Nimmo, Jenny – Charlie Bone und der Schattenlord (Die Kinder des roten Königs 7)

Band 1: [„Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder“ 1992
Band 2: [„Charlie Bone und die magische Zeitkugel“ 2448
Band 3: [„Charlie Bone und das Geheimnis der blauen Schlange“ 3308
Band 4: [„Charlie Bone und das Schloss der tausend Spiegel“ 3464
Band 5: [„Charlie Bone und der rote König“ 3468
Band 6: [„Charlie Bone und das magische Schwert“ 4685

Eigentlich sollte Charlie es wirklich besser wissen. Aber natürlich ist seine Neugierde stärker als die Vernunft; und so kommt es, dass Charlie sich in den Keller schleicht, wo seine Großmutter und seine Großtanten ein ungewöhnliches Gemälde abgestellt haben – ein Gemälde mit Eigenleben sozusagen, denn obwohl darauf niemand zu sehen ist, auf den Charlie sich konzentrieren und zu dem er ins Bild steigen könnte, findet er sich ungewöhnlich schnell mitten in der dargestellten Landschaft wieder. Und die gehört zu keinem geringeren Ort als dem Schloss des Schattenlords, den Charlie und seine Freunde vor kurzem erst unter großen Anstrengungen losgeworden sind. Vor allem aber ist Charlie auf Dauer nicht der Einzige, der sich in dieses schaurige Bild verirrt. Bald darauf erwischt es auch – Billy Raven.

_Der Schattenlord_ selbst taucht erstaunlich wenig auf. Dafür werden zwei andere Figuren wichtig:

Otus Darkwood stammt aus einer längst vergangenen Zeit und wird vom Schattenlord gefangen gehalten. Dem Namen ist unschwer zu entnehmen, dass er einer von Charlies Vorfahren ist. Und er ist ziemlich groß, denn er hat Riesenblut in den Adern. Allerdings kann er Charlie nur kurze Zeit beschützen.

Mathilda ist die Enkelin des Schattenlords. Und sie bildet einen erstaunlichen Kontrast zu den übrigen Bewohnern des Schlosses. Sie lächelt und ist freundlich, ja, sogar hilfsbereit, während alle anderen – ihre Großmutter, ihr Großvater und ihr Bruder – von kühl über unfreundlich bis abweisend wirken, obwohl sie nur am Rande auftauchen. Zu ihren Großeltern scheint sie keine besonders enge Beziehung zu haben; an einer Stelle fällt sogar eine Bemerkung, die klingt, als gehörte Mathilda gar nicht wirklich zur Familie. Offenbar hat sie sich bisher ziemlich allein gefühlt, denn ihr Bruder scheint auch nicht besonders umgänglich zu sein. Billy dagegen, der trotz Charlies Freundschaft selbst sehr einsam ist, weil er keine eigene Familie hat, gefällt ihr sofort. Er gefällt ihr so gut, dass sie ihn gar nicht mehr hergeben will …

Mathilda ist im Grunde der einzig wirklich interessante Neuzugang. Otus ist zwar ein netter Kerl, gibt als Charakter aber nicht allzu viel her. Er taucht nur zweimal kurz auf, einmal, um Charlie zu retten, und dann, um von Charlie gerettet zu werden. Mathilda aber fasziniert durch den Kontrast zu ihrer Familie und ihr zwiespältiges Verhalten, denn obwohl sie freundlich und hilfsbereit wirkt und offenbar niemandem etwas Böses will, unterstützt sie doch – ob mit oder ohne Absicht – den Zauber ihres Großvaters, den dieser auf Billy gelegt hat.

_Was die Handlung angeht_, so macht natürlich nicht nur das ungewöhnliche Gemälde Scherereien.
Titania Tilpin, Joshuas Mutter, versucht angestrengt, Amorets zerbrochenen Spiegel wiederherzustellen, um den Schattenlord erneut in Charlies Welt zu holen. Bisher war sie nicht sehr erfolgreich, doch sie lässt nichts unversucht, um Unterstützung zu erhalten, sei es von den Kindern des roten Königs, die zur dunklen Seite gehören, sei es von anderen Magiern oder Sonderbegabten, die sich über Jahrzehnte hinweg in der Piminy Street verkrochen und bedeckt gehalten haben.

Und Manfred Bloor hat Dagbert dazu angestiftet, Charlie Bones magische Zauberstab-Motte zu stehlen. Das führt insofern zu Verwicklungen, als Dagbert – obwohl er die Motte an Manfred weitergeben musste – versucht, einen Tauschhandel mit Tancred abzuschließen. Er will seinen Seeigel aus Meergold wiederhaben, denn so lange dieser in seiner Sammlung aus magischen Talismanen fehlt, kann Dagbert seine Macht nicht voll entfalten. Der Ausgang dieses Duells findet allerdings nicht gerade Manfreds Zustimmung …

Von dem mondabhängigen Wankelmut, der Dagbert im vorigen Band so interessant machte, ist diesmal nicht viel zu spüren. Titania Tilpins Bemühungen, was den Spiegel angeht, betrachtet Dagbert mit arroganter Gleichgültigkeit. Aber mit Manfred Bloor scheint er sich prächtig zu verstehen. Offenbar spielt dieser Teil der Geschichte von einer Woche vor bis eine Woche nach Neumond. Was andererseits bedeuten würde, dass sich Dagberts Charakter demnächst wieder wandeln müsste …

_Was diesen Band jedoch_ am stärksten von allen anderen unterscheidet, ist, dass er nicht so in sich abgeschlossen wirkt wie seine Vorgänger. Das liegt daran, dass der rote Faden, der inzwischen von dem Rätsel um Billy Ravens Eltern und deren Erbe gebildet wird, diesmal so stark im Vordergrund steht. Während zum Beispiel in Band zwei der rote Faden – das Rätsel um Charlie Bones Vater – im Vergleich zu den Turbulenzen um Henry und die Zeitkugel nur eine Randerscheinung ist, bildet er durch Billys Eintritt in das Gemälde diesmal den Mittelpunkt des Geschehens. Und obwohl Charlie wieder einmal die obligatorische Rettungsaktion hinter sich gebracht und Otus aus dem Gemälde herausgeholt hat, steckt Billy immer noch drin.

Auch von den Nebensträngen kann nur einer ein Ergebnis vorweisen, und das ist der um Dagbert und Tancred. Die Sache mit Amorets Spiegel ist ebenfalls offen geblieben. Dies und einige andere Kleinigkeiten wie die Schwierigkeiten der Onimouses oder die Aktivitäten von Tante Venezias Stiefsohn Eric erwecken den Eindruck, als bahnte sich da etwas Größeres an. Eine solche langfristige Entwicklung außerhalb des roten Fadens war dieser Reihe bisher eher fremd.

Am ungewöhnlichsten empfand ich allerdings die Tatsache, dass immer wieder ein bevorstehender Angriff auf Charlies Eltern angedeutet wird. Das geht jetzt schon zwei Bände lang so, aber bisher ist nichts passiert. Dabei würde eine gezielte Attacke auf die beiden sämtliche Aktivitäten im Zusammenhang mit Billy Raven überflüssig machen. Allmählich frage ich mich, worauf die Bloors denn eigentlich warten …

_Letztlich_ kann ich über diesen Band dasselbe sagen wie über seinen direkten Vorgänger: Wirklich langweilig war er nicht, was diesmal vor allem der interessanten Idee mit dem besonderen Gemälde und Mathilda, sowie auch ein wenig dem Duell zwischen Dagbert und Tancred zu verdanken war. Allerdings hat diesmal wieder ein wenig die Geschmeidigkeit gefehlt, die einzelnen Handlungsstränge ergaben keine so nahtloses und glattes Gesamtbild wie in Band V. Vielleicht werden die bisher so lose nebeneinander herlaufenden Stränge im nächsten Band etwas enger miteinander verknüpft, sodass dieser Eindruck sich etwas abschwächt. Dieser achte Band mit dem Titel „Charlie Bone and the Red Knight“ soll im September 2009 erscheinen und endgültig der letzte der Serie sein.

_Jenny Nimmo_ arbeitete unter anderem als Schauspielerin, Lehrerin und im Kinderprogramm der |BBC|. Geschichten erzählte sie schon als Kind, Bücher schreibt sie seit Mitte der Siebziger. Unter anderem stammt der Zyklus |Snow Spider| aus ihrer Feder, sowie „Im Garten der Gespenster“, „Der Ring der Rinaldi“ und „Das Gewächshaus des Schreckens“. „Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder“ ist der erste Band des Zyklus |Die Kinder des roten Königs| und hat sie auch in Deutschland bekannt gemacht.

http://www.jennynimmo.me.uk
http://www.ravensburger.de

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