Okonnek, Evelyne – Flammen der Dunkelheit, Die

In einer Neumondnacht werden zwei Jungen geboren. Der eine ist Dallachar, der Sohn der Königin, der andere Gliceas, Sohn einer armen Magd. Beide werden die Welt verändern, so ist es prophezeit. Doch keiner der beiden Jungen weiß etwas davon. Und auch nicht davon, dass es einen Mann auf der Insel gibt, der alles tun wird, um die Erfüllung dieser Prophzeiung zu verhindern.

_Die Welt, die_ Evelyne Okonnek schildert, ist krank. Wobei Welt vielleicht schon zu viel gesagt ist, denn der Schauplatz des Geschehens ist eine Insel im Meer, offenbar völlig isoliert von allem, was es sonst noch so geben mag. Nur ein einziges Mal, vor langer Zeit, erreichten Siedler von außerhalb diesen abgelegenen Ort. Seither hat sich viel verändert. Eines Tages verschwand die Sonne und kehrte nicht zurück, warum, weiß niemand. Jetzt ist es ständig kalt, es regnet nahezu ununterbrochen, immer wieder toben wütende Stürme über die Insel, die so gefährlich sind, dass die Bewohner der Insel vor ihnen in die Keller flüchten. Die Lebensmittelversorgung ist schlecht, Getreide wächst längst keines mehr, die Menschen sind auf Grassamen und Meeresalgen ausgewichen.

Alle Hoffnungen der Bevölkerung auf Besserung ruhen auf dem jungen Prinzen. Aus irgendeinem Grund scheinen alle zu glauben, dass der Junge irgendwann ein Wunder vollbringen und alles wieder in die richtigen Bahnen lenken wird, und das, obwohl die Prophezeiung bei den Menschen unbekannt ist.

Dallachar seinerseits ist sich der Hoffnungen der Menschen wohl bewusst, hat aber keine Ahnung, warum sie so sehr an ihn glauben. Er selbst fühlt sich wie ein Gefangener im Kerker, eingeschränkt und einsam. Seine Amme beschützt ihn zwar – manchmal sogar viel zu sehr für seinen Geschmack -, hat aber keinerlei echte Wärme für ihn und er fürchtet den Erwählten des Jalluth, den obersten Priester, der de facto die Regierungsgeschäfte führt. Vor allem aber leidet er unter der Zurückweisung durch seine Mutter, für deren Zuneigung er beinahe alles täte, alles gäbe.

Seine Mutter Aurnia dagegen erträgt ihren Sohn nicht. Die etwas eitle und selbstbezogene Frau hat sich für ihre Ehe Liebe und Achtung erhofft und ist bitter enttäuscht worden. Dallachar ist für sie nur eine ständige Erinnerung an ihre größte Demütigung. Dass sie auch nach seiner Geburt noch auf das Wohlwollen des Erwählten, den sie so sehr verachtet wie sie ihn fürchtet, angewiesen ist, macht es für sie nicht leichter, zumal der Erwählte sich nicht darauf beschränkt, das Land zu regieren. Er mischt sich schlichtweg in alles ein, auch in Aurnias Privatleben. Doch Aurnia ist nicht so schwach, wie der Erwählte glaubt.

Der Erwählte ist ein kalter, unbarmherziger Mann, der sämtliche Macht im Land mit völliger Selbstverständlichkeit beansprucht. Gleichzeitig sind die Menschen ihm vollkommen gleichgültig. Denn nicht Machtgier treibt diesen Priester an, sondern etwas ganz anderes …

Und dann ist da noch Gliceas, genannt Glic. Der muntere, recht vorlaute Junge ist bei einer alten Frau im Wald aufgewachsen, und obwohl er dort frei herum streunen durfte, fühlt auch er sich eingesperrt. Die Alte hat einen magischen Schild um den Wald gelegt, um den Jungen am Fortlaufen zu hindern, was ihm gar nicht behagt, obwohl es nur seinem Schutz dient. Glic ist ein Dämonenmischling und außerhalb des Waldes drohen ihm Verfolgung und Tod. Als die Alte ihm auf ihrem Sterbelager aufträgt, in die Stadt zu einem Schreiber namens Ardal zu gehen, erfährt Glic nur zu bald, was das für ihn bedeutet.

Denn die Dämonen, eine alte, magisch begabte Rasse, werden von den Menschen zutiefst verabscheut und gefürchtet. Deshalb haben die Menschen vor einigen Jahrhunderten Krieg gegen die Dämonen geführt und sie alle ausgerottet. Doch es scheint, als hätte sich das Blut beider Rassen bereits zu oft miteinander verbunden, immer wieder tauchen Mischlinge auf, die zwar nicht über die volle Macht der Dämonen verfügen, aber viel stärker sind als reine Menschen. Die meisten von ihnen tragen Federn am Körper, um die tanzenden Funken der Magie in ihren Augen zu verbergen, und ein wenig Eisen, um ihre Stärke ein wenig zu dämpfen, damit sie sich nicht versehentlich durch ihre Kraft verraten. Denn Eisen schwächt die Magie der Dämonen und ist deshalb das einzige Mittel, sie zu besiegen.

_Hier zeigt sich_ deutlich, dass die Autorin ein wenig aus der gälischen Mythologie geschöpft hat. Das tut sie ganz offen und unverblümt, einige ihrer Figuren tragen Namen wie zum Beispiel Grian, Néal und Lasair, die irischen Worte für Sonne, Wolke und Flamme. Zum Glück jedoch hat sie sich nicht sklavisch an die gälischen Mythen geklammert, wie Cecilia Dart-Thornton es getan hat, sondern sie hat den einen Aspekt – die Wechselwirkung von Magie und Eisen – mit eigenen Ideen verknüpft und in eine neue Mythologie eingearbeitet, die zwar nicht allzu detailliert ausgearbeitet, aber dennoch interessant und neu ist.

Auch Prophezeiungen sind wahrhaftig nichts Neues in der Fantasy, angenehm empfand ich jedoch, dass die Autorin die kryptischen Verse nicht auf die Zukunft bezogen hat. Natürlich wird immer wieder mal über deren Bedeutung nachgedacht, vor allem von einem Mann, dessen Tagebucheinträge die einzelnen Kapitel einleitet. Mit fortschreitender Handlung wird jedoch deutlich, dass der Leser daraus keine Rückschlüsse auf die weitere Entwicklung der Ereignisse ableiten kann, sondern dass sie einen Schlüssel zur Vergangenheit enthalten. Das hat nicht unbedingt etwas mit der Aufdeckung von Geheimnissen zu tun – die einzigen Geheimnis des Buches sind die Identität des Erwählten und die der Dohle, und beide sind recht bald klar – sondern mit dem Verständnis, was zur aktuellen Situation der Insel geführt hat. Jalluth dagegen, offenbar der Gott der Menschen, ist vollkommen unwichtig und taucht nur als Namensgeber für die Priesterschaft auf.

Aus diesen Zutaten hat Evelyne Okonnek eine Handlung gestrickt, die sich trotz der „nur“ 350 Seiten des Buches über den recht langen Zeitraum von fast zwanzig Jahren erstreckt. Die Raffung weniger erreignisreicher Phasen hat sie dabei ohne Hänger oder Stolperer in den Fluss der Geschichte eingebaut. Aber auch die ausführlicher geschilderten Phasen sind ohne detailliertere Ausarbeitung erzählt. Ausschmückung und epische Breite fehlen völlig.

Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – ist es ihr gelungen, ein kompliziertes Netz zwischen den einzelnen Figuren ihrer Geschichte zu entwickeln, ein dünnes Gespinnst aus Ursache und Wirkung, aus Missverständnissen und Ignoranz, aus Egoismus, Neid und Rachsucht, in dem stets das eine das andere bedingt und alles irgendwie miteinander verkettet ist. Dass sie dabei auch sämtliche Charaktere über die Nachvollziehbarkeit hinaus lebendig und von ihrer Motivation her glaubwürdig gestaltet hat, ohne auch nur bei einem von ihnen in Klischees zu versinken, macht all diese inneren Abhängigkeiten noch intensiver. Ein Schwarz-Weiß-Effekt ist schlicht nicht vorhanden, was wiederum zur Folge hat, dass man den Schluss des Buches nicht als Happy End bezeichnen kann. Tatsächlich ist er nicht nur wenig spektakulär, sondern auch ziemlich desillusionierend und fügt sich damit auf eine Weise in die düstere Grundstimmung des Buches, die jeder als angenehm empfinden wird, dem die kitschigen „Und-alles-war-wieder-gut“-Finale zum Hals heraushängen.

_Mit anderen Worten_, ich fand dieses Buch sehr lesenswert, obwohl es weder besonders viel Spannung, Action, Romantik oder überbordenden Ideenreichtum in Bezug auf die Ausstattung bietet. Manches ging vielleicht ein bißchen glatt, wie zum Beispiel das Schicksal von Aurnias Zofe und ihrem Liebhaber, auch hätte manches vielleicht vermieden werden können, wenn die Betreffenden einfach miteinander geredet hätten, was vor allem für Aithreos versuchte Heilung für Brone gilt. Das sind jedoch Kleinigkeiten am Rande, die nicht wirklich stören. Die eigentliche Geschichte um das tragische Schicksal einer Welt, das mit ein wenig Verstand und Feingefühl womöglich zu vermeiden gewesen wäre, wird dadurch nicht beeinträchtigt.

_Evelyne Okonnek arbeitete_ nach einem Spanisch- und Germanistikstudium zunächst für eine Werbeagentur und schrieb in ihrer Freizeit Kurzgeschichten. Seit ihrem Debutroman „Tochter der Schlange“, für den sie den Wolfgang-Hohlbein-Preis erhielt, schreibt sie hauptberuflich. Nebenbei ist sie auch künstlerisch kreativ, als Malerin und Goldschmiedin.

|Broschiert: 352 Seiten
ISBN-13: 978-3-800-09509-4|
www.evanjo.de

_Evelyne Okonnek bei |Buchwurm.info|:_
[Die Tochter der Schlange]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2419
[Das Rätsel der Drachen]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3910

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