Hujer, Marc – Arnold Schwarzenegger – Die Biographie

_Was ist bloß_ in Marc Hujer gefahren? Der Autor der aktuellen autorisierten Schwarzenegger-Biographie begeht bereits auf den ersten Seiten seines kürzlich veröffentlichen Werkes künstlerischen Selbstmord, indem er das Objekt seines Interesses im Vorwort als Karikatur darstellt. Hujer beschreibt hier das schwarzeneggersche Treiben in seiner Motorrad-Gang, das Macho-Gehabe, welches selbst von der hohen politischen Verantwortung des derzeitigen Gouverneurs von Kalifornien nicht ad acta gelegt wurde, kommentiert den Aufstieg in die obersten Regionen des größten Staates der USA mit einigen abschätzigen Worten und betrachtet den sogenannten amerikanischen Traum mit dem entsprechenden Zynismus.

Schreibt hier etwa jemand, der mit Staat, Politik und Persönlichkeit in einer Tour abrechnen möchte? Mitnichten! Stattdessen versucht der Autor lediglich all das greifbar zu machen, wofür die lebendige Laufbahn des einstigen Muskelprotzes steht. Er analysiert Systeme und eigenwillige Strukturen, die Macht von Worten und außergewöhnlich gewöhnlichem Gebaren. Dabei produziert er das womöglich abstoßendste Bild eines weitestgehend komischen Helden, ist aber leidenschaftlich darum bemüht, Arnold Schwarzenegger ein Forum zu schaffen, in welchem die Fehlleistungen und Plattitüden eine Möglichkeit bekommen, von der Menschlichkeit und Besonnenheit einer Persönlichkeit kompensiert zu werden, die letzten Endes nicht ohne Grund dort rangiert, wo sie am heutigen Tage positioniert ist.

Und gerade dieser wirklich aufopferungsvoll recherchierte Kampf – und das ist diese Ausgabe in der Tat – für Schwarzeneggers Recht, einfach nur Schwarzenegger zu sein und sich eben nicht immer anpassen zu müssen bzw. unangepasst an die Macht zu kommen, ist in „Arnold Schwarzenegger – Die Biographie“ schlicht und einfach genial herausgearbeitet. Das macht diesen Titel selbst für diejenigen interessant, für die der vermeintliche Titelheld nichts weiter ist als das aufgeblasene Beispiel einer, grob betrachtet, kitschigen Seifenblase im noch kitschigeren Hollywood-Format. Schließlich ist Marc Hujer mit ähnlichen Gedanken an die Sache herangegangen, als er anno 2003 beschloss, dem Phänomen Schwarzenegger etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken …

_Hujer stützt sein Wissen_ hierbei auf zahlreiche literarische Quellen und Zeitzeugen aus dem Umfeld des exilierten Österreichers und baut vor allem die Geschichten über die Bodybuilder-Karriere und den rasanten Aufstieg in den weltweiten Muckibuden auf den Erfahrungen Dritter auf. Dennoch setzt er gerade in diesem Bereich Prioritäten und analysiert, wie der spätere Terminator nicht mit Hirn, aber mit eisernem Willen seine Ziele verfolgt und auch tatsächlich erreicht. Schwarzenegger ist stets dem Spott derjenigen ausgesetzt, die in ihm genau das sehen, was er unterm Strich für eine lange Zeit auch sein wird: Ein eindimensional denkender, plumper Dörfler, der seinen Verstand vorrangig hinter einem mächtigen Oberarmumfang versteckt hat und, das konnten eigentlich die wenigsten verstehen, trotzdem zu einem der extremsten Emporkömmlinge in der gesamten Medienlandschaft avancierte.

Es sind daher auch vor allem die Zeiten, in denen sich Schwarzenegger von Titel zu Titel hangelte, dabei seine voyeuristische Art in allen Zügen auslebte und den eigenartigsten Szene-Publikationen Interviews und Auskunft gab, die in dieser Biographie einen großen Stellenwert bekommen und damit vor allem die Hollywood-Episode quantitativ um ein Vielfaches übertrumpfen. Es ist gerade diese Zeit, die aus heutiger Sicht völlig absurd scheint und in den modernen Beschreibungen des westamerikanischen Gouverneurs zumeist ausgeblendet wird, da die Distanz zwischen dem, was war und ist, kaum mehr fassbar scheint.

Und es sind die harten Trainings, der steinharte Weg, die knallharte Disziplin, die Konzentration auf nichts anderes als das Wesentliche und der brutale Wille, nach oben zu kommen, die aus einer an für sich klassischen Erfolgsbiographie herausragen und wahrscheinlich selten so knallhart ausgeprägt sind wie bei jener Figur des Jahrgangs ’47. All das zu lesen, fordert wider Erwarten jedoch nicht den Proleten im Manne, der hier nach Selbstbestätigung sucht, denn hierzu geht Hujer viel zu kritisch mit seiner literarischen Figur um. Es ist vielmehr ein brillantes Portrait eines sehr eigenwilligen, von seiner nicht immer leichten Jugend geprägten Menschen, der nie den Anspruch erhebt, Vorbild zu sein, sondern stattdessen immerzu kompromisslos seinen Weg geht, nur um sich und seiner selbst willen. Und, das weiß man vom heutigen Standpunkt her: Das hat Arnie definitiv geschafft!

_Das zweite große Kapitel_ dieser chronologisch angeordneten Biographie beschäftigt sich schließlich mit dem Politiker und Republikaner Schwarzenegger, jedoch auch hier nicht ohne auf die Fehltritte und naiven Leichtsinnsaktionen des Steirers einzugehen. Schwarzeneggers Niederlagen im Wahlkampf kommen ebenso ins Gespräch wie der leichtsinnige Feldzug gegen überzeugte Polit-Veteranen, die er seinen Filmrollen gleich aus dem Weg zu räumen versucht, dabei aber die Grundfeste der völkischen Politik Kaliforniens launisch und ohne den entsprechenden Background missachtet. Und auch hier wird Schwarzenegger in Hujers Text nicht bloß an seinen durchaus spürbaren Erfolgen gemessen, sondern in erster Linie an den radikalen Umbrüchen und seiner Überzeugung, überall noch größer und besser sein zu können – und das eben auch mit manch unangenehmem Hintertürchen!

_Zum Ende hin_ spannt der Autor schließlich den Bogen zu seinem gewagten Vorwort und bringt den Personenkult, der nach wie vor um Schwarzenegger betrieben wird, noch einmal auf den Punkt, allerdings mit einem völlig gewandelten Verständnis für das, was Schwarzenegger ist. Hujer hat begriffen, warum die Geschichte um den heutigen Gouverneur von Kalifornien mehr ist als bloß ein mediales Phänomen. Er hat sie haargenau gespürt und gelebt, die Atmosphäre um den einstigen Körpergiganten, seine Lebenseinstellung und seine immer noch konsequente und manchmal auch größenwahnsinnige Art. Und genau diese Erfahrung hat er dem Leser auch geschenkt und mit auf den Weg gegeben, dies eindrucksvoll erzählt und fantastisch aufgearbeitet.

Skepsis soll dennoch erlaubt sein, schließlich ist und bleibt diese Figur eine, die die Gemüter auseinandertreibt und in vielen Belangen polarisiert. Aber was eigentlich viel wichtiger ist: Es lohnt, über sie nachzudenken und sich ihre Biographie anzusehen. So gewöhnlich sie eigentlich ist, so außergewöhnlich wirkt sie in der Inszenierung von Marc Hujer. Insofern ist die Empfehlung ein verdientes Lob für sechs Jahre harte Arbeit und aufopferungsvolle Recherche. Vielleicht auch, weil Biographien über Personen, deren zwiespältiger Charakter nicht zwingend ansprechend ist, oftmals die besten sind …

|Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
ISBN-13: 978-3421044051|
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