Schlagwort-Archive: zoran drvenkar

Zoran Drvenkar – Sorry

In einer Dienstleistungsgesellschaft wie der unsrigen kann man beinahe alles von anderen erledigen lassen. In Zoran Drvenkars Thriller „Sorry“ kommen vier junge Berliner auf die Idee, die Entschuldigung zur Dienstleistung werden zu lassen – mit unangenehmen Folgen für alle Beteiligten …

Kris, sein Bruder Wolf und die besten Freundinnen Tamara und Frauke kennen sich seit der gemeinsamen Schulzeit. Zehn Jahre danach ziehen sie Bilanz und müssen feststellen, dass die Träume ihrer Jugend sich in Luft aufgelöst haben. Trotz Studium oder Ausbildung haben die meisten von ihnen keinen Job. Während eines gemeinsamen Besäufnisses, bei dem sie über das Leben philosophieren, kommen sie auf die Idee, eine Agentur zu gründen, die sich für andere entschuldigt – auf Unternehmensebene.

Der Einfall scheint wahnwitzig, aber wider Erwarten funktioniert das Geschäft. Die Agentur namens „Sorry“ wird mit Aufträgen überhäuft. Eines Tages fährt Wolf zu einem Geschäftstermin und entdeckt in der Wohnung der Frau, bei der er sich im Auftrag eines Lars Meybachs entschuldigen soll, die Leiche der Bewohnerin. Sie wurde an die Wand genagelt und der Täter erwartet von den vieren, dass sie sich nicht nur bei der Toten entschuldigen, sondern sich auch um die Leiche kümmern. Er droht damit, ihren Familien etwas anzutun, sollten sie sich weigern, seine Befehle auszuführen. Was bleibt ihnen also anderes übrig? Eingeschüchtert machen sie sich daran, die Leiche der Frau zu vergraben, nicht ahnend, dass sie damit eine Kette schicksalhafter Ereignisse in Gang setzen …

Zoran Drvenkar hat ein selten gutes Buch geschrieben, in dem einfach alles stimmt. Das wird bereits auf den ersten Seiten ersichtlich. In kurzen Kapiteln wechseln sich unterschiedliche Abschnitte ab. Mal wird jemand direkt mit „Du“ angesprochen, dann folgt die Einführung der vier Hauptfiguren, zwischendurch finden sich immer wieder zeitlich nach vorne oder hinten verschobene Absätze, die anonym gehalten sind. Der Leser merkt schnell, dass in dem Buch einiges passieren wird, doch er versteht noch nicht, was. Das baut natürlich eine intensive Spannung auf, die ihn nicht mehr so schnell loslässt. Der Autor greift immer wieder vor, legt Irrwege, führt neue Personen ein – er spielt mit dem ganzen Repertoire der Spannungsliteratur und geht dabei weit über das hinaus, was ein normaler Thriller zu bieten hat.

Eine weitere wichtige Komponente von „Sorry“ sind die Personen und ihre Beziehungen untereinander. Darüber hinaus versucht Drvenkar, das Bild einer Generation zu zeichnen, der alle Möglichkeiten offenstehen und die sie trotzdem nicht nutzt. Dies gelingt ihm sehr gut. Kris, Wolf, Tamara und Frauke wirken, als kenne man sie persönlich. Sie besitzen Tiefe und einen eigenen Charakter. Sie sind sehr real gezeichnet und ihre Reaktionen auf die ungewöhnlichen Umstände in der Geschichte wirken glaubwürdig, wenn auch nicht immer moralisch korrekt. Doch hätte man selbst in einer solchen Situation anders gehandelt? „Sorry“ regt zum Nachdenken an; über Schuld, über den Tod – und über sich selbst.

Gekrönt wird das Ganze von einem grandiosen Schreibstil. Drvenkar benutzt wenige Worte, diese dafür aber treffsicher und eindringlich. Seine Beschreibungen sind sparsam gehalten, seine Sprache ist beinahe schon atmosphärisch, streckenweise düster. Er benutzt viel wörtliche Rede, gibt aber auch die Gedanken und Gefühle seiner Hauptpersonen wieder. Dabei wird er häufig schon philosophisch, doch er schweift nie zu sehr ab, sondern bleibt angenehm nah am Handlungsverlauf.

„Sorry“ besitzt eine wichtige Eigenschaft, die diesen Thriller herausragen lässt: Das Buch bringt den Leser zum Nachdenken. Der Berliner Autor Zoran Drvenkar versteht es, Themen wie Tod, Schuld und Unschuld so zu verpacken, dass daraus kein knochentrockener, moralischer Roman wird, sondern ein rasanter und spannender Thriller.

|ISBN-13: 978-3-550-08772-1
397 Seiten, Hardcover|
http://www.drvenkar.de
http://www.ullstein.de

_Zoran Drvenkar bei |Buchwurm.info|:_
[„Du bist zu schnell“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1084

Zoran Drvenkar – Du bist zu schnell

_Die Hintertür im Hirn_

Eines Nachts wacht Marek davon auf, dass seine Freundin Val ihn wachschüttelt. Sie erkennt ihn nicht und schreit ihn an: „Was hast du hier verloren? Was tust du in meinem Bett, du Penner? Los, verschwinde!“

Diese nächtliche Episode, verschieden farbige Pillen in ihrer Kosmetiktasche, die Tatsache, dass er fast nichts über ihre Vergangenheit weiß, all das macht Marek schon länger misstrauisch.
Eines Abends findet er Val völlig aufgelöst in ihrer Wohnung. Im Bad liegt zusammengekrümmt die Leiche ihrer Sandkastenfreundin Jenni. Am Spiegel steht mit ihrem Blut der Satz: „Wo bist du gewesen?“

Val leidet seit Jahren unter einer Psychose, die sie durch Medikamente im Griff zu haben scheint. Sie führt ein ganz normales Leben, doch wenn die Tür zur Psychose geöffnet ist, sieht Val die Welt in Zeitlupe, träge und schleichend. Daneben sieht sie einige wenige Menschen, die sich in normalem Tempo fortbewegen: die Schnellen. Von ihnen geht die Bedrohung aus. Doch sind sie bloß ein Hirngespinst oder gibt es sie wirklich? Val ist überzeugt, dass sie etwas gesehen hat, was sie nicht hätte sehen dürfen und nun dafür bestraft wird.

Val, Marek und Jennis Freund Theo erzählen ihre Version der Geschichte abwechselnd, in atemlosen Rückblenden. Der Wechsel der Erzählperspektiven macht einen Großteil der Spannung aus: Was ist wahr? Was ist Wahn? Und was ist eigentlich wirklich geschehen?

Trotz des blutigen Auftakts: Reißerische Szenen stehen in diesem psychologischen Thriller nicht im Mittelpunkt. Es geht vielmehr um Gefühle, die im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut gehen, um seelische Grausamkeit sich selbst und anderen gegenüber. Die Grenzen zwischen „Verrücktsein“ und so genannter Normalität sind hier fließend. Das ist das wirklich Schockierende daran.

Ein Buch, das man kaum aus der Hand legen kann. Und wenn man es schließlich fassungslos zuklappt, geht es einem noch lange nicht aus dem Kopf.

Zoran Drvenkar ist als Sohn kroatischer Einwanderer in Deutschland aufgewachsen und hat sich hierzulande schon als Kinder- und Jugendbuchautor einen Namen gemacht. „Du bist zu schnell“ ist seine erste Veröffentlichung, die sich ausschließlich an Erwachsene richtet.

Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 288 Seiten