Weinland, Manfred / Fickel, Florian – Vampira: Das Erwachen (Vampira 01)

Sinnlich-blutig: Erwachen der schönen Vampirjägerin

Lilith Eden ist ein Mischwesen, halb Mensch, halb Vampir. Zwei Welten sind in ihr vereint – der ewige Kampf zwischen Gut und Böse. Ihr Schicksal ist es, von den Menschen gefürchtet und von den Blutsaugern gejagt zu werden. So ist Vampira beides: einzige Hoffnung und ewiges Verderben – für beide Völker! (Verlagsinfo)

Das Mystery-Hörspiel wird vom Verlag ab 16 Jahren empfohlen.

Der Autor

Manfred Weinland, Jahrgang 1960, ist Schöpfer und Chefautor der aktuellen BASTEI-Science-Fiction-Heftserie |Bad Earth|, die am 29. April 2003 startete. Als Autor ist Manfred Weinland ein „alter Hase“. Schon 1977 verkaufte er seinen ersten Heftroman an den damaligen ZAUBERKREIS-Verlag. Es folgten bis zum heutigen Tag rund zweihundert Romanveröffentlichungen, als Taschenbuch, Paperback und Hardcover, unter eigenem Namen oder Pseudonym. Für die 1994 von ihm kreierte BASTEI-Serie Vampira war er nicht nur federführend für den durchgängigen roten Faden verantwortlich, sondern schrieb auch den Löwenanteil der Romane. (zitiert nach: www.ren-dhark.de, Stand: 2004)

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Buchbearbeitung und Regie lagen in den Händen von Florian Fickel. Die Vertonung erfolgte durch Joschi Kauffmann, der auf eigene Musik und die seines Kollegen Rainer Scheithauer zurückgriff. Man kann annehmen, dass aus dieser Quelle auch die zahlreiche Geräusche und Soundeffekte stammen. Das Ganze wurde produziert in den JK Studios, Stuttgart.

Die Rollen und ihre Sprecher:

Intro: Michael Habeck (Oliver Hardy; „Barney“; „Hampton“)
Erzähler: Christian Rode (Christopher Plummer; Michael Caine)
Vampira: Tina Haseney
Ihre Mutter: Joseline Gassen (Lena Olin; Stephanie Powers; Bette Midler; „Delenn“; „Sisko“)
Ihr Vater: Udo Schenk (Kevin Bacon; Ray Liotta; Gary Oldman; Ralph Fiennes)
Ihre Freundin Marsha als Greisin: Barbara Ratthey
Hora, Vampir: Klaus Höhne („Prof. Dumbledore“)
Hadrum, Obervampir: Santiago Ziesmer (Steve Buscemi; „Oz“)
Taxifahrer Nick: Willy Schneck
Harold, Vampiras Freund: Frank Stöckle
Landru, Obervampir: Bela B. Felsenheimer (|DIE ÄRZTE|)
Horrus, Vampir: Lars Rudolph
Außerdem: Michael Holz, Sabine Menne

Handlung

Das Vorwort faselt irgendetwas von wegen einer unsichtbaren Rasse namens |Die Götzen|. Wir können beruhigt sein: In den ersten beiden Episoden tauchen sie nicht auf, dafür aber umso mehr Vampire.

Dunkel war’s, der Mond schien helle … Vampira erwacht auf einem heimeligen Friedhof, wo die Gräber anscheinend nach ihr rufen. Leider hat die Gute keine Erinnerung daran, wie sie auf dieses gruftige Plätzchen geraten ist und muss sich nun eben so durchschlagen. Angetan ist sie mit einem zerrissenen Kleid – war sie in einem Kampf?

Blitze zucken, Donner grollt, ein Holzkreuz wird entflammt – böse Omen, die ein seltsames Wesen ankündigen, das sich lebhaft, nein, gierig für die Halsschlagader des Mädchens interessiert. Es liegt auf dem Boden, windet sich in Spasmen, gibt ein wildes Knurren von sich und greift das Mädchen an. Während das Wesen jedoch an ihrem Hals saugt, geht die Sonne auf. Es wird vom Licht verbrannt und zerfällt. Was von ihm übrig bleibt, sind ein Schlüsselbund und eine mit Australien-Dollars gefüllte Brieftasche. Auf einem Zettel steht die Adresse „Lilith Eden, Paddington Street 333“. Ist sie das, diese Lilith?

Kaum ist Lilith fortgegangen, um nach dem Haus zu suchen, taucht der Sippenälteste der Vampire von Sydney auf. Es ist Hadrum, uralt, unsichtbar und in der Nacht flugfähig. Lilith ahnt nicht, dass Hadrum ihren Vater auf dem Gewissen hat. Er schnappt sich einen jungen Totengräber und labt sich an seinem Blut.

Auch Lilith verspürt allmählich quälenden Durst – nach Blut. Sie vernascht den Taxifahrer Nick im Park, der vor dem Haus Paddington Street 333 steht. Gestärkt begibt sie sich in das grüne Labyrinth, welches das Grundstück umgibt. Seltsam: Die Türen und Fenster dieses Hauses sind Attrappen. Wie kommt man dann hinein? Wie durch ein Wunder kann sie eine der Türen problemlos passieren. Das Innere ist mit alten Möbeln eingerichtet. Die Bilder an den Wänden sind dreidimensional und wirken lebendig. Liliths Spiegelbild ist lediglich verschwommen, niemals scharf.

Sie erinnert sich: Dies war einmal ihr Elternhaus. Sie war 17, wollte aufs College und liebte den gleichaltrigen Harold. Doch beim Liebesspiel passierte etwas Schreckliches. Sie verwandelte sich, entwickelte Klauenhände und feine Tentakel, die sich in ihn bohrten …

In einem alten Bett liegt eine Greisin, die Lilith freundlich begrüßt. Sie heiße Marsha und sei ihre älteste Freundin, die sich um sie gekümmert habe, nachdem ihr Vater, ein Mensch, und ihre Mutter, eine Vampirin, gestorben waren. Die Botschaft ihrer Mutter, die Marsha ihr vor ihrem Ableben gibt, führt Lilith in den Keller. Dort steht ein Holzsarg auf einem Podest, darauf steht ihr eigener Name. Nachdem sie das rote Kleid, das darin liegt, angezogen hat, legt sie sich hinein. Sie träumt, sie erinnert sich …

Mein Eindruck

Die Figur der Vampira kann eine ehrwürdige Tradition vorweisen, und beim Googeln nach ihr findet sich jede Menge Bildmaterial: sexy, mal in Lack, mal in Leder, aber immer mit spitzen Beißerchen. Auf dieses Image stützt sich wohl auch Weinlands Romanserie. Sie befindet sich damit in Gesellschaft von „Geisterjägern“ à la John Sinclair, diversen Gespensterkrimis, der „Necroscope“-Serie Brian Lumleys und vielleicht sogar der erfolgreichen, preisgekrönten POE-Serie |Lübbe|s.

Doch die Hörbspiel-Inszenierung hat mit Tradition nichts am Hut und tut so, als erwachte Vampira wie am ersten Tag ihrer Existenz. Das scheint mir auch das angemessene Vorgehen zu sein, denn ein Hörer, der die Romane nicht kennt, wüsste sonst wenig mit der Hauptfigur anzufangen. Vielmehr kann er sich zusammen mit der Amnesiegeschädigten auf die Suche nach ihrer verlorenen Identität machen.

Die Prophezeiung

Bereits im ersten Teil der Serie erfahren wir (durch Liliths Träume) von der Prophezeiung, die Liliths Leben bestimmt. Von wem die Prophezeiung stammt, ist unklar, Hauptsache, Liliths Mutti weiß Bescheid. Das Töchterlein hat die hehre Aufgabe, die Vampire zu bekämpfen. Was etwas ironisch ist, wenn man bedenkt, dass Mutti auch eine aus dieser Rasse ist.

Aber welchen Grund hat sie, ihre blutsaugenden Zeitgenossen zu hassen und zu vernichten? Dies werden wir hoffentlich noch in späteren Episoden erfahren. Ein gewisser Obervampir namens Landru scheint dabei eine Rolle zu spielen. Möglicherweise wollte Liliths Mutter verhindern, dass Landru & Co. wieder ihre Herrschaft über die Menschen errichten, nachdem ihnen diese vor Jahrtausenden verloren ging. Warum Mütterchen drei Tage nach Vampiras Geburt den Löffel abgeben muss, wird ebenfalls nicht erklärt. Schuld kann bloß die Prophezeiung sein.

Die Auserwählte

She’s the One! Lilith-Vampira ist wie Neo in „The Matrix“ auserwählt, und nach 98 Jahren Dornröschenschlaf wird sie von Marsha geweckt, die endlich das Zeitliche segnen will. Doch dies geschieht zwei Jahre vor der Zeit, die geweissagt wurde. Folglich ist Lilith noch ein wenig zu schwach. Sie ist nicht unbesiegbar. Das macht ihren Kampf gegen die Blutsaugersippschaft erst richtig interessant. Mit einer Superwoman ist alles nur halb so lustig.

Equipment

Doch wie einer der Marvel-Superhelden klassischen Zuschnitts verfügt Lilith über innere Fähigkeiten, die sie weit über das jämmerliche Level eines Menschen hinausheben. Sie ist Telepathin und offenbar auch telekinetisch begabt. Obendrein vermag sie Tentakel zu entwickeln und daraus ein Gift abzusondern, das Vampiren den Garaus macht. Von ihren ausfahrbaren Beißerchen brauchen wir gar nicht zu reden – das gehört zur Standardausstattung. Dass sie selbstredend wunderschön, sexy und gefährlich ist, versteht sich von selbst.

Sonderausstattung

Sie mag zwar eine Waise sein, doch Mutti hat ihr ein wertvolles Erbstück hinterlassen: ihr rotes Kleid. Es scheint seinen eigenen Willen zu haben und ist definitiv lebendig. Wie mit kleinen Zähnen heftet es sich erst schmerzhaft an Liliths Astralkörper, dann aber vergeht der Schmerz und das Kleid kann zeigen, was es draufhat. Es ist dem Willen seiner Trägerin unterworfen und passt sich ihr optimal an. Im Notfall stülpt es sich über den Kopf eines Gegners und verschlingt ihn, bis nichts mehr von ihm übrig ist. (Bemerkenswerterweise sind ihre Gegner stets männlich, ebenso wie ihre Opfer.)

Verborgene Sinnlichkeit

Lilith war laut Genesis die erste Frau Adams, des ersten Mannes. Weil sie ihm nicht genehm war (von Kindern wird nichts erwähnt), verstieß er sie und nahm Eva zur Frau, die ihm bekanntlich Kain und Abel gebar. Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts wurde Lilith zum Inbegriff verruchter Weiblichkeit. George MacDonald schrieb sogar einen schönen Fantasyroman über „Lilith“, der vor Urzeiten mal von Klett-Cotta veröffentlicht wurde und heute wahrscheinlich ein gesuchtes Sammlerobjekt ist.

Was es genau ist, das Lilith so sexy macht, wird nie verraten. Okay, sie ist jung, schön und voll „wundertätigen“ Blutes, wie die Vampire glauben. Aber weder hat sie „sündige“ Gedanken noch spürt sie einen besonderen „Trieb“, der sie zur Kopulation treiben würde. Sie hat eben das zu tun, was ihre Erfinder sich wünschen. Das ist schade, denn dadurch wird sie zu einem Abziehbild herabgewürdigt. Dieses Image entspricht der Formel: Sex mit ihr bringt den Tod – oder doch zumindest Lebensgefahr. Auf diese Weise wird sie zu einer Verkörperung der Großen Mutter (Kybele, Astarte, Astoreth, die Morrigan usw.), der zu begegnen für Männer meist nicht besonders angenehm sein soll. Am besten opfert mann ihr, um sie zu besänftigen. Dementsprechend opfern die Menschenmänner jede Menge: ihr Blut. Von ihrem Sperma ist meist keine Rede.

Der Weg der Heldin

Doch Liliths Weg als Heldin ist vorgezeichnet, denn es folgt einem uralten Muster, das Joseph Campbell in seiner Untersuchung „Der Held in tausend Gestalten“ (The hero of a thousand faces) aufgezeigt hat. Die erste Bedingung hat Lilith wie unzählige Helden und Heldinnen vor ihr erfüllt: Sie ist Waise, verfügt über besondere Kräfte und hat eine prophezeite Bestimmung. Was sie als nächstes braucht, sind Gefährten.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Ähnlich wie die bisherigen „Geisterjäger“-Hörspiele von Oliver Döring ist auch dieses Hörspiel aufgezogen, nur eben etwas weniger aufwendig. Musik und Geräusche sind professionell eingesetzt. Nur die Sprecher sind in der Mehrzahl weniger bekannt. Es gibt aber Ausnahmen. Joseline Gassen beispielsweise hat bei |Lübbe Audio| schon mehrere Hörbücher besprochen, meistens Frauenschicksale. Udo Schenk ist die Synchronstimme von Kevin Bacon, und Christian Rode, der Erzähler, ist die Synchronstimme von Christopher Pummer und vielen TV-Serienstars. Die Stimme der Heldin, die Tina Haseney gehört, hat mir nicht so gut gefallen, aber das lag weniger an ihrem Tonfall als an den geistlosen Zeilen Text, die sie zu sprechen hatte.

Recht interessant sind die Soundeffekte. Wie jedes Horrorhörspiel steht und fällt der Gesamteindruck mit dem Einsatz von Musik, Geräuschen und Effekten. Spielt alles sauber zusammen und gibt es keinen Sound-Brei, dann ist das schon die halbe Miete, was den Erfolg beim Hörer anbelangt. Durch den Einsatz von Effekten kann man den Soundtrack aufwerten, ihn aber auch überladen, deshalb ist die richtige Dosierung entscheidend.

An einer Stelle erklingt ein Wiegenlied: „Schlaf, Kindlein, schlaf …“, während im Vordergrund eine Figur zu sprechen anfängt, bis ein Klirren das Zerschmettern eines Spiegels andeutet. Danach setzt das Instrument Glockenspiel ein, um einen weiteren Übergang einzuleiten. Diese Stelle ist recht komplex und von Übergängen gekennzeichnet. Alle Tracks sauber zu trennen, kann ganz schön haarig werden.

An einer anderen Stelle wird der Stereoton der Aufnahme sehr schön ausgenutzt. Die Treppe in Liliths Haus ist ganz schön groß, und wenn sie auf dem linken Kanal hinunterrennt, endet sie auf dem rechten Kanal. Wer’s nicht glaubt, soll die Stelle mal testen. Wenn kein Stereoton erklingt, ist die Anlage Schrott.

Auf Hall und Echo haben die Soundmixer meist verzichtet, dafür setzen sie aber großzügig Donner, Blitze, Rumpeln und Knurren ein, also alles, was irgendwie Angst erzeugt. In einem Horrorstück dürfen natürlich auch die allfälligen Glockenschläge nicht fehlen.

Unterm Strich

Die neue Hörspielreihe ist meines Erachtens für Mädchen und Jungen gleichermaßen interessant – ab 16 Jahren, versteht sich. Mädchen können sich mit der Lage der jungen Lilith Eden identifiziert und sozusagen mit ihr als einer Superheldin wachsen und Abenteuer erleben. Erbaulich ist auch der Umstand, dass Liliths Opfer stets Männer sind, und meist recht hilflose oder geistig minderbemittelte Exemplare. Vampira, der Sozialdarwinismus auf zwei sexy Beinen.

Für Männer hält Lilith jede Menge Schauwerte bereit. Immer wieder wird ihr anfängliches Kleid zerrissen, bis man sich wundert, dass sie immer noch nicht nackig durch die Straßen Sydneys stolpert. Bemerkenswert ist jedoch, dass ihre Nacktheit keineswegs beschrieben, also behauptet wird. Dass sie entblößt ist, muss sich die Vorstellungskraft des Zuhörers schon selbst herbeizaubern. Gleiches gilt für ihre Geschlechtsgenossin Esha im 2. Teil.

Für Erwachsene hält die Serie herzlich wenig Unterhaltungswerte bereit. Dafür sind die Figuren und die Dialoge zu unausgereift. Mit Lumleys „Necroscope“ können sie schon gleich gar nicht mithalten – wollen es aber auch wohl auch nicht. Alles in allem ist eben die Hörspielserie die akustische Entsprechung zu einem Heftchenroman. Die Produzenten können lediglich versuchen, diesem dürften Gerüst ein möglichst schönes Mäntelchen umzuhängen. „Vampira“ ist ein schönes Kind, schon klar. Aber man sollte ihr keine Mathematikaufgaben stellen.

67 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 9783785731710

www.luebbe-audio.de

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