Isaac Asimov- Geliebter Roboter (Hörspiel)

Durchwachsene Auswahl eines SF-Stars

Das Hörbuch versammelt drei frühe Science-Fiction-Geschichten von Isaac Asimov. Robert Seibert liest sie in ungekürzter Fassung vor. Es handelt sich um die Neuausgabe des Hörbuchs aus dem Jahr 2000, als es noch 35,80 Mark kostete und nur auf MC angeboten wurde.

Der Autor

Altmeister Asimov (1920-1983) war in 45 Schaffensjahren nicht nur ein produktiver Autor von über 1600 Essays und über 500 Krimis, Sachbüchern und Science-Fiction-Romanen, sondern auch ein ausgezeichneter Herausgeber von Anthologien. Seinen literarischen Ruhm begründete er allerdings schon Ende der dreißiger, Anfang der vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts mit seinen Robotergeschichten. Er hat sie nicht erfunden, wie er selbst großzügig zugibt. Seine künstlichen Menschen gehorchen den (zunächst) drei Gesetzen der Robotik, die ihnen gebieten, Menschen zu gehorchen, ihnen aber verbieten, Menschen zu Schaden kommen zu lassen. Die Logik und die Probleme der praktischen Anwendung dieser drei Gesetze haben zahlreiche Facetten, und Asimov lotete sie in vielen Storys aus. Am bekanntesten ist die Verfilmung „Der 200-Jahre-Mann“ mit Robin Williams in der Titelrolle. Zuletzt wurde „I, Robot“ mit Will Smith verfilmt.

Der Sprecher: Zu Robert Seibert liegen keine biografischen Angaben vor.

Handlung von „Geliebter Roboter“ (Satisfaction Guaranteed, 1951)

Larry Belmont hat in ein Experiment eingewilligt, das noch gar nicht offiziell genehmigt worden ist: Die Firma von Dr. Susan Calvin erprobt bei ihm einen ihren neuen Roboter. Larry hat Claire, die kleine graue Maus, zuvor nicht gefragt und stellt sie vor vollendete Tatsachen. Dementsprechend ablehnend reagiert sie auf Tony, den künstlichen Menschen. Aber sie brauche sich keine Sorgen machen, es sei nur für 14 Tage. Und Dr. Calvin erklärt Claire die drei Robotikgesetze, die einem Roboter verbieten, einen Menschen zu Schaden kommen zu lassen. Allerdings wird Larry seine Frau mit Tony allein lassen, um in seiner Firma einen höheren Posten ergattern zu können. Er ist ein sozialer Aufsteiger und ist mit ihrer unbeholfenen Art unzufrieden. Da wäre Gladys Clefford schon etwas ganz anderes!

Dass Tony ihr das Frühstück ans Bett bringt, stürzt Claire zuerst in Verwirrung und dann in Panik. Sie schickt ihn weg. Das er über Nacht – Maschinen schlafen nie – ihre Küche aufgeräumt und die Möbel poliert hat, erzeugt in ihr das Gefühl, sie sei von nun an überflüssig. Doch Tony beruhigt sie: Sie sei ja kreativ und einfallsreich. Er unternimmt alles, damit sie sich besser und selbstbewusster fühlt: Haarschnitt, Kleidung, Make-up. Das Tüpfelchen auf dem i ist eine komplett neue Innendekoration ihrer Wohnung. Und hier soll sie eine Party schmeißen? Tony sagt ja, und so wird es gemacht.

Als Larry zurückkehrt, wundert nicht nur er sich über seine Frau, sondern auch seine Nachbarn. Sie haben Claire in den Armen eines gut aussehenden jungen Mannes gesehen – wow! Was wird wohl Larry dazu sagen?

Mein Eindruck

Offenbar will Asimov auch dem weiblichen Geschlecht die Angst vor künstlichen Menschen nehmen. Sie sehen toll aus – siehe Jude Law als Gigolo Joe in „A.I.“ – und kümmern sich fürsorglich um ihre „Frauchen“. Dass dies aber auch zu Missverständnissen kann, dürfte wohl ebenso klar sein – nicht nur seitens der „Frauchen“, sondern auch in den Augen der eifersüchtigen und neidischen Nachbarn, die nicht so „verwöhnt“ werden. Claire verliebt sich in ihren Traum-Tony. Insofern ist „Geliebter Roboter“ sowohl romantische Komödie als auch soziale Satire.

Handlung von „Das Chronoskop“ (The dead past, 1956)

New York City im Jahr 2050. Dr. Arnold Potterly ist Professor für Alte Geschichte an jener Uni, wo auch Thaddäus Arriman als Dekan herrscht. Außerdem leitet Arriman das weltregierungseigene Institut für Chronoskopie, und in dieser Eigenschaft sucht Potterly ihn auf. Er will eine Zeitbetrachtung des alten Karthago durchführen, um alle die widerwärtigen Lügen zu widerlegen, die die Sieger, die ach so glorreichen Römer, über diese Handels- und Seefahrer verbreitet haben. Beispielsweise jene, dass die Karthager kleine Kinder ihrem Gott Moloch geopfert hätten. Arriman lehnt ab und Potterly geht.

Den Grund für die Ablehnung durch die Regierung, jegliche Arbeit an der Chronoskopie zu erlauben, macht er bald jedoch einem jungen Pysiker namens Jonas Foster klar, den er zufällig kennen gelernt hat. Niemand hat seit 50 Jahren, als Sterbinsky das Chronoskop erfand und ein Buch darüber veröffentlichte, darüber geschrieben. Das ist in der Tat sehr ungewöhnlich. Foster grübelt über den Grund nach und sucht Wissen, so etwa bei seinem Onkel Ralph Nemo, einem wissenschaftlichen Schriftsteller. Nemo warnt ihn, besorgt ihm aber Sterbinskys Buch: eine alte Mikrofilmkassette.

Foster entdeckt, dass Potterlys Frau Caroline seit 20 Jahren um ihre mit drei Jahren gestorbene Tochter Laurel trauert. Laurel starb bei einem Brand in der elterlichen Wohnung. Caroline bedrängt Foster, so ein verbotenes Gerät zu bauen, es ist ihr egal, aber sie will einen Blick auf ihr Kind werfen. Nur dies scheint ihr Hoffnung zu geben, und die Hoffnung lässt sie wieder aufleben. Foster, dadurch bewegt, lässt sich von Nemo bestimmte Bauteile und Geräte beschaffen und baut tatsächlich im Keller der Potterlys ein Chronoskop. Weil er seine Kenntnisse als Physiker nutzt, ist es viel kleiner als das der Regierung.

Doch die Demonstration seiner Funktionsfähigkeit endet in einem Desaster. Man kann erstens damit nur maximal 100 bis 120 Jahre in die Vergangenheit „schauen“, von Karthago kann also keine Rede sein. Doch Caroline pfeift auf Karthago, ihr genügen die 20 Jahre, die sie für einen Blick auf Laurel braucht. Ihr Mann nennt sie „einfältig“ und fürchtet, sie würde wahnsinnig werden und nur noch in der Vergangenheit leben wollen, versunken in den Anblick ihrer Tochter. Doch die Wahrheit verrät er Foster später: Er fürchtet, dass Caroline herausfinden könnte, wer die Schuld an jenem Brand hatte, durch den Laurel umkam: Es war er selbst, der eine Zigarette in Laurels Zimmer vergaß. Seitdem raucht er nicht mehr. Doch jetzt packt Potterly einen Spaten und haut die Maschine in Trümmer.

Aber es ist zu spät, um Foster noch zu stoppen. Obwohl Potterly und danach Arriman ihm schlimmste Konsequenzen für sein Leben androhen, wischt Foster die Einwände im Namen der Freiheit der Forschung beiseite. Zunächst. Arriman hat durch Chronoskopeinsatz herausgefunden, was Foster und Potterly getan haben, welche Geheimnisse sie verbergen und alle Unterlagen beschlagnahmt. Doch die Regierungsbehörden haben einen Mann übersehen: Ralph Nemo …

Mein Eindruck

Eine sehr lange Story, die Asimov hier ausbreitet, und leider wegen vieler und langer Dialoge nicht allzu unterhaltsam. Selbst das menschliche Anliegen einer trauernden Mutter muss zurückstehen – obwohl ihr Wunsch schließlich erfüllt wird.

Stark im Vordergrund steht die Frage nach der Freiheit der Forschung und ob es einen Fall gibt, in dem „geregelte Forschung“ (= unterdrückte) sinnvoll sein kann. Das Chronoskop soll Letzteres belegen. Denn wenn jeder in die Vergangenheit – also gestern, vor einer Stunde, oder vor einem Jahr – schauen kann, dann bedeutet dies das Ende der Privatsphäre. Ist das wünschens- oder erstrebenswert? „Willkommen im Goldfischglas“, sagt Arriman, bevor er geht. Ganz recht!

Aber warum eigentlich nicht? Schließlich hat sich der Mensch noch an jede Revolution seiner Lebensweise anpassen können. Romane wie „Das Licht anderer Tage“ von Bob Shaw und seine Quasi-Fortsetzung „Das Licht ferner Tage“ von Clarke/Baxter zeigen wesentlich deutlicher auf, ob der Mensch den Verlust der Privat- und Intimsphäre verkraften kann oder ob es nicht eine Kompensation gibt.

Handlung von „Die Träumer“ (Dreaming is a private thing, 1955)

Es ist ein schlechter Tag für Chester Weill, den Inhaber von Dreams Incorporated, aber er fängt gut an. Sein Scout Joe Dooley hat einen zehnjährigen Schuljungen gefunden, der ein potenzieller Träumer ist. Weill lässt Tommy Slutsky und seine Eltern kommen, testet den Jungen und überredet seine Eltern, einen Ausbildungsvertrag bei ihm zu unterschreiben statt bei der wachsenden Konkurrenz. So weit, so gut. Aus dem Jungen könnte einmal ein guter Träumer werden, der Millionen Menschen gute Träume zu bieten vermag.

Aber dann taucht ein Beamter vom Informationsministerium auf, der Ches einen Traum-Zylinder zum Überprüfen gibt. Ches tut Mr. Burn den Gefallen und teilt ihm sein Urteil mit: miserable Ware, keinesfalls von einem Profi-Träumer, und pornografisch obendrein. Woher kommt dieser Mist wohl? Mr Burn weiß es nicht, aber sein Ministerium, so droht er, könnte sich veranlasst sehen, solche Träume zu zensieren. Na, toll.

Nächster auf der Matte ist Weills Produzent und Vertriebsleiter Frank Bellinger. Dieser erzählt Horrorgeschichten: Die Konkurrenz von LustreThink baut einen Traumpalast nach dem anderen, in denen billige Konfektionsware angeboten wird. Und was gedenkt Dreams Inc. dagegen zu unternehmen? Vorerst noch nichts, sagt Weill, denn er setzt als ein Mann der ersten Stunde immer noch auf Qualitätsarbeit. Aber wenn er nicht mehr anders kann …

Letzter auf der Matte ist Weills bester Träumer Sherman Hillary. Obwohl Frank sagt, Hillary lasse in letzter Zeit nach, so ist Hillary immer noch besser als viele andere. Doch diesmal überrascht er Weill mit seiner Kündigung. Der Grund besteht darin, dass nicht mehr richtig lebt, sondern vor allem nur noch mit Träumen beschäftigt sei – sehr zum Leidwesen seiner Frau. Bei einem Abendessen hat er sich schrecklich blamiert, so dass es ihr peinlich war. Sarah will, dass er aufhört.

Null problemo, sagt Weill und zerreißt vor den Augen des verblüfften Frank Bellinger Hillarys Vertrag. Dieser dankt ihm und geht. Zu Bellinger jedoch sagt Weill, dass Hillary zurückkommen werde, denn alle müssen denken und daher müssen Leute wie Hillary träumen – immer.

Mein Eindruck

Dass künstliche Träume irgendwann einmal die Uralt-Technik von Fernsehen und Kino ablösen werden, ist schon länger bekannt. In der Cyberpunk-Bewegung Anfang der achtziger Jahre und vor allem in William Gibsons Roman „Neuromancer“ sowie in „The Matrix“ findet die Verschmelzung von Mensch und Maschine insofern statt, als künstliche Erlebnisse durch eine Schnittstelle direkt ins Gehirn gespeist werden können. Dass dies auch für Pornos zutreffen könnte, ist eine plausible Möglichkeit und wird als Vorstufe schon in unzähligen erotischen PC- und Konsolen-Spielen praktiziert. In Tad Williams’ Zyklus „Otherland“ streifen die Helden durch eben solche Traumpaläste virtueller Realitäten, wie sie Asimov 1956 vorausgesehen hat.

Aber er sieht auch voraus, dass Träumen eben keine „private Sache“ sein könnte, sondern auch die Sittenwächter auf den Plan rufen dürfte. Das „Informationsministerium“ klingt schwer nach „Großem Bruder“, und es liegt nahe, dass es erstens legale Traumzylinder in genehmigten Vertriebskanälen zensieren und überwachen wird und zweitens illegale Untergrund-Traumhersteller ebenso verfolgen wird, wie heute Drogenhändler verfolgt werden. Aus diesem Blickwinkel erscheint der O-Titel „Dreaming is a private thing“ als ironisch, denn die Ansicht, die darin ausgedrückt wird, dürfte schon bald hoffnungslos von gestern sein.

Der Sprecher

Robert Seibert liest ruhig und deutlich betonend, so dass man das meiste versteht, doch er liest zu schnell. Wenn es mal um ein wichtiges Wort geht, so hebt er es nicht durch eine Mikropause davor hervor (wie David Nathan es zum Beispiel tut), sondern versucht es durch Lautstärke hervorzuheben. Diese Sprechweise geht in der Regel auch gut, doch es gibt einen Haken, der nicht am Sprecher, sondern an der Technik liegt. Steigt die Lautstärke nämlich über einen bestimmten Pegel, so kommt es zu einem sehr kurzen Aussetzer, weil das Mikro überlastet ist. Dies passiert nicht nur einmal, sondern mehrmals. Der Aussetzer ist typisch für veraltete Technik und keine Empfehlung für dieses Hörbuch.

Unterm Strich

Diese Auswahl ist recht unterschiedlich und dürfte dadurch Schwierigkeiten haben, eine Fangemeinde zu finden. „Geliebter Roboter“ ist noch am zugänglichsten, denn das Problem ist nicht technischer oder gesellschaftlicher Natur, sondern psychologisch-emotionaler: Eine Frau verliebt sich in eine Maschine, gewinnt aber dabei nur für ihr Leben.

„Das Chronoskop“ ist das genaue Gegenteil davon. Die Möglichkeit, in die nahe oder ferne Vergangenheit zu „schauen“, wird von der Weltregierung offenbar seit fünfzig Jahren unterdrückt. Doch der Nutzen dieser geheimen Technik wird anhand einer trauernden Mutter deutlich gemacht: Sie könnte ihr verlorenes Kind wiedersehen. Während ihr Mann heuchlerisch und egoistisch die Technik sabotiert, verbietet der Vertreter der Weltregierung die wiedergefundene Technik einfach. Der Konflikt zwischen Gängelung und Befreiung der Wissenschaft artet jedoch bei Asimov in einen Wettstreit mit Argumenten aus, statt in eine unterhaltsame Handlung umgesetzt zu werden. Dies kann einschläfernd wirken.

Die letzte Story ist „Die Träumer“, und so mancher dürfte sich fragen, ob sie überhaupt eine Handlung hat. Vielmehr scheint es sich um eine Abfolge von Aspekten der neuen Technik des künstlichen Träumens zu handeln. Verschiedene Interessensvertreter stehen auf der Matte, sagen ihr Sprüchlein und verschwinden wieder, ohne dass sich das Geringste geändert hätte. Das ist nicht sonderlich zufrieden stellend. Und obendrein nicht unterhaltsam – typisch für den Asimov der fünfziger Jahre. Nach „Foundation“ schrieb er nichts mehr Aufregendes, bis Anfang der siebziger Jahre der Roman „Lunatico oder die nächste Welt“ veröffentlicht wurde, der ihm wieder hohe Auszeichnungen einbrachte. Asimov war vor „Foundation“ besser und einfallsreich, solange er für John W. Campbell schrieb.

Auch der Vortrag von Robert Seibert hat mich nicht vom Hocker gerissen, liest er doch in einem zeitlosen ruhigen Stil, der zwar deutlich zu verstehen ist, aber auch nicht gerade unterhaltsam wirkt. Durch technische Probleme mit einem alten Mikrofon kommt es vereinzelt zu Aussetzern an zu lauten Stellen – kein Qualitätszeugnis für diese Aufnahme. Einen Bonus gibt es durch den günstigen Preis von zehn Euro.

160 Minuten auf 2 CDs
Originaltitel: Earth is room enough, 1957