einziger Haarteppich. Wohin also verschwindet die Produktion einer ganzen Galaxis?

Gut, aber warum?

Die „Haarteppichknüpfer“ kann man kaum nüchtern analysieren. Was genau macht diese Geschichte zu etwas Besonderem? Das große Rätsel um den Sinn der Teppiche und damit den Sinn des Lebens einer ganzen Galaxis hält eine große Spannung über den ganzen Roman aufrecht, in Bruchstücken erhalten wir die Informationen, die wir brauchen, um das Bild zusammenzusetzen, und langsam zeichnet sich ein faszinierendes, unglaublich weiträumiges Drama ab, dem wir aber bis auf die letzten Seiten nicht in letzter Konsequenz selbst auf die Spur kommen können, ohne die führende Hand der Protagonisten, wo der Archivar des Kaisers eine sehr wichtige Rolle spielt. Wie die Rebellen, stehen wir vor dem Berg des Wissens und wissen doch nicht genug, um die Wahrheit zu erkennen. Zum Glück entsteht eine erstaunliche Liebe, die einen Insider zu unserem Informanten macht, unter dessen gewaltigem Wissen das Rätsel seine Lösung findet.

Dieser eine Teil der Geschichte ist ein bisschen unbefriedigend, wenn man auf die großartige Handlung der vorangegangenen Kapitel zurückblickt. Hier enthüllt jemand in einer mündlichen Erzählung die letzten Geheimnisse; ohne diese Unterstützung hätte das Buch seine Aufgabe nicht erfüllen können. Und im Endeffekt stehen wir doch nur staunend vor der Geschichte, die sich noch unüberschaubar in die Tiefen jenes Reservoirs erstreckt, aus dem die guten Erzählungen stammen.

Auch nach zehn Jahren seit dem ersten Erscheinen des Romans fesselt er den Leser uneingeschränkt, womöglich durch seine Zeitlosigkeit, die er aus folgenden Tatsachen bezieht: Gheera, die Galaxis der Haarteppichknüpfer, dümpelt ihrerseits zeitlos dahin, gefangen in den Traditionen, die keinen Ausbruch erlauben; der Sternenkaiser lebt seit über hunderttausend Jahren und herrscht seit annähernd der gleichen Zeit über sein Reich, was eine zeitlose Stabilität erfordert, und Stabilität widerspricht der Veränderung. Außerdem verzichtet Eschbach auf irgendwelchen technischen Schnickschnack, der 1995 vielleicht futuristisch angemutet hätte, heute möglicherweise bereits überholt und damit Ballast für die Geschichte gewesen wäre.

Seelenfänger

Ursprünglich erschien das erste Kapitel des Romans als Kurzgeschichte. Erst einige Jahre später verfasste Eschbach auf dieser Grundlage den Roman, der die Geschichte der Haarteppichknüpfer, der Haarteppiche und der Menschen dieses Universums aus verschiedenen unterschiedlichen Blickwinkeln in kurzen Episoden erzählt und so ein großartiges Gesamtbild schafft, bis dem Leser der Atem stockt. Viel wurde über diesen Roman geschrieben, Eschbach erhielt Preise dafür und schrieb sich sofort in die Herzen seiner Leser (die jetzt ungeduldig auf den nächsten Science-Fiction-Roman warten), aber berechtigterweise werden einige Tatsachen immer wieder betont: Mit unfassbarer Ideenvielfalt führt uns Eschbach lebendige, fremdartige und doch seltsam vertraute Charaktere und ihre Probleme vor, lässt uns Teil haben an ihrem Schmerz und ihrem Glück, badet uns in dem See ihrer Erlebnisse und macht uns zum Teil ihrer Geschichte, indem wir uns während der Lektüre in ihrer Seele wiederfinden.

Andreas Eschbach – Der letzte seiner Art

In einem verschlafenen irischen Fischerdorf erwacht Duane Fitzgerald – blind und bewegungsunfähig bis auf seinen Arm. Obwohl er mit einem Kantholz auf sich einprügelt – eine bisher oft erfolgreiche Methode – bleibt er hilflos. Glücklicherweise berührt er zufällig ein bisher unbekanntes Implantat unter seiner Bauchdecke und ein Zucken lässt seinen Körper erbeben. Dieses ihm neue Implantat (obwohl er doch eigentlich seinen Bauplan auswendig kennt) scheint den Stromausfall zu bewirken, also greift Duane nach dem erreichbaren Taschenmesser, klappt die Ahle heraus (was sich in seinem Zustand als besonders kompliziert erweist) und durchstößt die Bauchdecke. Normalerweise würde ein internes System Enzyme ausschütten, die für Schmerzunempfindlichkeit gesorgt hätten, aber leider ist dieses ja derzeit inaktiv. Duane bleibt nichts anderes übrig, als sich unter Schmerzen mit der Ahle in den Eingeweiden herumzuwühlen, um den Wackelkontakt am Implantat zu beseitigen.

Andreas Eschbach
Geboren am 15.9.1959 in Ulm. Verheiratet, ein Sohn.
Studierte in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik, wechselte aber noch vor dem Abschluss in die EDV-Branche, arbeitete zunächst als Softwareentwickler und war von 1993 bis 1996 geschäftsführender Gesellschafter einer EDV-Beratungsfirma. Nach fast genau 25 Jahren in Stuttgart lebt er seit September 2003 mit seiner Frau in der Bretagne. Quelle: http://www.andreaseschbach.de/

Klar ist Duane Fitzgerald, der Ich-Erzähler des Romans, ein Cyborg – eine kybernetisch-organische Mixtur, fabriziert und entwickelt von amerikanischen Militärs, um als unbesiegbarer Steel-Man mit einigen Gleichartigen eine Sondereingreiftruppe zu bilden. Eschbach verknüpft intelligent die Zeitgeschehnisse mit seiner Geschichte. So wurde der erste Golfkrieg durch die USA nur so in die Länge gezogen, um die Steelmen rechtzeitig einsatzbereit zu machen – bis dato waren sie lediglich gut ausgebildete Marines mit einem künstlichen Arm. Erst als offensichtlich wurde, dass das Projekt nicht mit der nötigen Geschwindigkeit voranschritt, ging die Army zu der bekannten letzten Phase des Krieges über – ohne Steelmen.

Es ist ein absolut geheimes Projekt, über Jahre und mehrere Präsidentenlegislaturen hinweg in der Entwicklung. Ist es vorstellbar, dass sich so etwas – als Projekt, unabhängig vom Detail – durchführen lassen könnte bei den kleinlichen Differenzen verschiedener Machthaber? Eschbach stellt es dar, als habe das Militär seine eigene Forschung betrieben, bis schließlich Clinton die Einstellung anordnete.

Aus der Ich-Perspektive des Cyborgs, der mit Verschleißerscheinungen zu kämpfen hat, erhält die Geschichte trotz der typischen Verschwörung und der Horrorvision von unbesiegbaren Übermenschen einen humorvollen Schlag, denn seine Gedanken sind manchmal so natürlich und sprunghaft, dass man über seine Menschlichkeit lächelt und seinen Charakter sofort akzeptiert.

[…] stand da, wippte auf den Fersen und sah straßauf, straßab. Ich wurde unruhig, je länger es dauerte. Wie lange kann man schon an seinen Schuhen herumfummeln, ehe die Umwelt anfängt, das merkwürdig zu finden? […] Die Frau kam näher. […] Mit etwas Glück waren ihre Augen schlecht genug, dass ihr entging, dass ich Slipper trug […]
-Auszug aus „Der Letzte seiner Art“, S. 58

Es ist auch eine Art von Galgenhumor, die zwischen den Zeilen von Duanes Erzählung durchklingt. Eigentlich ist er natürlich völlig unzufrieden mit seinem Leben, andererseits fühlt er sich an seine Eide gebunden. Er sieht sich als menschliches Wrack, und durch den Verschleiß seines Systems erhält dieser Blickwinkel eine ganz neue, erschreckend reale Bedeutung. Die Geschichte nimmt eine Wendung, die für ihn entweder das endgültige Ende oder einen Neuanfang bedeuten könnte, doch damit einher gehen plötzlich auftretende Gefahren, die selbst für einen Steelman tödlich sein können – sind die Attentäter jetzt von den eigenen Leuten angeheuert oder vom Feind, der in den Besitz der Cyborgtechnik kommen will? Auf jeden Fall ist er gut über das Innenleben und die Möglichkeiten der Cyborgs informiert, so dass Duane nach und nach erfährt, wie seine Gleichartigen unauffällig ausgeschaltet wurden.

Zu diesem Zeitpunkt wird ihm klar, was wir schon länger befürchten: dass es um sein Leben geht, nicht nur um gewisse Annehmlichkeiten wie den frei gewählten Wohnort. Trotzdem wirken seine Gedanken (die eigentlich eine aufgeschriebene Erzählung darstellen, aber das erfahren wir erst später) manchmal in ihrer Analyse wie von einer außenstehenden Person, um dann wieder in das Innerste vorzudringen. Eschbach beginnt jedes Kapitel mit einem Zitat von Seneca, dessen Philosophie für Fitzgerald die einzige Möglichkeit darstellt, sein Schicksal zu ertragen. Er versucht, nach dieser Philosophie zu handeln und betrachtet dabei sein Bemühen skeptisch. Vor allem die Totalität des Endes fasziniert ihn, und so ist nicht verwunderlich, dass sich daraus eine Lösung für ihn selbst entwickelt.

„Der Letzte seiner Art“ ist eine Charakterstudie, die sich mit der ausweglosen Tragik eines Übermenschen befasst und in diesem Gewand ein heikles, gleichwohl sehr oft behandeltes Thema aufgreift. Was kann der Bürger schon von den Machenschaften und Projekten solcher Regierungen oder Militärs wissen? Auf der anderen Seite: Schürt man mit diesen Spekulationen nicht eine gewisse Furcht? In diesen Tagen vielleicht gar nicht so unsinnig.

Der Roman fließt ruhig dahin, unter einer stetigen Spannungssteigerung. Aber Eschbach zeigt trotzdem seine vielfältigen Künste, denn das Tempo erhöht sich schlagartig um ein Vielfaches, als der Cyborg sein System voll aktiviert (und damit schneller als jede menschliche Reaktion agieren kann). Danach fällt es wieder ab und lässt uns unseren Herzschlag beruhigen, um weiter dem Finale entgegenzustreben. Ein düsterer, philosophischer, sehr unterhaltsamer und eindringlicher Roman.

Andreas Eschbach – Die seltene Gabe

Als Science-Fiction-Leser kommt man ja kaum an paranormal begabten Wesen vorbei, seien sie nun als „positive Mutanten“ oder als natürlich begabt beschrieben. Oft trifft man auch auf Außerirdische, die mit Gedankenkraft Dinge bewegen oder Gedanken lesen können. Prominentes und aktuelles Beispiel sind die Yedi und Sith der Star-Wars-Saga, wobei hier diese Fähigkeiten seit Episode I leider etwas entmystifiziert wurden.

In „Die seltene Gabe“ nimmt sich Andreas Eschbach dieses Themas an, indem ein junges Mädchen der heutigen Zeit eine Erfahrung der besonderen Art macht: Sie trifft im urlaubsleeren Haus ihrer Eltern auf einen jugendlichen Einbrecher, der scheinbar von der ganzen Polizei der Stadt gesucht wird. Und dabei ist er ganz normal – bis auf seine unglaubliche Fähigkeit. Er bezeichnet sich als Telekinet, der parawissenschaftliche Ausdruck für jemanden, der Materie kraft seines Willens bewegen kann. Und er ist auf der Flucht vor französischen Militärwissenschaftlern, die ihre Forschungen an ihm betreiben wollen. Ein Fluchtweg bietet sich: Mit Marie als Geisel und mit verändertem Aussehen geht es an den Streifen vorbei, die bisher nach nur einer Person fahnden. Aber um die Ecke steht ein alter Bekannter: ein Telepath, der die Polizei mit seiner Gedankenleserkraft unterstützt!

Informationen zu Andreas Eschbach finden sich auf seiner Seite http://www.andreaseschbach.de/

Man wird langsam an die Probleme, die diese Andersartigkeit hervorruft, herangeführt; Eschbach versucht nicht, in einem kompakten Abschnitt alles zu erklären. So versteht mit uns als Leser auch die Ich-Erzählerin Marie erst durch ihre Erlebnisse, was den Jungen Armand eigentlich zum Außenseiter macht und wie er damit klarkommt. Gleichzeitig hegt das Mädchen geheime Sympathien für ihn, die durch „ihre“ Erzählung auf den Leser übertragen werden – Eschbach bearbeitet so eine Seite des Themas „Xenophobie“, ohne dass die Botschaft, tiefgründig zu verstehen und nicht vorschnell zu urteilen, plakativ ins Bewusstsein gedrängt wird. Vordergründig erzählt er eine spannende Geschichte, eine Verfolgungsjagd aus der Sicht der jugendlichen Verfolgten und von den zwischenmenschlichen Spannungen, die sich aufbauen, eskalieren – und schließlich zusammenschweißen.

Der Erzählton ist sehr überzeugend, hier erzählt eine etwa Siebenzehnjährige von einem unglaublichen Erlebnis, aber die potenziellen Leser sind schon etwas älter als diejenigen des „Marsprojekts“. Die dortigen wirklich sehr leichten Andeutungen zwischengeschlechtlicher Beziehungen beispielsweise beschränken sich auf Begebenheiten wie das Treffen Gleichaltriger; im vorliegenden Roman wird Eschbach schon konkreter, ohne ins Detail zu gehen. Im Endeffekt wird der Leser auch im Unklaren gelassen, ob die beiden nun „was hatten“ oder nicht. Mit Maries Worten: Das geht uns überhaupt nichts an!

Bei einer Verfolgungsjagd darf natürlich nicht nur die Polizei mitspielen, sondern entsprechend der Wichtigkeit und bisherigen Geheimhaltung der „seltenen Gabe“ ziehen die Geheimdienste in Wirklichkeit die Fäden. Erstaunlich ist, dass Marie im Gegensatz zu gängigen Klischees nicht bei Strafandrohung verboten wird, von ihren Erlebnissen zu erzählen, im Gegenteil: Der deutsche Agent meint dazu nur, dass ihr niemand glauben wird. Würde ihr jemand glauben, in unserer beweissüchtigen Gesellschaft? Sicherlich gäbe es ein paar Astrologen und derartige Gruppen, die sich durch so einen Bericht bestätigt sehen würden. Aber Eschbach hat Recht, wenn er behauptet, man würde es als Fantasie abtun oder als Kunststück à la David Copperfield bewundern. Schade, dass nicht mehr Raum bleibt für unbekannte Phänomene.

Zum Schluss

… bleibt noch das Fazit: Ich würde das Buch sogar für den Deutschunterricht vorschlagen, denn Eschbach ist ein Phänomen der heutigen Unterhaltungsliteratur und diese Erzählung bietet zugleich spannende Unterhaltung und Ansatzpunkte für gesellschaftskritische Diskussionen. Aber bezüglich Deutschunterricht habe ich nichts zu sagen, also lege ich das Buch einfach jedem als Lektüre ans Herz.