Bocquet, Jóse-Louis / Gefe, Andreas – Gesang der Generäle, Der

Der griechische Filmemacher Vassili, bekannt durch einige poltische Dokumentarfilme, mit denen er vor allem die rechte Opposition in seinem Lande anprangert, wird 1967 von der bitteren Realität eingeholt. Ein Militärputsch hat einen Machtwechsel in seiner hellenischen Heimat hervorgerufen und bewirkt, dass sich Menschen wie der kritische Regisseur in ihrem Land nicht mehr sicher fühlen können. Vassili lässt sich in Paris nieder und plant im Exil einen Spielfilm über die Missstände in Griechenland zu produzieren. Für die Rolle der Hauptdarstellerin hat er schnell die Sängerin und Schauspielerin Melina Mercouri gewonnen, eine Landsfrau Vassilis. Nun geht es gemeinsam mit seinem neuen Kollegen Jules an die Arbeit für das Projekt „Helikopter“. Doch gleichnamiger Film stürzt schon vor den Dreharbeiten ab – nicht etwa alleine wegen des brisanten politischen Inhalts, sondern wegen fehlender Antiamerikanismen. In kurzen Rückblicken erzählt der in Frankreich seither gefangene Filmemacher von seinem Schicksal im Exil und dem fehlgeschlagenen Filmprojekt.

_Meine Meinung_

„Der Gesang der Generäle“ ist mal ein gänzlich anderer Comic. Einmal ganz davon abgesehen, dass politische Themen in Comics (wenn überhaupt) zumeist recht oberflächlich am Rande behandelt wurden, ist die beklemmende Atmosphäre, die hier in der Luft liegt, ein absolutes Novum, gerade deshalb aber auch sehr interessant. Action-Fans sollten sich daher bereits im Vorfeld Gedanken machen, ob sich „Der Gesang der Generäle“ für sie lohnt, denn die dramatische Geschichte um den ausgewanderten Filmemacher Vassili erfordert eine weitaus gründlichere Auseinandersetzung als der normale Standard-Comic – wobei dies für beide Seiten bitte nicht als Vorwurf verstanden werden soll!

Wichtig für all dies ist jedoch auch eine kurze Aufarbeitung des geschichtlichen Hintergrunds, der jedoch schon relativ ausführlich im Anschluss an den Epilog dieses Comic-Romans beleuchtet wird. Seit Ende des zweiten Weltkriegs war die Lage auf der Halbinsel mehr als kritisch, so dass mehrere kleine Bürgerkriege das Land erschütterten. Und mit dem Tod des Königs nahmen die Dinge schließlich ihren Lauf, der Kommunismus konnte kaum noch gestoppt werden und schließlich, im Jahre 1967, folgte der erste Militärputsch, dessen Folgen noch jahrelang in Griechenland zu spüren waren.

Nun, dies alles auf knapp 70 Seiten Comic aufzuarbeiten, ist natürlich ein schier unmögliches Unterfangen; ein gewisses Hintergrundwissen ist also dringend vonnöten, um die Zusammenhänge besser zu verstehen. Doch sollte ein Comic nicht eigentlich nur unterhaltsam sein? Ja, richtig, das sollte es, und zweifelsohne bietet „Der Gesang der Generäle“ auch echt gute Unterhaltung, nur eben auf einem etwas anspruchsvolleren, intellektuellen Niveau.

Im Vordergrund der Story steht der alternativ eingestellte Vassili, ein Visionär sondergleichen, der in seinen bisherigen Werken noch nie ein Blatt vor den Mund genommen hat. Als treibende intellektuelle Kraft einer politischen Gegenbewegung hat er in den vergangenen Monaten und vor allem mit seinem letzten Film große Wellen losgetreten und sogar eine bekennende Anhängerschaft gewonnen, die seinen Mut und seinen Idealismus mit höchstem Respekt belohnte. Doch nun ist er selber machtlos und muss außerhalb der Heimat im Exil gegen Hürden kämpfen, die er alleine nicht besiegen kann. Alles würde er für die Kunst geben, doch es ist ihm nicht gegeben, sein wohl gewaltigstes Projekt, den Film „Helikopter“, zu produzieren, und dies wegen vergleichsweise lächerlicher Gründe.

In den Rückblicken erzählt Vassili von den Gräueln der Militärjunta, den wahnsinnigen Foltermethoden der Griechen (der Name „Helikopter“ hat zum Beispiel auch einen sehr grausamen Hintergrund) und den verbitterten Gefühlen der griechischen Menschen, die im Exil gefangen sind und in ihrer Heimat kein echtes Zuhause mehr haben. Dabei kommen Geschichten zutage, die absolut abschreckend sind, von Bocquet aber derart authentisch wiedergegeben werden, dass eine Aufarbeitung realistischer Begebenheiten gar nicht mal so unwahrscheinlich erscheint. Gerade die Geschichte einer jungen Frau, die für ihren Idealismus mit einem Leben im Rollstuhl bezahlen musste, geht einem unter die Haut, zeigt aber auf der anderen Seite auch das immer wieder durchblitzende Genie des Comicautors Jóse-Louis Bocquet. Er erweckt in diesem Buch eines der finstersten Kapitel der jüngeren europäischen Historie erneut zum Leben und versetzt einen tatsächlich in die Zeit der späten Sechziger, in der die ganze Welt von politischen Spannungen durchzogen war.

Unterstützt durch die fantastischen, der Atmosphäre vollkommen angepassten, dennoch aber gewöhnungsbedürftigen Zeichnungen ist so ein wahrhaft fabelhafter Comic entstanden, der trotz des unkonventionellen Materials eine vorbildiche Spannungskurven mit mehrfachen sehr überraschenden Wendungen aufweisen kann. Wer sich also schon vorher fragt, ob politische Geschichte und Comic fernab der zweifelhaften ‚Großereignisse‘ der Weltgeschichte miteinander harmonieren können, sollte sich hier schnellstens bedienen. Bocquet und sein Sidekick Andreas Gefe haben in „Der Gesang der Generäle“ astreine Arbeit geleistet, und dies in der Konstellation hoffentlich nicht zum letzten Mal!

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