Erika Mayr – Stadtbienen: Eine Großstadt- Die Imkerin erzählt

„Von Bienen, Blumen und Großstadtdächern“

Seit 1985 stehen die Bienen des Theaterdekorateurs Jean Paucton auf dem Dach seiner Arbeitsstätte der Pariser „Garnier Oper“; auch im Garten des Weißen Hauses in den USA oder der Londoner St. Pauls Kathedrale werden seit Jahren erfolgreich Bienen gehalten. Aber nicht nur in Frankreich, England oder den Staaten, sondern auch in Hamburg oder Berlin fliegt die Honigbiene „Apis Mellifera“ nicht mehr zufällig durch die Straßenschluchten. „Urban Beekeeping“ lautet der Trend, der längst auch nach Deutschland geschwappt ist und immer mehr Menschen in Großstädten für das alte Handwerk des Imkerns begeistert. Erika Mayr erzählt in ihrem Buch „Die Stadtbienen“ wie sie persönlich zu den Bienen fand und mit deren Hilfe in Berlin heimisch wurde.

Aufgewachsen auf dem Land kann sich die Autorin zunächst nicht vorstellen, in einer Stadt zu leben. Im Laufe ihrer Jugend mit Ausbildung zur Gärtnerin im Landschaftsbau und einem Gartenbaustudium pendelt sie immer wieder zwischen ländlich einsamen Orten und dem „Berliner Trubel“ ohne jedoch ihren Lebensmittelpunkt finden zu können. Das ändert sich, als sie Stephán kennenlernt, mit dem sie anschließend an einem Projekt für Bienenhaltung in Detroit arbeitet. Solchermaßen mit dem Imkervirus infiziert, dauert es nicht lange, bis sie von der Theorie in die Praxis wechseln möchte. Sie liest alles über Bienen, das ihr in die Hände fällt, und tritt schließlich einem Imkerverein in Berlin bei. Dort findet sie alte Hasen vom Fach, die ihr sowohl mit einem reichen Erfahrungsschatz als auch mit sachkundiger Anleitung bei ihren ersten Schritten ins Imkerleben zur Seite stehen. Ihr Pate Bernd vermittelt ihr dabei sein Wissen in der Praxis und schließlich erhält sie von ihm ihr erstes Volk, mit dem sie auf dem Dach eines Kreuzberger Hochhauses zu imkern beginnen kann. „Ich war fasziniert von der Fähigkeit meiner Bienen, sich innerhalb kürzester Zeit auf eine völlig neue Umgebung einstellen zu können. Während Bernd und ich den phantastischen Ausblick vom Dach genossen, schwirrten sie umher, und es kam mir vor, als würden sie sich neugierig umschauen, um sich dann an ihr neues Zuhause zu gewöhnen. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, wir hätten viel gemeinsam: Genau wie ich waren die Bienen dem Ort, an dem sie leben, eng verbunden, und doch gelang es ihnen immer wieder aufs Neue, sich einer veränderten Umgebung anzupassen und dort heimisch zu werden.“

Die folgenden fünf Jahre sind so erfüllt von neuen Eindrücken und einem permanenten Lernprozess, dass Erika Mayr ihrer Erlebnisse rund um die Bienen schriftlich festzuhalten beginnt. Aus jeder Seite ihres sehr persönlichen Buches „Die Stadtbienen“ klingt dabei die Begeisterung für die kleinen Wesen, die ohne es zu wissen mit ihrer Bestäubungsleistung, ihrem Honig und dem Bienenharz „Propolis“ viel Gutes für die Menschen tun, heraus. Während der Leser miterlebt wie das Volk der Autorin über das erste Jahr kommt, sich vermehrt, der erste Honig geerntet und die Biene vor Schädlingen geschützt wird, vermittelt sie in einfachen Worten Wissen über die Geschichte der Bienenhaltung, die Bienen an sich und natürlich das Imkerhandwerk. So gelingt es ihr, den Leser an ihrem eigenen Erleben nicht nur teilhaben, sondern auch mitwachsen zu lassen. Fotos im Innenteil, ein Glossar und Literaturangaben runden das Ganze ab.

Erika Mayrs Begeisterung wirkt ansteckend. So verwundert es nicht, dass sie bereits zur Vorsitzenden ihres Imkervereins aufgestiegen ist. Als junge Frau mit viel Elan zieht sie weitere junge Menschen an, die mit „neuen Ideen, einer Riesenbegeisterung und dem Verantwortungsbewusstsein, dass sie ihren Beitrag für ein großes Ganzes leisten frischen Wind in die Imkerszene bringen“. Dass diese es bitter nötig hat, wird ebenfalls in Mayrs Buch deutlich. Demnach ist die deutschlandweite Bestäubung heute schon nicht mehr gegeben, und da die meisten Imker bereits über siebzig Jahre alt sind, wird die Bienenhaltung in den nächsten Jahren dramatisch zurückgehen. Alles in allem ist „Die Stadtbienen“ also auch ein Buch, das mahnt und zugleich Wege für die Zukunft aufzeigen möchte.

Allerdings geht es Erika Mayr nicht allein um die Bienenhaltung, sondern sie versucht auch immer wieder die großen Zusammenhänge deutlich werden zu lassen. So berichtet sie davon, wie man über die Bienen mit Gleichgesinnten und Neugierigen in Kontakt kommen kann – etwa im Imkerverein – und auf diese Art und Weise sein soziales Netzwerk erweitert. Es geht ihr ebenfalls um den Erhalt der Pflanzenvielfalt für die Biene sowohl auf dem Land als auch in der Stadt und damit um nachhaltige Landwirtschaft und Gestaltung von Parkanlagen sowie ökologisches Bewusstsein. Die Erzeugung von Honig als lokales und natürliches Produkt hat ihr auch die Augen dafür geöffnet, was es heißt, wieder mehr im Rhythmus der Natur und der Jahreszeiten zu leben sowie auf hochwertige regionale Produkte zu setzen: „Ich könnte so biologisch einkaufen, wie ich will, aber bei Supermarktprodukten schlägt auch immer der Transportweg zu Buche. Ich kaufe lieber auf dem Markt ein. … Wir versuchen, je nach Jahreszeit zu essen. Tomaten nur im Sommer; Kartoffeln und Linsen im Winter. … Ich bevorzuge kleine Unternehmen, die mit dem Ort verbunden sind und wenn möglich auch Material aus dem Umfeld verwenden. … Wenn etwas kaputt ist, lasse ich es reparieren und kaufe nicht gleich das Nächste. Bei vielen Produkten habe ich mittlerweile die Leute kennengelernt, die sie herstellen. Ich finde, im Lokalen erkannt man viel mehr die Vielfalt und den Zauber als im Globalen.“ Damit ist „Die Stadtbienen“ auch ein Plädoyer für ein bewussteres Leben im Zeitalter der Globalisierung – lesenswert und inspirierend.

Taschenbuch: 248 Seiten
ISBN 978-3426785140
www.droemer-knaur.de