Gaudin, Jean-Charles / Danard, Jean-Paul – Marlysa (Band 6): Die Lebensfrau

_Story_

Nach den harten Prüfungen auf der ‚anderen Seite‘ reist Marlysa durch ihre Welt und hält sich durch die Teilnahme an Turnierkämpfen über Wasser. Eines Tages entdeckt sie auf dem Weg eine Kutsche, die von den Männern des Grafen von Arkon angegriffen wird. Kurzerhand steigt die maskierte Lanzenreiterin in den Kampf ein und rettet eine ältere Frau, die mit der Kutsche gereist ist. In Campion angekommen, steht Marlysa das nächste Turnier bevor; doch noch während sie gegen den korrupten Marquis kämpft, tauchen die Reiter von Arkon ein weiteres Mal auf, um auch die kürzlich gerettete alte Dame zu töten. Mit Hilfe eines Druiden gelingt den beiden die Flucht und damit auch der Anfang einer neuen Reise, die von einer legendären Prophezeiung begleitet wird. Jene Frau, die Marlysa in der Kutsche gerettet hat, ist die lange gesuchte Lebensfrau, die nach ihrem Erscheinen genau sechs Tage leben soll und dabei von Minute zu Minute jünger wird. Am sechsten Tag soll sie als Säugling einem Wasserfall übergeben werden, um so den Untergang Arkons und den ersehnten Frieden zu bewirken. Doch die Männer des Grafen sind unerbittlich und scheuen in ihrer kompromisslosen Jagd vor keiner Brutalität zurück …

_Meine Meinung_

Mit „Marlysa“ hat der |Splitter|-Verlag nun eine weitere französische Serie mit ins Programm aufgenommen, dieses Mal allerdings eine, die bereits seit einiger Zeit sehr erfolgreich angelaufen ist. Der erste, insgesamt fünfteilige Zyklus der Fantasy-Reihe von Jean-Charles Gaudin wurde noch über |Carlsen| Comics veröffentlicht, bevor sich der neue |Splitter|-Verlag des Themas annahm und ihn nun mit diesem wunderbaren ersten Hardcover-Album ins Rennen schickte.

Es handelt sich bei „Marlysa“ dabei um keine durchgängige Serie, sondern um einzelne, abgeschlossene Episoden, in die man jederzeit einsteigen kann. Allerdings empfiehlt es sich natürlich, einiges an Hintergrundwissen über die ersten Ausgaben der Reihe zu sammeln, schließlich werden hier einige vergangene Ereignisse, zum Beispiel die Ursache für Marlysas Maske oder die Abenteuer auf der anderen Seite, nicht näher beleuchtet. Nur in einer kurzen Szene, in der Marlysa ihren Kontrahenten den verborgenen Teil ihres Gesichtes zeigt – dies jedoch natürlich mit dem Rücken zum Leser – wird angedeutet, dass ihr Gesicht einst grässlich entstellt wurde. Doch für den Verlauf der neuen Geschichte mit dem Titel „Die Lebensfrau“ ist dies auch nicht von besonderer Relevanz.

Gaudin entführt seine Leser in eine mittelalterlich inspirierte Fantasy-Welt und dies mit einer spannenden, teils humorvollen, teils aber auch sehr emotionalen Erzählung, die erfrischenderweise gänzlich ohne Klischees auskommt. Sowohl die Titelfigur als auch ihre Begleiterin lassen sich in keine gängige Comichelden-Kategorie eingliedern und erfüllen zwei eher ungewöhnliche Rollen. Zumindest als Heldinnen sind sie erst einmal unscheinbar, wobei ihre Kontrahenten sich auch nicht gerade durch Intelligenz auszeichnen und aufgrund ihrer Auffassungsgabe kaum dazu in der Lage wären, einzuschätzen, mit welch gewieften Damen sie es zu tun haben. Und dennoch ist es nicht das übliche Spielchen Heldenfigur vs. Dummerchen-Garnison. Die fiesen Schergen des Grafen kennen kein Erbarmen und schrecken in ihrer Naivität auch nicht vor blutigen Attentaten und grausamen Erpressungen zurück. Allerdings ist die direkte Auseinandersetzung zwischen den beiden Seiten auch nicht der Kern des Comics. Viel interessanter ist nämlich der ständige Konflikt, den die Lebensfrau in ihrem kurzen Dasein mit sich selber austragen muss. Sie ist sich gar nicht sicher, ob sie ihrer Bestimmung folgen soll, denn dies würde gleichzeitig auch ihr vorzeitiges Ende und den Verzicht auf alle Vorzüge, die ihr besonders das Leben im jüngeren Erwachsenenalter beschert, bedeuten. Je weiter ihre Verjüngung voranschreitet, desto skeptischer betrachtet sie die vorbestimmte Zukunft und betrachtet ihr Schicksal aus zweierlei Perspektive. Doch im Grunde genommen hat sie keine Wahl, will sie ihre Freunde vor größerem Schaden und weiterem Ärger mit dem Grafen von Arkon bewahren.

Dies alles hat der Autor in eine spannende, wunderschön illustrierte Fantasy-Geschichte eingebunden und damit tadellos den neuen Zyklus um die maskierte Titelfigur begonnen. Das Debüt von „Marlysa“ beim |Splitter|-Verlag setzt mit derselben Überzeugungskraft genau dort an, wo die vorherigen fünf Bände aufgehört hatten: astreine französische Comic-Kunst mit sympathischen Charakteren und einer wunderbaren Rahmen- und Haupthandlung. Wäre schön, bald schon wieder mehr von Gaudin und der Maskenfrau zu hören!

http://www.splitter-verlag.de

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