Dyachenko, Sergej & Marina – Jahrhundert der Hexen, Das

An schwarze Magie glaubten und glauben noch immer zahllose Menschen aus allen Regionen und Kulturen der Welt. Flüche, Hexereien und Verwünschungen gehören dabei unbezweifelbar der bösen Spielart der Magie an. Angst und Verunsicherung vor der Andersartigkeit der Frau gegenüber dem Mann spielt sicherlich auch eine tragende Rolle bei der Mythenbildung um das Hexenvolk, ebenso der in den menschlichen Urängsten verankerte Aberglaube sowie das Nichtverstehenkönnen oder -wollen der Naturelemente. Harsche Anfeindungen und Verfolgungen mit oftmals tödlichem Ausgang waren die Folge.

Im Bereich der Fantasy spielen Hexen und Zauberer stets eine tragende Rolle, mal zum Positiven hin, mal zum Negativen, und stellen stets eine Form der Bedrohung dar. Auch heute noch, in der von Wissenschaft und Technik durchdrungenen Welt ist der Glaube an bösartige Zauberei durch Hexen immer noch ein Thema.

Das Autorenehepaar Sergej und Marina Dyachenko aus Kiew hat zu Abwechslung einmal die Hexen in ihrem Roman „Das Jahrhundert der Hexen“ das Kommando übernehmen lassen.

_Inhalt_

In der ukrainischen Millionenstadt Wyshna geht die Angst um. Im Umland schützen mehrere Inquisitoren die Bürger vor bösen Hexen, die mit ihrer todbringenden Magie Angst und Schrecken über die Bevölkerung bringen wollen. In den Städten der Region gibt es seit dem Auftauchen der andersartigen Menschen mit magischen Fähigkeiten den gesetzlichen Zwang, sich als Hexe registrieren zu lassen; jegliche Weigerung bedeutet für die Hexe den Tod. Ebenso werden die Untoten eliminiert, welche die Lebenden mordlüstern verfolgen. Der Großinquisitor Klawdi, ebenfalls mit besonderen magischen Fähigkeiten ausgestattet, ist immer auf der Jagd nach potenziellen Hexen, die sich weigern, sich den Behörden zu stellen.

Es mehren sich die Gerüchte, dass die Ankunft der Großen Mutter, einer Ur-Hexe, unmittelbar bevorsteht und die Hexen sich in großer Erwartung zu einem Bund zusammenschließen, um die Herrschaft über die Menschen zu übernehmen. Klawdi versucht die Bedrohung mit allen Mitteln zu verhindern, und die Hexen, ob nun offiziell registriert oder nicht, werden deshalb gefoltert und getötet. Viele Hexen wählen lieber den Tod als ihre Geheimnisse oder andere ihrer Art zu verraten.

Bei einem Schulfreund, den Klawdi besucht, spürt er die Anwesenheit einer Hexe. Es ist die Verlobte des Sohnes seines alten Freundes, und Klawdi klärt die beiden über die Gefahr ihres Hexenwesens auf. Die junge Ywha weiß um ihre Andersartigkeit, aber sie will dies nicht wahrhaben, wollte es nie. Durch das Mal, das ihr nun aufzwungen wurde, sieht sie nur die Möglichkeit, sich von ihrem Verlobten zu trennen, um sich und ihn zu schützen.

Ywha ahnt nicht, welche unheimliche Macht in ihr schlummert, und doch wendet sie sich verzweifelt an Klawdi, der ihr Zuflucht und Schutz gewährt. Er will sie benutzen, um herauszufinden, wie die Bedrohung durch die Hexen aufzuhalten ist, denn die Situation zwischen Menschen und Hexen eskaliert immer mehr. Anschläge und Verwüstungen durch Hexen mehren sich, aber auch die Behörden gehen immer brutaler und rücksichtsloser vor. Folter und Tod sind schon längst legitimierte Möglichkeiten, um die Macht der Hexen zu brechen.

Die Regierung gerät immer mehr unter Druck, auch Nachbarländer melden vermehrte Gewaltbereitschaft durch die Gemeinschaft von Hexen. Die Zukunft der Menschheit steht auf dem Spiel, und es kommt zu einer apokalyptischen Schlacht …

_Kritik_

Seit [„Wächter der Nacht“ 1828 sind die russischen Autoren auf dem Vormarsch, vor allem im Genre der Fantasy. Ihr Stil ist ein gänzlich anderer als der ihrer westeuropäischen Kollegen, weniger ausschmückend und immer ein wenig skurril anmutend.

„Das Jahrhundert der Hexen“ ist in jedem Fall befremdlich. Fantasy in einer realen Welt, aber mit magischen Personen mag ohnehin etwas schwierig umzusetzen sein, aber das Autorenehepaar hat seiner Geschichte um die Hexen und Menschen davon unabhängig zu wenig Struktur und erklärende Nebenhandlungen spendiert. Zwar ist die Grundstory professionell aufgebaut, aber vieles erklärt sich dem Leser überhaupt nicht.

Zum Beispiel bleibt die Vorgeschichte der Hexen völlig im Dunklen, ebenso wie einige Aspekte ihres Lebens unter Beobachtung und mit Einschränkung durch die Behörden. Auch ihre Kräfte bleiben ein Mysterium und zum Ende des Romans hin mehren sich die Fragezeichen über dem Kopf des Lesers.

Selbst über die Eigenschaften der Inquisitoren, seien sie nun auch magisch oder nicht, erfährt der Leser nicht viel. Die Autoren konzentrieren sich einzig und allein auf die Handlung und den kommenden Showdown. Die Charaktere sind dabei ähnlich schwach konzipiert wie die Handlung. Über ihre Vergangenheit und ihre Beweggründe kann man nur Mutmaßungen anstellen. So wie sich das Ende darstellt, wird es auch keine erklärende Fortsetzung der Geschichte geben, denn inhaltlich gilt „Das Jahrhundert der Hexen“ als abgeschlossen.

Interessant fand ich allerdings die detailreiche Schilderung, was die Beschneidung der Grund- und Menschenrechte gegenüber den magischen Hexen anging. Hier erkennt man Parallelen zu realen totalitären Systemen, mit denen die Russen ebenso wie wir einige Erfahrungen aus der jüngeren Geschichte machen mussten.

Die Handlung bleibt zwar inhaltlich spannend und steigert sich, doch aufgrund der erwähnten Schwächen kann auch dies die Geschichte nicht retten. Der Unterhaltungswert bleibt auf der Strecke und kommt überhaupt nicht vorwärts, mit jeder neuen Situation gesellen sich mehr und mehr unbeantwortete Fragen hinzu. Zudem endet die Geschichte wirr und völlig unbefriedigend. Der Epilog ist scheinbar der Anfang und das Schicksal der Charaktere bleibt gänzlich offen.

_Fazit_

„Das Jahrhundert der Hexen“ ist in der Summe nicht empfehlenswert. Es gibt zu viele erzählerische Lücken und Schwachpunkte, die auch der straffe Spannungsbogen der Geschichte nicht auffangen kann. Insgesamt hat mich der Inhalt arg enttäuscht; der Klappentext wirkt reißerisch und spannend, aber meine darauf aufgebauten Erwartungen konnten die Autoren nicht erfüllen.

_Die Autoren_

Sergej Dyachenko, geboren 1945, und Marina Dyachenko, geboren 1968, stammen aus Russland und gehören neben Sergej Lukianenko zu den Stars der russischen Fantasy. Bevor sie sich aufs Schreiben verlegten, arbeitete Marina als Schauspielerin, Sergej als Psychologe. Ihre Romane und Erzählungen wurden in mehreren Sprachen übersetzt und mit vielen Preisen ausgezeichnet, unter anderem beim |EuroCon| in Glasgow in der Kategorie „Bester Autor“. Die Dyachenkos leben heute in Kiew, Ukraine.

|Originaltitel: Ved’min vek
Aus dem Russischen von Christiane Pöhlmann
440 Seiten, broschiert
ISBN-13: 978-3-492-26656-7|
http://www.piper-verlag.de

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