Peter V. Brett – Das Lied der Dunkelheit

Wann verliert ein Schrecken an Bedeutung? Wie kann man die Angst besiegen, die einen fast lähmt und daran hindert, sich zu wehren? Stehen wir uns manchmal selbst im Weg? Kann es sein, dass das Sprichwort „Angriff ist die beste Verteidigung“ doch zutrifft?

Mut zu beweisen, auch wenn der Gegner oder das Hindernis übermächtig erscheint, kann dumm oder fahrlässig sein, vielleicht überstürzt, aber meistens nicht unbedingt sinnlos. Den Mut zu haben, für sich und andere die Dunkelheit zu bekämpfen und damit den Funken für ein kleines bisschen Hoffnung zu schlagen, aus dem ein reinigendes Feuer entstehen kann, ist beachtenswert. Sind Kinder und Jugendliche dabei mutiger als Erwachsene, weil sie die Angst (noch) nicht realisieren können?

Manchmal wächst man mit seinen Aufgaben und der Herausforderung und entdeckt charakterliche Eigenschaften an sich, die unerwartet an der Oberfläche auftauchen, sodass man sich selbst fragt: Warum nicht gleich so?

Der Autor Peter V. Brett erzählt in seinem Fantasy-Roman „Das Lied der Dunkelheit“ von einer Gefahr, einer lähmenden Angst und einem Jungen, der über sich hinauswächst. Auf mehrere Bände angelegt, soll dieses Epos so gewaltig sein wie [„Herr der Ringe“ 5487 (behauptet die Presse mal wieder). Der erste Teil „Das Lied der Dunkelheit“ ist im Frühjahr 2009 im Verlag |Heyne| erschienen.

Handlung

Die Dämonen der Nacht bedrohen die Menschen seit Jahrhunderten. Aus der Dunkelheit heraus brennen, zerstören und morden sie, so dass sich die Menschen hinter ihren angebrachten magischen Siegeln ängstlich zusammenkauern und den Sonnenaufgang herbeiflehen.

Es gibt verschiedene Dämonen, die alle an ihre Elemente gebunden sind, Wasser-, Feuer-, Erd- und Stein- sowie Flugdämonen scheinen überall zu sein, und nur die alten Bannzeichen wehren die fürchterlichen Angriffe ab. Die Menschen haben vergessen zu kämpfen, Angst und Furcht beherrschen ihr Leben und ihren Schlaf, längst in Vergessenheit geraten und verschollen sind die schützenden alten Kampfsymbole und Siegel.

Arlen lebt mit seiner Familie in einem kleinen Dorf, weit abseits der nächsten größeren Städte, die mit ihren mächtigen Siegeln weitaus größeren Schutz bieten. Der Junge ist neugierig und ein wenig vorlaut, doch trotz seiner jungen Jahre zeigt er Verantwortung und Mut.

Als bei einem Angriff der Dämonen seine Mutter schwer verletzt wird und diese mit Arlen und seinem Vater zu einer Heilerin aufbrechen, um ihr Leben zu retten, ist dies der Weg, der für immer seinem Leben eine neue Richtung geben wird. Arlens Mutter stirbt und er wendet sich von seinem Vater ab, der mehr Angst als Verantwortung vorlebt.

Er trifft auf einem Kurier, der zwischen den Städten und Dörfern Handel treibt und Botschaften überbringt. In seinem Haus findet der junge Mann eine neue Familie, aber trotzdem ist er noch ruhelos und voller Hass und Rache. Seine Ausbildung als Runenzeichner und später als Kurier formt Arlen, der immer auf der Suche nach dem verlorenen Wissen und den Kampfsiegeln ist, um der Herrschaft der Fürsten der Dunkelheit ein Ende zu setzen. Durch das Land reisend und alte Ruinen durchsuchend, findet Arlen nach und nach immer wieder Fragmente und Spuren kämpferischer Zeiten, als die Menschen sich frei entfalten und ohne Angst und Bedrohung leben konnten.

Sein einsamer Kampf verändert Arlen; für seine neuen Waffen, die er effektiv und wütend einsetzt, zahlt er einen hohen Preis. Sein Name wird zu einer Legende. Ist er vielleicht gemäß einer alten Prophezeiung „Der Erlöser“, der den Kampf aufnimmt und die Dämonen vernichten kann?

Zusammen mit einer Heilerin und einem Barden verteidigt er ein kleines Dorf inmitten des Waldes, und der junge Mann, der einst Arlen gewesen ist, motiviert die Einwohner dazu, zu den Waffen zu greifen und sich zur Wehr zu setzen. Kann Arlen nicht nur diesen Kampf, sondern auch den Krieg gewinnen?

Kritik

„Das Lied der Dunkelheit“, der Auftakt zu einer Trilogie, wird hoch gehandelt. Schon äußern sich erste Stimmen, die keinen Vergleich zu Tolkiens „Herr der Ringe“ scheuen. Die literarische Welt des Fantasygenres hat viele sehr gute und gute Autoren hervorgebracht, die mit ihren Romanen begeistern, aber dennoch keinem Vergleich zu „Der Herr der Ringe“ standhalten konnten.

„Das Lied der Dunkelheit“ ist in jedem Falle ein guter Fantasyroman, der überraschend gut, aber letztlich auch nicht mehr als durchschnittlich ist. In den drei Handlungssträngen, die in sich außerordentlich ausführlich sind, stellt uns Peter V. Brett seine Charaktere vor: Arlen, der aus Rache und Wut Erlösung sucht, ein Barde, dessen Musik die Dämonen verwirrt, und eine Heilerin, die ihr Talent widerstrebend entdeckt, aber ihr Schicksal würdevoll annimmt.

Auch wenn Arlen der Hauptprotagonist sein soll, so stiehlt die Heilerin ihm einfach die gesamte Show und stellt ihn ganz schnell in ihren Schatten. Ihre Figur ist auch die glaubwürdigste und vielschichtigste und überzeugt deutlich auch im inhaltlichen Spannungsaufbau. Da sich die Geschichte über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinzieht, kann man die Entwicklung der drei Helden deutlich beobachten, und auch hier hat die Heilerin auf der Zielgraden der Story einen deutlichen Vorsprung.

Vielleicht mag es sich in den nächsten Romanen anders verhalten und die Verteilung der Rollen wird anders sein, doch sind es unabhängig davon die Protagonisten, die dem Roman die Spannung geben, nicht die Kämpfe und Auseinandersetzungen mit den Dämonen der Nacht. Peter V. Brett gelingt es in seiner Geschichte bei dem Leser eine allgegenwärtige Furcht aufzubauen, mit einer Intensität, deren Wirkung langfristig anhält.

Auch ein philosophischer Gedanke macht sich im Lesen breit: Der Mensch steht in der Verantwortung, sein Schicksal in die Hand zu nehmen, Opfer zu bringen und nicht ohnmächtig zuzusehen, wie die Welt sich ohne ihn formt. Die eigene Angst zu besiegen und über sich hinaus zu wachsen, diesen Part findet man in allen drei Handlungssträngen immer wieder. Auch wenn die Story eher durchschnittlich und manchmal sehr vorhersehbar ist, so ist das Besondere an diesem Roman die detaillierte Konzeption der Protagonisten und der Stimmungslage.

Das Trio nimmt den Leser sehr schnell für sich ein. Diese Sympathie wird uns förmlich aufgezwungen, ohne in eine langweilige oder belehrende Phase abzudriften. Auch die Dämonen tragen ihren Teil dazu bei. Sie sind nicht einfach nur wilde Kreaturen, sondern verfügen über eine gewisse Intelligenz. Anfänglich erscheinen die Dämonen unbesiegbar und allmächtig, doch auch dies wird angemessen ausgearbeitet und erfährt eine entsprechende Entwicklung.

Das Tempo von „Das Lied der Dunkelheit“ ist nicht gerade rasant oder atemberaubend. Die ersten Kapitel ziehen sich erzählerisch etwas träge dahin, gewinnen aber dann ziemlich an Fahrt. Etwas störend empfand ich die drei Handlungsstränge, die jeder für sich aus der Perspektive der jeweiligen Person zu lang geraten sind. Etwas kürzere Einteilungen hätten den Roman abwechslungsreicher und ganz sicher spannender gemacht.

Fazit

„Das Lied der Dunkelheit“ ist (wie erwartet) mitnichten vergleichbar mit Tolkiens Werken. Dennoch handelt es sich um einen sehr soliden und mit vielen interessanten Ideen spannend umgesetzten Fantasy-Roman.

Wie bei Trilogien üblich, ist der erste Teil natürlich nicht der Höhepunkt, sondern eine prägende Einführung der Protagonisten und der eigentlichen Geschichte, die sich wahrscheinlich frühestens im zweiten Teil wuchtig entfalten wird. In jedem Fall wird der Leser wissen wollen, wie es weitergeht mit Arlen und seinen Freunden, denn zu guter letzt überrascht uns der Autor noch mit neuen Feinden, deren Gefährlichkeit vielleicht höher ist als die der Dämonen.

Das Lied wurde also gespielt, warten wir auf den Refrain und die Schlussakkorde, die sich schon vielversprechend andeuten.

Originaltitel: The Painted Man
Deutsche Übersetzung von Ingrid Herrmann-Nytko
797 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-453-52476-7
http://www.heyne.de

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