Oury, Nicolas – Mykerinos

„“Mykerinos“ hatte zur Erstveröffentlichung einige heftige Hürden zu überspringen. Der große Verlagsbruder „Caylus“ war gerade im Begriff, sämtliche prestigereichen Preise abzuräumen, und mit [„Ys“ 4270 hatte man im Hause |Ystari| ebenfalls schon ein echtes Schwergewicht auf den Markt gebracht, welches den Namen der bis dahin noch kleinen französischen Firma allerorts bekannt machte. Mit dem dritten Spiel im Bunde, dem bis hierhin auch unscheinbarsten und kleinsten, galt es also pünktlich zur |SPIEL ’06|, den guten Ruf zu verteidigen und weiter auszubauen. Skeptisch wurde das Spiel dereinst von Kritikern verfolgt, anschließend jedoch für würdig befunden, den hohen Qualitätsanspruch an |Ystari| zu vertreten.

_Spielidee_

Wie der Name schon erahnen lässt, werden die Spieler in „Mykerinos“ ins alte Ägypten entführt, genauer gesagt in das Jahr 1899. Jeder Spieler schlüpft in die Rolle eines europäischen Ägyptologen, der im Auftrag eines Mäzens die Wüstenei Nordafrikas nach kostbaren Artefakten und wertvollen Gegenständen durchsucht. Ziel ist es ferner, diese Gegenstände für eine neue Museumsausstellung aufzubereiten und in den prestigeträchtigen Räumlichkeiten der Ausstellungshallen zu postieren.

Das Spiel ist dabei in vier Runden zu jeweils drei Phasen aufgeteilt, in denen man innerhalb der sechs Spielzonen Einfluss gewinnen muss, weitere Mäzene auf seine Seite ziehen sollte und anschließend diesen Einfluss auf das Museum zu übertragen hat, um dort das nötige Prestige zu gewinnen. Geschickt gilt es, seine Archäologen Runden für Runde in den Zonen einzusetzen und Mehrheiten zu gewinnen, die einen für die jeweilige Zone zum ersten Entscheidungsträger machen. Man hat anschließend die Wahl, entweder den jeweiligen Mäzen zur Hand zu nehmen und künftig auf dessen Unterstützung zurückzugreifen, oder aber in seinem Flügel des Museums eine weitere Halle zu besetzen. Stets gilt es abzuwägen, inwiefern man seine Archäologen einsetzt und unter welchen Umständen die meisten Siegpunkte zu erzielen sind – wer von ihnen nämlich am Ende die meisten eingeheimst hat, wird zum Sieger gekürt.

_Spielmaterial_

• 1 Spielplan
• 36 Parzellen-/Mäzenkarten
• 100 Archäologen in vier Farben
• 12 Markierungsscheiben für die Spieler
• 7 Punktemarker +50
• 1 Startspielermarker
• 5 Markierungsscheiben für die Mäzene
• 1 Spielregel

Das Spielmaterial ist in erster Linie zweckdienlich gehalten und macht optisch zunächst einmal nichts her. Sobald das Spiel allerdings aufgebaut ist, entwickelt sich ein durchaus stimmiges optisches Konzept, welches die Spielatmosphäre fein unterlegt. Davon abgesehen, setzt man einmal mehr auf Stabilität beim Spielmaterial. Die Karten und Marker sind absolut solide und zeigen auch nach mehreren Runden keine Verschleißerscheinungen, und da „Mykerinos“ durchaus zu den Spielen gehört, die regelmäßig auf den Tisch kommen, ist dies ein bedeutender Aspekt. Insgesamt also macht das Material einen sehr guten Eindruck – auch wenn der erste Blick noch eine gewisse Skepsis rechtfertigt.

Vor dem Spiel werden die beidseitig bedruckten Karten mit den Mäzenen respektive den Parzellen gemischt und zu einem Nachziehstapel ausgelegt. Für die erste Spielrunde werden nun acht dieser Karten gezogen und zu insgesamt vier Zonen aus jeweils zwei Parzellenkarten zusammengelegt. Anschließend werden die Markierungsscheiben für die Mäzene zufällig in den Museumsflügeln ausgelegt. Die Archäologen werden zu einem allgemeinen Vorrat beiseite gelegt. Als Letztes wird ein Markierungsstein für jeden Spieler auf das Startfeld der Siegpunktleiste gesetzt. Nun kann das Spiel beginnen.

_Spielablauf_

„Mykerinos“ ist in vier Spielrunden aufgeteilt, in denen die Spieler jeweils um die Vorherrschaft in den Parzellen und Zonen streiten, Mäzene auf ihre Seite ziehen und Einfluss in den Hallen des Museums gewinnen. Dabei ist jede Runde noch einmal in drei separate Phasen unterteilt, in denen die Archäologen zum Einsatz kommen und fleißig taktiert werden darf.

|Phase 1 – Neue Runde|

Vor jeder neuen Runde erhalten alle Spieler elf neue Archäologen aus dem allgemeinen Vorrat. Sollte man aus der vorherigen Runde noch Archäologen aufbewahrt haben, können diese nun als Bonus eingesetzt werden. Der aktuelle Startspieler zieht nun acht Parzellen (bzw. zwölf in der letzten Runde) und legt diese zu einem großen Gebiet aus.

|Phase 2 – Ausgrabungen|

Die Ausgrabungen sind das entscheidende Element im Spielverlauf. Die Spieler setzen nun ihre Archäologen ein und lassen sie in den lukrativsten Gebieten des ausgelegten Gebietes graben. Lukrativ sind dabei besonders die Parzellen, die mit zusätzlichen Siegpunkten bestückt sind. Hier eine Vormachtstellung zu erlangen, scheint daher umso sinnvoller.

Wer nun eine neue Ausgrabung starten mag, legt einen Archäologen in einer der Zonen ab. Im weiteren Verlauf kann man dort nun auch eine bestehende eigene Ausgrabung erweitern. Für diesen Fall darf man bereits zwei Archäologen-Steine an diese Ausgrabung anlegen. Wichtig ist hierbei, dass man nur an benachbarte Felder anlegt; zu diesen gehören aber auch Felder in angrenzenden Zonen.

Wer in einer vorherigen Runde eine Parzelle gewonnen hat, darf ab der nächsten Runde auf die Unterstützung des Mäzens, der auf der Rückseite dieser Parzelle abgebildet ist, zurückgreifen. Insgesamt sind fünf Mäzene im Spiel, die verschiedene Sonderaktionen erlauben. So darf man beispielsweise gesperrte Felder in den Parzellen besetzen, eine Ausgrabung direkt mit drei Archäologen erweitern oder zusätzliche Figuren aus dem allgemeinen Vorrat bemühen. Wer letztendlich glaubt, dass er genügend Archäologen ausgelegt hat, kann als letzte Aktion passen. Der Spieler, der dies zuerst tut, darf einen Markierungsstein auf das erste Feld der Leiste zur Auflösung von Gleichständen positionieren. Sollte es nun in einer späteren Auswertung zu einem Remis kommen, ist dieser Spieler dann im Vorteil.

|Phase 3 – Auswertung|

Bei der Auswertung der Zonen werden nun die Mehrheiten berücksichtigt. Der Spieler, der die meisten Archäologen untergebracht hat bzw. bei einem Gleichstand in der zugehörigen Leiste die Nase vorne hat, darf als Erster eine Aktion wählen. Er darf nun eine Parzelle aussuchen und diese zur Hand nehmen oder aber ein passendes Feld im Museumsteil des zugehörigen Mäzens besetzen. Entscheidet er sich für die Parzelle, legt er diese nun mit der Seite des Mäzens in seinen Vorrat und streicht, falls vorhanden, die damit verbundenen Siegpunkte ein. Der Spieler mit den zweitmeisten Archäologen kann nun auf dieselben Aktionsmöglichkeiten zurückgreifen. Auch die eventuell Dritt- und Viertplatzierten könnten noch eingreifen, solange Parzellen übrig bleiben. Sie dürfen jedoch nicht mehr im Museum vorstellig werden.

Nachdem alle Siegpunkte verrechnet und Parzellen verteilt wurden, geht das Spiel in die nächste Runde. Die überschüssigen Parzellen werden aus dem Spiel genommen und ein neues Gebiet ausgelegt. Die in Anspruch genommenen Mäzene werden wieder in die rechte Position gerückt und können in der folgenden Runde wiederverwendet werden.

_Spielende_

Nach vier Runden folgt die Schlusswertung. Die Gebiete im Museum werden ausgewertet und zu den Punkten auf der Siegpunktleiste addiert. Der Spieler, der nun das beste Punkteergebnis erzielt hat, hat das Spiel gewonnen.

_Persönlicher Eindruck_

„Mykerinos“ ist, wie bereits angesprochen, ein ziemlich unscheinbares Spiel, welches sich bei vielen bekannten Mechanismen anderer Titel bedient, diese aber zu einem ganz eigenen, durchaus ansprechenden Konglomerat kombiniert. Das Mehrheitensystem ist sehr fein ausgeklügelt, der aktive Anteil sowie die Entscheidungsgewalt jedes Spielers mit einer großen Priorität in das System mit eingebunden. Außerdem ist die Idee mit den Parzellen/Mäzenen – die man nach der Auswertung nicht dringend annehmen muss, andererseits aber auch dringend benötigt, um im Spiel weiterzukommen – sehr stark. Hierin besteht vor allem der intuitive Part des Spiels, der sich schließlich auch auf die strategischen Anteile von „Mykerinos“ niederschlägt und gerade diesen Aspekt äußerst hoch einstuft. Nur sehr wenig wird dem Glück überlassen, da jeder hier seine Geschicke jederzeit selber in der Hand hält. Mäzene aufgreifen oder ins Museum starten? Immer wieder steht man vor folgenschweren Entscheidungen, die man später schnell wieder bereuen kann. Und da man mit manchen Entscheidungen auch direkt für das Schicksal seiner Mitspieler verantwortlich ist, gewinnt das Spiel in jeder Phase kontinuierlich an Spannung.

Letzten Endes wird die Skepsis, die sich anfänglich noch einzuschleichen gedachte, sehr schnell ad acta gelegt und von einem sehr starken, zwar nicht innovativen, aber gut aufeinander abgestimmten Mechanismus abgelöst. „Mykerinos“ führt die Serie überzeugender Strategietitel aus den Hause |Ystari| eindrucksvoll fort und mausert sich neben Hausreferenzen wie „Caylus“ und [„Yspahan“ 4385 zu einer durchaus lohnenswerten Alternative aus dem hochwertigen Verlagsprogramm.

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