Prinz, Peter – Jenseits von Theben

_Alle Jahre wieder …_

… gelingt es dem fleißigen Team von |Queen Games|, einen ihrer Titel in die Auswahlliste für das |Spiel des Jahres| zu hieven. Nachdem man bislang nur einmal diesen Titel ins Haus holen konnte, nämlich 2003 mit „Der Palast von Alhambra“, standen die Chancen in diesem Jahr wieder sehr gut, zumal unter den Top-5 gleich zwei Spiele aus dem Verlagsprogramm positioniert werden konnten. Neben [„Der Dieb von Bagdad“ 4177 schaffte es dabei ein Titel in die Rangliste, welcher bereits vor dem eigentlichen Release heiß diskutiert wurde: „Jenseits von Theben“. In diesem Familienspiel aus der Feder von Peter Prinz schlüpfen zwei bis vier Spieler in die Rolle von Archäologen, die im 20. Jahrhundert auf gleich drei Kontinenten nach wertvollen Artefakten suchen, um diese später gewinnbringend gegen Siegpunkte auszutauschen oder diese gar in einer Ausstellung präsentieren zu können. Einige neue Spielmechanismen und recht ansprechendes Spielmaterial waren die Referenzen, die „Jenseits von Theben“ heimlich zum Favoriten avancieren ließen – dass letztendlich „Zooloretto“ das Rennen machte, konnten dementsprechend viele nicht so recht nachvollziehen. Warum „Jenseits von Theben“ aber dennoch ein würdiger Titelträger gewesen wäre, soll nun hier näher betrachtet werden.

_Spielmaterial_

• 1 Spielanleitung
• 1 Beiblatt mit Übersicht
• 1 Spielplan
• 4 Archäologen
• 4 Zeitsteine
• 1 Jahresstein
• 85 Forscherkarten
• 10 Ausstellungskarten
• 5 Übersichtskarten
• 4 Chronokel
• 4 Sätze Grabungserlaubnisse
• 155 Grabungsplättchen
• 5 Stoffbeutel

Nicht selten wurde bei der Materialauswahl eines Produktes von |Queen Games| bemängelt, dass der Verlag stets recht ähnliche Materialien verwendet und die Identität eines einzelnen Spiels sich dementsprechend viel schwieriger herausheben kann. Dies kann man im Falle von „Jenseits von Theben“ allerdings nicht behaupten. Mit dem wirklich neuartigen Mechanismus des Chronokels, einer Drehscheibe, die letztendlich entscheidet, inwiefern man seine Grabungen durchführen kann, hat man zum Beispiel eine völlig unbekannte Komponente hinzugefügt, die sofort das Interesse weckt. Des Weiteren ist auch die grafische Gestaltung völlig individuell auf das Thema zugeschnitten und unterscheidet sich doch recht stark vom häufiger bemängelten Standard. Davon mal völlig abgesehen, ist das Material zum Teil auch wirklich sehr edel aufgearbeitet. Die fünf Stoffsäckchen, in denen die einzelnen Artefakte aufbewahrt werden, machen schon auf den ersten Blick etwas her, unter anderem schon wegen der tollen Skizzen, welche die einzelnen Grabungsstätten noch einmal hervorheben. Aber auch die Plättchen und Karten setzen auf das Prinzip Qualitätssicherung und komplettieren das positive Resümee, dass man sich hier wirklich in sämtlichen Details sehr viel Mühe gemacht hat, um „Jenseits von Theben“ mit den bestmöglichen Rahmenbedingungen auszustatten – vorbildlich!

_Ziel des Spiels_

Die Archäologen reisen unabhängig durch einige bedeutende Städte Europas, um dort das nötige Wissen für ihre Grabungsexpeditionen zu sammeln. In Paris, Berlin, London, Wien, Rom und Moskau bietet sich ihnen jederzeit die Möglichkeit, neues Wissen zu erlangen, um später in Ägypten, Griechenland, Palästina, Kreta oder Mesopotamien erfolgreich zu forschen. Allerdings drängt die Zeit, denn in jedem Forschungsgebiet darf pro Jahr nur einmal gegraben werden, und da die Reisen ebenfalls einiges an Zeit verschlingen, ist eine gezielte Planung das A und O, um a) in kürzester Zeit möglichst viel Wissen zu erlangen und b) bei den Ausgrabungen Artefakte hervorzuholen und so die nötigen Siegpunkte zu sammeln. Denn je mehr Wissen man besitzt, desto intensiver darf man an den einzelnen Fundstellen seine Grabungen betreiben.

Das Spiel dauert abhängig von der Spielerzahl zwischen zwei und drei Spielzeitjahren. Wem es in dieser Zeit gelingt, durch solche Grabungen die meisten Siegpunkte zu erlangen, der ist der verdiente Sieger.

_Vorbereitung_

Zunächst werden die Ausstellungskarten und die Forscherkarten nach einem speziellen Mechanismus gemischt, so dass die Ausstellungen erst später gezogen werden können. Der Spielplan wird ausgebreitet und auf die vier freien Stellen für die Forscherkarten jeweils eine Karte ausgelegt. Die Mitspieler entscheiden sich für eine Farbe und bekommen in dieser ihr Chronokel, ihre Grabungserlaubnisse und den Archälogen, den sie auf das Feld der Stadt Warschau setzen. Der Zeitstein wird indes auf das erste Feld der Jahresleiste gesetzt, welche die 52 Wochen eines Jahres symbolisiert. Der Jahresstein markiert zu Beginn das Jahr 1903; immer wenn ein Jahr vorübergeht, wird er ein Feld weiter nach oben bewegt. Als Letztes werden nun die Artefakte in die einzelnen Stoffbeutel verteilt. Lediglich ein Artefakt mit dem Wert 1 wird aus jeder Sorte entnommen und auf den zugehörigen Ausgrabungsort gelegt – wer hier nun als Erster gräbt, bekommt dieses später als Bonus. Jetzt kann das eigentliche Spiel beginnen.

_Spielablauf_

„Jenseits von Theben“ wird nach einem eigenen Mechanismus gespielt, soll heißen es gibt keine festgelegte Spielreihenfolge (beispielsweise im Uhrzeigersinn). Da im Spiel die einzelnen Wochen abgerechnet werden und man für seine Bewegungen immer wieder auf der Zeitleiste voranschreitet, wird dies als Voraussetzung für den nächsten Zug genommen, damit sich alle Spieler ungefähr zeitgleich durchs Spiel bewegen. Dementsprechend ist immer derjenige Spieler an der Reihe, der auf der Zeitleiste hinten steht, damit er möglichst bald zu den anderen aufschließen kann. Dies kann auch zur Folge haben, dass ein Spieler gleich mehrfach hintereinander ziehen darf.

In der jeweiligen Aktionsphase stehen den Spielern dann folgende Handlungen zur Auswahl:

– Eine Forscherkarte nehmen
– Die Kartenauslage austauschen
– Eine Ausgrabung durchführen
– Eine Ausstellung durchführen

|a) Forscherkarte nehmen|

Die offene Auslage der Forscherkarten beschreibt immer, an welchen Orten man derzeit agieren kann. Auf den Karten erfährt man, wo man derzeit Wissen sammeln kann und wie viele Wochen die Aneignung desselben erfordert. Entscheidet man sich für eine der ausliegenden Karten, reist man nun an den zugehörigen Standort (wobei eine Bewegung von Stadt zu Stadt jeweils eine Woche dauert), nimmt die Karte auf, addiert die Wochenzahl für die diesbezüglichen Studien zur Bewegungsdauer und setzt seinen Zeitstein dementsprechend vorwärts. Anschließend wird an die frei gewordene Stelle der Auslage eine neue Forschungskarte platziert.

Es besteht indes auch die Möglichkeit, dass eine Ausstellung aufgedeckt wird. Eine solche Karte wird in die hierfür vorgesehene Auslage auf dem Spielfeld hingelegt und kann in einer späteren Aktion durchgeführt werden.

|b) Die Kartenauslage tauschen|

Falls man mit der aktuellen Auslage der Forschungskarten nicht zufrieden ist und sich keinen Gewinn von ihr verspricht, hat man die Möglichkeit, alle Karten abzuwerfen und die Auslage wieder mit Karten vom Nachziehstapel aufzufüllen. Dieser Vorgang dauert genau eine Woche. Man kann dies auch noch ein zweites und drittes Mal wiederholen, wobei sich die Wochenzahl dann verdoppelt oder gar verdreifacht. Daher ist auch Vorsicht geboten, dass man nicht zu viel Zeit mit eventuellen Austauscharbeiten verschwendet. Davon einmal abgesehen, kann man die Auslage aber auch nur tauschen, wenn man sich derzeit in Warschau befindet – und dort hinzureisen, kostet möglicherweise auch noch einige Wochen …

|c) Eine Ausgrabung durchführen|

Um eine Ausgrabung durchführen zu können, ist zumindest ein Punkt des Spezialwissens für ein ausgewähltes Gebiet, das auf den Forschungskarten zu finden ist, vonnöten, ebenso wie eine gültige Grabungserlaubnis. Letztere bekommt man bereits zu Beginn des Spiels, allerdings verstreicht ihre Gültigkeit nach dem Einsatz so lange, bis das Jahr zu Ende ist.

Der grabungslustige Spieler reist nun zu einem der fünf Grabungsorte, ermittelt vor Ort seine Wissenspunkte und bestimmt mit Hilfe des Chronokels, wie viele Plättchen er aus dem Stoffbeutel des jeweiligen Grabungsorts herausziehen darf. Es ist möglich, dass er dabei auch Nieten, also wertlose Plättchen, zieht und bei seinen Grabungen leer ausgeht. Dies ist aber gerade in den ersten Runden äußerst unwahrscheinlich, weil zu Beginn noch 15 wertvolle Plättchen auf den Archäologen warten.

Sobald man gezogen hat, werden die Artefakte und eventuell auch gezogenes Wissen in die eigene Auslage gelegt. Der Schutt, also die Nieten, wandern hingegen wieder zurück in das Stoffsäckchen. Als Letztes bewegt man nun noch seinen Zeitstein so weit vorwärts, wie die Reise zum Ausgrabungsort und die Grabungen selber gedauert haben.

|d) Eine Ausstellung durchführen|

Ausstellungen wird man erst zu einem späteren Zeitpunkt des Spiels durchführen können, zum einen, weil sie erst in der unteren Hälfte des Nachziehstapels eingemischt sind, und zum anderen, weil man eine gewisse Anzahl unterschiedlicher Artefakte benötigt, um sie auch durchführen zu können. Auf dem Spielfeld finden sich drei Flächen für offen ausliegende Ausstellungskarten. Um an sie heranzukommen, muss man ebenso wie bei den Forschungskarten an die entsprechenden Orte reisen, zudem die erforderlichen Plättchen bereithalten und als Letztes erneut die Wochen abrechnen. Eine Ausstellung bringt jedoch weitere Siegpunkte, ohne dass man hierzu ein größeres Risiko eingehen muss, so dass sie alternativ zu den Grabungen auf jeden Fall sinnig erscheinen.

Binnen der Spieldauer von maximal drei Jahren reisen die Archäologen nun durch Europa, Asien und Afrika, forschen nach neuen Artefakten, versuchen, diese in Ausstellungen zu präsentieren, und sammeln auf diesem Wege Siegpunkte. Nach jedem Jahr wird die Jahresleiste nach oben bewegt, bis schließlich das letzte Jahr vorüber ist und die Wertung eintritt.

_Spielende und Wertung_

Nach der individuellen Spieldauer von zwei bis drei Jahren erfolgt die Schlusswertung. Die Spieler erhalten nun für jedes Artefakt die zugehörigen Siegpunkte, bewerten ihre Ausstellungskarten und eventuell eingesammelte Kongresskarten und vergleichen schließlich noch ihr Spezialwissen. In jeder der fünf Spezialrichtungen wird nun geprüft, wer die meisten Wissenspunkte hat. Dieser bekommt schließlich fünf zusätzliche Siegpunkte bzw. bei Gleichstand jeweils drei. Natürlich hat derjenige mit den meisten Siegpunkten schließlich gewonnen!

_Persönlicher Eindruck_

„Jenseits von Theben“ ist eines dieser Spiele, deren gesammelte Vorzüge sie schon fast zu einer Blaupause für ein strategisches Familienspiel aufsteigen lassen. Wirklich jeder einzelne Spielmechanismus ist genauestens durchdacht, die unterschiedlichen Feinheiten machen es zudem zu einem äußerst detailreichen Titel, und obwohl es derart variantenreich erscheint, ist es doch sehr schnell erlernt, weil es im Prinzip dann doch wieder verhältnismäßig simpel strukturiert ist. Wer also nach wie vor auf die Auszeichnung zum |Spiel des Jahres| pocht … nun, dem kann ich es rückblickend sicher auch nicht verdenken!

Eigentlich nicht sonderlich revolutionär, im Hinblick auf das allgemeine Spielgeschehen jedoch sehr innovativ ist die selbständige Einteilung der Aktionsmöglichkeiten. Jeder Spieler muss seine Wochenplanung selber verwalten und entscheiden, wann er zum günstigsten Zeitpunkt wohin reist und nach Möglichkeit gleich noch ein zweites Mal zum Zuge kommt. Ein genauer Blick auf die Auslage bringt die Spieler immer wieder zum Grübeln, verbunden mit Hoffen, Bangen und Ärgernis ob der Frage, wer gerade welche Forschungskarte gezogen hat bzw. ob die ersuchte Karte für den eigenen Spielzug noch in Frage kommt. Dieses taktische Element ist schließlich auch dasjenige, welches abschließend häufig über Sieg und Niederlage entscheidet, zumal jedem hier zumindest in der Zeiteinteilung die gleichen Voraussetzungen gegeben sind.

Nicht minder strategisch ist schließlich die Aneignung von Wissen. Es scheint lukrativ, in allen Spezialgebieten zu forschen, jedoch macht man erst fette Beute, wenn man in einem Gebiet intensivere Studien durchgeführt hat. So lohnt es sich, die vergleichsweise teureren Joker-Karten mit dem Allgemeinwissen in die Auslage zu holen, da sie zu allen Spezialgebieten hinzugefügt werden können und jede einzelne Grabung unterstützen. Allerdings vergeht damit auch wieder ein Mehr an Zeit, welches man eventuell besser wieder irgendwo anders investiert hätte – ein stetes Abwägen bestimmt letztendlich also doch jeden einzelnen Schritt und Zug!

Als Letztes gilt es dann auch noch, den bestmöglichen Zeitpunkt für die Ausgrabungen zu ermitteln. Man sollte vor den anderen aktiv werden, damit diese nicht schon die wertvollsten Artefakte wegschnappen, allerdings entgehen einem so möglicherweise weitere Wissenspunkte. Und wer vermag schon sein Glück beim Griff in den Stoffbeutel einzuschätzen? Resultate wie zehnmal Schutt und nur ein Artefakt waren in den vergangenen Spielrunden nämlich keine Seltenheit und Grund genug zu Ärgernis.

Diese Glückskomponente wird jedoch insgesamt kaum als unangenehm empfunden, sondern steigert stattdessen die Spannung in jeder einzelnen Runde und ist folglich auch ein weiteres belebendes Element eines sowieso schon äußerst lebhaften, enorm vielseitigen Spiels.

Man sollte also nicht irgendwelchen prestigereichen Auszeichnungen nachtrauern, geschweige denn sich hiervon in irgendeiner Form beeinflussen zu lassen – nicht zuletzt, weil eine Nominierung ja auch schon eine große Ehre ist. „Jenseits von Theben“ kann sich nämlich auch ohne schmückendes Beiwerk als ein fast schon geniales Familienspiel durchsetzen und etablieren und bereichert den |Queen Games|-Katalog nach dem ebenfalls sehr starken „Der Dieb von Bagdad“ um ein weiteres echtes Highlight. In meiner persönlichen Jahresliste belegt „Jenseits von Theben“ jedenfalls schon jetzt eine der führenden Positionen!

http://www.queen-games.de/

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