Chelsea Quinn Yarbro – Hotel Transylvania

Bereits 1978 veröffentlichte Chelsea Quinn Yarbro „Hotel Transylvania“, den ersten Roman um den Vampir Saint-Germain. Ein ganzes Konglomerat an Fortsetzungen folgte. Trotzdem ist die Autorin in Deutschland (noch) weitgehend unbekannt. Vor drei Jahren hat sich dann der |Festa|-Verlag ihrer Bücher angenommen und zunächst „Hotel Transylvania“ auf deutsch veröffentlicht, gefolgt von „Palast der Vampire“ (2005).

„Hotel Transylvania“ spielt in Frankreich, genauer gesagt im Paris des Sonnenkönigs. Saint-Germain ist eine Lichtgestalt der Pariser Gesellschaft. Auf Partys ist er gern gesehen, als gut aussehendem Junggesellen laufen ihm die Debütantinnen scharenweise hinterher, und als Musiker begeistert er seine Zuhörer. Doch darüber hinaus gibt er der Gesellschaft auch genug Anlass zum Klatsch: Woher kommt Saint-Germain eigentlich? Warum sieht ihn nie jemand essen? Und woher nimmt er all die beeindruckenden Diamanten, mit denen er seine Garderobe aufpeppt?

Natürlich kommt zunächst niemand hinter Saint-Germains Geheimnis: Er ist ein Vampir, und zwar ein sehr alter. Saint-Germain ist nur eines von zahlreichen Pseudonymen, mit denen sich der geheimnisvolle Untote durch die Jahrhunderte bewegt. Gleichzeitig ist er in Paris nämlich noch als Graf Rákóczi unterwegs und lässt sich mit einem alchemistischen Zirkel ein, der ihm (im Austausch für das Geheimnis der Diamantenherstellung) das Spiellokal Hotel Transylvania beschaffen soll.

Außerdem gibt es natürlich, wie für einen modernen Vampirroman üblich, auch eine Liebesgeschichte: Madeleine, die Unschuld vom Lande, besucht ihre Tante in Paris, um in die Gesellschaft eingeführt zu werden. Dort verfällt sie Saint-Germain sofort. Und auch der Vampir, der scheinbar ein paar Hundert Jahre abstinent (von Frauen, nicht von Blut) gelebt hat, kann sich nicht gegen Madeleines Charme wehren. Die beiden beginnen eine heimliche Liason, die jedoch bald von äußeren Einflüssen mehr als bedroht ist.

Chelsea Quinn Yarbros Roman ist nur zwei Jahre jünger als Anne Rices [„Interview mit einem Vampir“ 68 (1976). Wie Rice, nimmt auch Yarbro die verstaubte Figur des Vampirs und macht aus ihm eine schillernde Gestalt, die dennoch nicht ohne Brüche ist. Er ist weniger ein Monster als ein Mensch mit besonderen Einschränkungen und Möglichkeiten. Saint-Germain ist ein gebrochener Held, ein enttäuschter Liebhaber, ein Gelehrter, ein Künstler, ein gut aussehener Verführer. Kurz: Er ist eine Figur, die jeden weiblichen Leser in Begeisterungsstürme versetzen dürfte.

Und so ist Yarbros Buch auch ein Mix aus unterschiedlichen Genres: Zuallererst ist „Hotel Transylvania“ ein historischer Roman. Yarbro hat gut recherchiert, und so wirken ihre Settings und Charaktere real und lebendig. Besonderes Augenmerk legt sie auf die Geschlechterverhältnisse und den Status der Frau zur damaligen Zeit (hauptsächlich thematisiert durch die Briefe eines Geistlichen an Madeleine). Außerdem scheint Yarbro ein Faible für Kleidung und Mode zu haben, was zu Detailreichtum führt, aber jeden, der nicht „Elle“ oder „In Touch“ abonniert hat, schnell langweilen dürfte. Die genaue Beschreibung der Garderobe sämtlicher Figuren wirkt schnell ermüdend, vor allem, weil der heutige Durchschnittleser kaum etwas mit Bezeichnungen wie „russische Stickerei“ und „Kragen ungarischer Art“ anfangen kann. So verkommen die Beschreibungen schnell zu Füllseln, da sie innerhalb der Handlung keine Funktion haben (außer bei Saint-Germain, der sich – wie es sich für einen Vampir gehört – hauptsächlich in Schwarz kleidet).

Außerdem würzt Yarbro ihren Roman mit einem gehörigen Schuss Mystery. Ihrem Vampir gesellt sie ein paar alchemistische Gruppen und einige fundamentalistische Satansjünger hinzu. Und natürlich ist da immer noch die Tatsache, dass Saint-Germain scheinbar Edelsteine aus dem Nichts zu schaffen vermag. Was es mit diesem Können genau auf sich hat, enthält sie dem Leser jedoch vor …

Zu guter Letzt gibt sie noch einen gehörigen Schuss Erotik hinzu. Zwischen Saint-Germain und Madeleine knistert es gehörig. Glücklicherweise ist Madeleine keine naive Landpomeranze, sondern eine hochintellektuelle junge Frau, die durch ihre Gewitzheit und Intelligenz nicht nur Saint-Germain, sondern auch den Leser bei der Stange hält. Mit ihr mag man sich gern identifizieren, vor allem, weil so der Fokus des Romans nicht nur auf Saint-Germain liegt, sondern eine Balance zwischen männlichen und weiblichen Charakteren geschaffen wird. Im Gegensatz zum guten alten Dracula tötet Saint-Germain seine Opfer nämlich nicht. Nein, bei ihm läuft die Blutbeschaffung viel kultivierter ab. Stattdessen offeriert er im Austausch für (weibliches) Blut „extrem guten Sex“, wie Miriam Jones in der Essaysammlung „Blood Read“ lakonisch bemerkt.

Der erste Roman um den Grafen Saint-Germain ist ein vielversprechender Anfang: Saint-Germain ist ein vielschichtiger Charakter, dessen Reise durch die Jahrhunderte noch etliche Buchseiten füllen kann, ohne langweilig zu werden. Scheinbar sieht das Erfinderin Chelsea Quinn Yarbro ebenso: 18 Romane gibt es bereits, die sich um den mysteriösen Untoten drehen. Zwei weitere sind momentan in Planung. Hoffen wir, |Festa| bleibt Yarbro treu und bringt auch die Folgebände auf Deutsch heraus!

Taschenbuch: 352 Seiten
www.festa-verlag.de