Andreas Eschbach – Der Nobelpreis

Bestsellerautor Andreas Eschbach – so nennen ihn Verlage und Fans gleichermaßen begeistert. Mit „Der Nobelpreis“ liegt der neueste Roman vor, der diesmal keinerlei Elemente aus Herrn Eschbachs Ursprungsgenre, der Science-Fiction enthält, sondern ein hochklassiger Thriller ist.

Über Andreas Eschbach gibt es viel zu sagen, aber vor allem zählt, dass er hervorragende Romane schreibt. Er ist gebürtiger Deutscher, wohnt aber seit einiger Zeit mit seiner Familie in der französischen Bretagne. Für seine Romane erhielt er regelmäßig Auszeichnungen, zuletzt schaffte er es mit seinem Romanerstling „Die Haarteppichknüpfer“ über den Großen Teich – die Amerikaner, sehr zurückhaltend, was die Übersetzung fremdsprachiger Romane angeht, veröffentlichten ihn als edlen Hardcover unter dem Titel „The Carpetmakers“.
Weitere Infos unter http://www.andreaseschbach.de.

Der Nobelpreis

Für Hans-Olof Andersson ist der Nobelpreis eine Institution, für deren Glaubwürdigkeit er alles tun würde. Er schlägt ein enormes Bestechungsgeld aus, als er als Mitglied des Nobelkomitees für Medizin für eine bestimmte Kandidatin stimmen soll (was er allerdings ohnehin beabsichtigt hatte). Der Nobelpreis käuflich? Unvorstellbar! Da greifen die Hintermänner der Bestechung zu einer anderen Maßnahme und entführen des Professors Tochter. Hans-Olof versteht diesen Angriff auf den Nobelpreis als unduldbaren Übergriff und geht zur Polizei. Wie er jedoch feststellen muss, ist ein Polizeibeamter direkt involviert – unmöglich kann er sich den Beamten anvertrauen. Bleibt als letzter Ausweg sein ungeliebter Schwager Gunnar Forsberg, der als Industriespion im Gefängnis sitzt.

Auf Bewährung bringt Olof ihn heraus und überträgt ihm die Suche nach seiner Tochter Christina. Hochprofessionell gelingen Gunnar nächtliche Besuche bei wichtigen Personen der verdächtigten Firma (Wer würde wohl am meisten vom manipulierten Nobelpreis profitieren? Doch wohl die Firma, bei der der Träger arbeitet!) und dort selbst, doch auf unglückliche Weise scheint die Polizei einen Riecher für ihn zu besitzen, so dass ihm oft nur knapp die Flucht gelingt. Über Christina lässt sich allerdings wenig herausfinden. Stattdessen kommt Gunnar einer ganz anderen Geschichte auf die Spur.

Für den Leser

Wie Herr Eschbach immer betont, ist auch dieser Roman wieder ganz anders als seine Vorgänger. Für die Geschichte ist ein wunderschöner erzählerischer Trick unabdinglich: Der Perspektivenwechsel zwischen Hans-Olof und Gunnar. Das kommt völlig überraschend und bewirkt außerdem eine Änderung in der Erzählung selbst und ihrem Stil. Man kann in ihrem Ton Teile der Lebenseinstellung der beiden Erzähler erkennen: Olofs gleichmäßige, etwas phlegmatische Stimme gegen Gunnars sprunghafte, aufmerksame und lebensfreudige. Dabei sind beide Personen sehr selbstüberzeugt und sehen Fehler nur bei Anderen, vor allem Gunnar fällt hier auf. Er macht natürlich alles richtig – bis er fast auf die Nase fällt, glaubt er auch daran.

Andreas Eschbachs Kreativität zeigt sich deutlich in einer Szene, in der Gunnar außergewöhnlich knapp der Polizei entkommt: In einer nächtlichen Arztpraxis ausweglos festsitzend, täuscht er den Beamten den Beischlaf mit einer populären Persönlichkeit vor und gibt sich selbst als Arzt aus. Entscheidendes Element ist für die Abwiegelung des Misstrauens der Männer der hastig versteckte, aber lang genug sichtbare triefende Penis des „Arztes“.

So überraschend eine derartige Beschreibung auch kommt, Herr Eschbach versteht sein Fach: Als Bühnenbildner, Regisseur und Schauspieler im Theater der Fantasie benutzt er alle Mittel, um seine Geschichte in die Vorstellung des Lesers zu transferieren.

Was außerdem macht diesen Roman so gut? Wahrscheinlich spielt auch die Technik eine große Rolle, die Flüssigkeit, der Spannungsaufbau, der sich durch die häufigen Rückschläge Gunnars manifestiert. Und Herr Eschbachs professionelle Recherche, denn wenn man den sachlichen Informationen zum Beispiel über den Nobelpreis glauben kann, offenbart sich zu einem großen Medienereignis dieser Monate ein toller „BILD“-Fehler: Der in Kalifornien hingerichtete Gangster. Ob diese Hinrichtung nun moralisch vertretbar oder abzulehnen ist, wurde an anderen Stellen diskutiert. Hier geht es um den Nobelpreis, für den der Gangster gleich mehrfach nominiert gewesen sein soll. Herr Eschbachs Recherche ergab, dass diese Informationen unter Verschluss bleiben. Darauf ist auch ein wichtiger Handlungspunkt zurückzuführen, ohne den die Geschichte so nicht funktionieren würde. Künstlerische Freiheit von Herrn Eschbach oder mediale Fehlinformation? Leicht lässt sich auf Letzteres Tippen.

Die Geschichte lädt zum Miträtseln ein. So erscheint es doch plausibel, dass der vorbildliche Hans-Olof, der ja für die entsprechende Kandidatin stimmen wollte, durch den gescheiterten Erpressungsversuch dazu gebracht werden sollte, ihr seine Stimme zu verweigern. Aber wäre das sinnvoll? Herr Eschbach spinnt ein feines Netz aus falschen Fährten, die zum Teil extra für den Leser angelegt erscheinen, da sie von den Protagonisten missachtet werden, uns jedoch so deutlich vor Augen liegen. Schließlich kommt aber doch alles ganz anders.

Fazit: Andreas Eschbach sagte sinngemäß, wenn man noch ein Buch in diesem Jahr oder Jahrzehnt lesen wolle, solle man Wolfgang Jeschkes „Cusanus-Spiel“ lesen. Diese Aussage trifft weitaus eher auf den „Nobelpreis“, seinen eigenen neuen Roman zu. Das ist garantiertes Lesevergnügen für jedermann.

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