Marni, Nicola – Tallinn-Verschwörung, Die

Dass in der christlichen Religion die Predigt der Toleranz und Nächstenliebe allzu oft nur Worte aus Schall und Rauch produziert, wissen wir leider nicht erst seit den blutigen Religionskriegen Europas. Gläubige Männer des Islams wiederum rufen noch heute in regelmäßigen Abständen zum heiligen Krieg auf, und auch Christen hegen weiterhin ihre unüberlegten Vorurteile gegen Menschen aus arabischen Staaten. Der christliche und der islamische Glaube gehören dabei zu den größten Weltreligionen und haben weiterhin bedeutenden Einfluss auf die Politik und die Wirtschaft zahlreicher Staaten.

Seit den Terroranschlägen vom 11.9.2001 und vermehrten Rufen nach einem heiligen Krieg (von beiden religiösen Strömungen ausgehend) haben sich die Fronten mehrmals verhärtet. Was würde passieren, wenn reaktionäre, rechte Kreise des Vatikans im Islam eine Bedrohung sähen, die es nicht nur durch Worte zu bekämpfen gilt? Auch wenn der Vatikan ein Kirchenstaat ist, so gibt es doch unterschiedliche Ansichten und politische Richtungen innerhalb der Kurie. Sieht man sich zurzeit die Krisenherde in der Welt an, so gewinnt man durchaus den Eindruck, dass die Christenheit erneut einen Kreuzzug gegen den Islam führt, wie dies die Bush-Regierung auch gern verbildlichte. Der nächste terroristische oder gar militärische Anschlag könnte einen Flächenbrand auslösen, der sich weltweit ausbreitet.

Das Autorenehepaar Ingrid Klocke und Elmar Wolrath, bekannter unter dem Pseudonym „Iny Lorentz“, hat unter dem Namen „Nicola Marni“ die „Die Tallinn-Verschwörung“, die sich um Verwicklungen rechtsradikaler Elemente mit Kardinälen aus dem kleinen Kirchenstaat dreht.

_Inhalt_

Andrea Kirschbaum, eine junge Assistenzärztin aus München, wird nach Dienstschluss beim Betreten ihres Wohnblocks von einem Priester und einer weiteren Person niedergeschlagen. Kaltblütig werfen sie die bewusstlose Frau von ihrem Balkon, um den Anschein zu erwecken, diese habe sich aus reiner beruflichen Überlastung heraus das Leben genommen. Der wahre Grund: Als unfreiwillige Zeugin einer geheimen Zusammenkunft stand sie Neonazis und Männern der Kirche im Weg.

Ihr Freund Torsten Renk, ein ehemaliger Bundeswehroffizier der zum [MAD]http://de.wikipedia.org/wiki/Amt__f%C3%BCr__den__Milit%C3%A4rischen__Abschirmdienst gewechselt und gerade aus Afghanistan gekommen ist, zweifelt die Polizeiangaben an und damit die Theorie, dass es sich beim Tod seiner Freundin um einen Freitod gehandelt haben soll. Er beginnt Fragen zu stellen und ermittelt geheimdienstlich, um die wahren Mörder aufzuspüren.

Er vermutet schnell, dass ein alter Bekannter aus seiner Bundeswehrzeit, der rechtsradikale Ansichten und Meinungen lauthals äußerte, etwas mit dem Tod von Andrea zu tun hatte, vielleicht einfach aus Rachsucht, schließlich ist es Renk zuzuschreiben, dass dieser entlassen wurde.

Zu gleichen Zeit im fernen Rom entdeckt die junge Studentin Graziella ein diabolisches Komplott. Ihr Onkel, ein Kardinal im kleinen Kirchenstaat, gehört einer Verschwörung an, die sich „Die Söhne des Hammers“ nennt. Dieser Geheimbund mit seinen rechtsradikalen Ansichten nimmt den Kampf gegen den islamischen Glauben auf, der für sie das „Böse“ darstellt. Der Vormarsch des Islams, gerade in Deutschland und Europa allgemein, soll verhindert werden. Der Beitritt der Türkei zur EU steht unmittelbar bevor, und der Islam hätte somit einen breiten Fuß in der Tür der christlichen Gemeinschaft der EU-Staaten. Auch Graziella, aufgerüttelt und schockiert, ermittelt auf eigene Faust und begibt sich damit in direkte Gefahr.

_Kritik_

Das Autorenduo entfaltet in „Die Tallinn-Verschwörung“ ein doch sehr unglaubwürdiges Szenario. Die zugrunde liegende Motivation, den Glauben an Gott und ein Leben für die Kirche zu kombinieren mit religiöser Verblendung und fanatischem Hass auf Ausländer, baut auf zwei Handlungssträngen auf, die in dieser Ausformung zu sehr der Logik widersprechen.

„Die Tallinn-Verschwörung“ ist stilistisch mehr als einfach gehalten und jegliche Klischee reichen hier einander die Hand. Weder ist die Handlung abwechslungsreich noch überrascht sie uns mit unerwarteten Wendungen, und wer hier zumindest eine interessante Stilistik erwartet, mit formschönen Dialogen, die interessant und unterhaltsam sind, der sollte dieses Buch gar nicht erst in die Hände nehmen.

Die Charaktere sind dabei ein Kapitel für sich. Torsten Renk als ermittelnder Einzelgänger mimt den Supermann und ist schlauer, gewitzter, stärker und klüger als alle anderen zusammen. Natürlich ermittelt er auf eigene Faust und natürlich sind seine Vorgesetzten zwar im Bilde, aber gebieten ihm keinen Einhalt, und natürlich fallen nur ihm einige Unregelmäßigkeiten am Tatort auf, wo hingegen langjährig erfahrene Kriminalbeamte keinen Gedanken daran verschwenden mögen. Torsten Renk ist die deutsche Antwort auf James Bond und ebenso heldenhaft überzeichnet wie der britische Geheimagent in seinen besten Jahren. Natürlich offenbart Renk sich selbst nur wenig, ist stets jedem anderen einen Schritt voraus und immer der harte Ermittler, der sein Ziel nicht aus den Augen verliert. An oberflächlichen Parolen, die seine Gedankengänge dann durchstreifen, fehlt es dabei auch nicht.

Und auch sein Gegenpart, der böse Neonazi, ist nur sein negative Spiegelbild und erfüllt jegliches Vorurteil, physisch wie psychisch. Die Bösen Buben werden hier als glatzköpfige und recht minderbemittelte Menschen gezeichnet, die Bierflaschen mit ihren Zähnen öffnen und Frauen am liebsten nur am Herd und im Bett sehen wollen. Und so reihen sich hier Vorurteil an Vorurteil und Klischee an Klischee.

Auch die katholische Kirche wird diesen Roman nicht unterhaltsam finden: Sicherlich gibt es im Vatikan, wie auch sonst überall in der Politik, abweichende Meinungen zu gesellschaftlichen Themen, und es ist sicherlich der Fall, dass auch dort die Lager gespalten sind, doch solch kriminelle Energie und Verblendung der Fürsten in Purpur ist, auch wenn die Geschichte rein fiktiv sein soll, wenig unterhaltsam oder interessant, sondern eher eine Peinlichkeit für die Autoren.

Graziella, die neben Renk ermittelt, ist eine wohlerzogene, attraktive italienische Frau, deren Onkel ein ranghoher Kardinal ist, während sie selbst natürlich entgegen jeglicher Erziehung ihren eigenen Kopf durchsetzt. Auch ihre Persönlichkeit ist so oberflächlich, schlicht und übertrieben gezeichnet wie jene des restlichen Personals.

Es gibt einige gute Verschwörungsthriller mit Ideen, über die der Leser wirklich nachdenkt, vielleicht recherchiert und diskutiert. Bei „Die Tallinn-Verschwörung“ ist der Gedanke an einen möglicherweise realen Hintergrund schlicht indiskutabel. In diesem Roman ist alles nur schwarzweiß gehalten und nicht sonderlich intelligent ausgearbeitet. Man könnte meinen, die Autoren hätten mit diesem Roman ein Erstlingswerk abgeliefert, so einfach und vorhersehbar ist die Handlung konstruiert, und als besonders störend empfand ich obendrein den sprachlichen Stil, der, kombiniert mit vielen Klischees, jegliche Lust am Weiterlesen nimmt.

_Fazit_

Die Grundidee ist zwar interessant, aber das Ergebnis nahezu ungenügend. Weder kann die Geschichte durch Spannung oder inhaltliche Tiefe überzeugen, noch ist sie abwechslungsreich oder in sich logisch abgestimmt, von den stilistischen Mängeln ganz zu schweigen. Daher kann ich das Buch „Die Tallinn-Verschwörung“ absolut nicht als Lektüre empfehlen.

_Die Autoren_

Nicola Marni ist das Pseudonym des bekannten Autorenehepaars Ingrid Klocke und Elmar Wohlrath, das seit vielen Jahren unter den Pseudonymen Iny Lorentz, Eric Maron, Mara Volkers, Diana Wohlrath und Anni Lechner erfolgreich vor allem historische Romane veröffentlicht. Das Autorenpaar lebt in einem kleinen Dorf bei München.

|Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 512 Seiten
ISBN-13: 978-3-442-20341-3|
http://www.randomhouse.de/pageundturner/

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