Eberle, Henrik / Uhl, Matthias (Hgg.) – Buch Hitler, Das

„Das Buch Hitler“! Der Titel des Buches ist schlicht und reißerisch, sein Erscheinungsjahr aufschlussreich. Ein Jahr nachdem der deutsche Film „Der Untergang“ in den Kinos erfolgreich war, erschien das vorliegende Buch auf dem Markt. Die zeitliche Nähe kann man gewiss auch für Zufall halten, jedoch erscheint dies wenig naheliegend, wenn man sich die Hintergründe des Buches vor Augen führt. Bei dem „Buch Hitler“ handelt es sich um eine editierte Version eines Geheimdossiers des sowjetischen Nachrichtendienstes NKWD aus dem Jahre 1948/49. Das Dossier wurde ursprünglich für den russischen Diktator Stalin verfasst, der sich von dem Bericht Aufschluss über seinen nationalsozialistischen Widersacher und die Umstände seines Todes erhoffte.

Über das 672 Seiten umfassende Buch lassen sich positive und negative Gesichtspunkte anführen. Zunächst einmal sollte grundlegend erwähnt werden, dass es sich bei dem Buch weitestgehend um eine Quellenedition handelt, was bedeutet, dass der Originaltext zwar ins Deutsche übersetzt wurde, allerdings noch immer den Charakter eines Berichtes hat. Es handelt sich hierbei also keineswegs um Lesestoff, der stilistisch interessant formuliert wurde. Dies ist ein Charakteristikum der Quelle und kann daher nicht negativ bewertet werden, jedoch muss dies dem interessierten Leser vor dem Kauf des Buches klar sein. Ein in diesem Zusammenhang positiver Gesichtspunkt ist das umfangreiche Vorwort von Horst Müller, der dem Leser gleich zu Beginn einen sehr informativen und fundierten Einblick in das Gesamtthema des Buches vermittelt. Ebenfalls positiv fällt der Anhang des Buches auf, der mit einem kommentierenden Nachwort der Herausgeber, einer extrem umfangreichen Zusammenstellung von Kurzbiographien von vielen der im Buch erwähnten Personen und einem brauchbaren Literatur- und Quellenverzeichnis aufwarten kann. Die Bebilderung des Buches ist zudem angemessen, sowohl in Umfang als auch in Bildauswahl. Es wurde weitestgehend auf die altbekannten und sich stetig wiederholenden Abbildungen verzichtet, die sich in so vielen Büchern über Hitler und das Dritte Reich finden. Den großen Kritikpunkt, um den man bei der Bewertung dieses Buches auch nicht herumkommt, formulieren die Herausgeber in ihrem Nachwort gewissermaßen selbst:

|“Die Offiziere des NKWD waren ideologisch geschulte Marxisten-Leninisten und hatten daher fest gefügte Ansichten, wie Geschichte zu interpretieren sei. Bei der Abfassung des Buches Hitler stützten sie sich auf Aussagen von Personen, die ihre Ideologie nicht teilten. Außerdem waren sie gezwungen, den Voyeurismus des Auftraggebers Stalin zu bedienen.“|

Hinzu kommt noch der Umstand, dass sich der Bericht vor allem auf zwei gefangen genommene SS-Offiziere, die aus dem näheren Umfeld Hitlers stammten, beruft. Aus dieser Gesamtkonstellation ergeben sich gleich mehrere Probleme. Zum einen sind Zeitzeugenberichte |per se| schon als extrem problematisch anzusehen, da sie nicht nur von einer übermäßigen Subjektivität durchzogen sein können, sondern zudem auch oftmals einfach historisch falsche oder verfälschende Angaben beinhalten. Der Wert von Zeitzeugenaussagen wird vor allem durch die grenzenlose Überbewertung in der Populärwissenschaft landläufig überschätzt. Zu diesem grundsätzlichen Problem mit Zeitzeugen gesellt sich noch die Tatsache, dass es sich bei den beiden Hauptquellen um SS-Offiziere in sowjetischer Gefangenschaft handelte. Die Zuverlässigkeit der Quellen wird in dieser Konstellation vor allem durch den Umstand der sowjetischen Gefangenschaft tendenziell untergraben. Darüber hinaus zeigte bereits das angeführte Zitat auf, dass auch die Offiziere des NKWD mit dem Bericht eine bestimmte Erwartungshaltung ihres Diktators befriedigen mussten. Die ebenfalls bereits erwähnte „ideologische Vorfärbung“ der verfassenden russischen Offiziere und die spätestens mit dem Untergang der Sowjetunion zu Recht ebenfalls untergegangene marxistisch-leninistischen Geschichtssicht vervollständigen das breite Spektrum an Zweifeln, die man an dem Quellenwert des „Buches Hitler“ hegen darf.

Mit einem Rückgriff auf meine einleitenden Sätze möchte ich nun die Besprechung dieses Buches beschließen. Ähnlich wie das zugrunde liegende Dossier den „Voyeurismus“ Stalins befriedigen sollte, scheint „Das Buch Hitler“ den Voyeurismus vieler Deutscher befriedigen zu wollen. Wenn in der Werbung die Devise „Sex sells!“ gilt, muss in der populärwissenschaftlichen „Geschichtsforschung“ wohl gelten: „Hitler sells!“

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