Dan Brown – Illuminati (illustrierte Ausgabe)

Sakrale Schnitzeljagd – jetzt auch illustriert

Ein Teilchenphysiker wird in seinem Schweizer Labor ermordet aufgefunden. In seine Brust eingebrannt entdeckt man merkwürdige Symbole, Symbole, die nur der Harvardprofessor Robert Langdon zu entziffern vermag.

Was er dabei entdeckt, erschreckt ihn zutiefst, denn es scheint, als sei die Geheimgesellschaft der Illuminati, alte Feinde der römisch-katholischen Kirche, zurückgekehrt. Und sie haben im Labor etwas mitgehen lassen: einen Behälter mit Antimaterie, der, wenn er nicht an eine Stromquelle angeschlossen wird, binnen 24 Stunden mit der Wirkung einer großen Wasserstoffbombe explodieren wird. Welcher teuflische Plan steckt dahinter?

Der Autor

Dan Brown war genau wie Stephen King zuerst Englischlehrer, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. „Als Sohn eines mehrfach ausgezeichneten Mathematikprofessors und einer bekannten Kirchenmusikerin wuchs er in einem Umfeld auf, in dem Wissenschaft und Religion keine Gegensätze darstellen“, meint die Verlagsinformation. „Diese Kombination ist es auch, die den weltweiten Erfolg des Autors begründet. ‚Illuminati‘, der erste in Deutschland veröffentlichte Roman von Brown, gelangte innerhalb kürzester Zeit auf Platz 2 der Bestsellerliste.“ Auf welche, wird nicht verraten. „Brown ist verheiratet und lebt mit seiner Frau, einer Kunsthistorikerin, in Neuengland.“ Na, das klingt doch direkt nach einer Ko-AUTORIN!

Als nächste Mega-Events aus dem Hause Brown sind a) die Taschenbuchausgabe von „Sakrileg“ am 8. April, b) der Filmstart von „Sakrileg“ im Mai und c) das Erscheinen des neuen Romans im Jahr 2006 geplant.

Handlung

Zunächst hat es Harvardprofessor Robert Langdon, 45, Experte für religiöse Symbolologie mit einer sportlichen Figur, überhaupt nicht eilig, dem Ruf eines Schweizer Physikers zu folgen. Da schickt dieser ihm ein Fax mit einem Foto darauf: ein toter Mann, auf dessen Brust das Wort „Illuminati“ eingebrannt wurde. Die Illuminaten, die „Erleuchteten“, weiß Langdon, waren zunächst ein Zirkel von aufgeklärten Denkern im Italien um 1500.

Doch schon bald standen sie in Widerspruch zu den Lehren der Heiligen Mutter Kirche und waren ihr ein Dorn im Auge. Sie wurden in den Untergrund verbannt. Die Forscher Leonardo da Vinci und Galileo Galilei sollen ihr angehört haben. Im Jahr 1686 wurden vier ihrer Mitglieder ebenso gebrandmarkt wie der Tote auf dem Faxfoto. Wollen sich die Illuminati jetzt, nach so vielen Jahren zurückmelden?

Er lässt sich mit einem Überschalljet nach Genf fliegen, wo er CERN besucht, die europäische Kernforschungsanlage, die Generaldirektor Maximilian Kohler leitet. Kohler hat das Fax geschickt. Langdon ist skeptisch: Echte Illuminaten hätten einen Forscher, einen Bruder im Geiste, nicht getötet. Doch wie ihm Kohler erklärt, war Leonardo Vetra sowohl Forscher als auch katholischer Priester. Er suchte den Gottesbeweis in den kleinsten Teilchen. Er hatte viele Feinde. Grausig starrt Vetras leere Augenhöhle auf die beiden Amateurdetektive. Kohler wünscht keine Polizei.

Vittoria Vetra, eine Meeresbiologin, ist die bildschöne Tochter des Ermordeten (und ganz nebenbei Yoga-Expertin). Sie berichtet, dass ihr Vater beweisen wollte, dass die Bibel Recht hat: Das Universum sei aus der Leere erschaffen worden – Materie aus Energie. Was Vetra erzeugt hatte, war jedoch Antimaterie. Sie schwebt in winzigen Mengen in Behältern, die durch Magnetfelder den zerstörerischen Kontakt der Antimaterie (AM) mit unserer alltäglichen Materie verhindern. An jedem Behälter verhindert eine Batterie 24 Stunden lang, dass die Reaktion eintritt, die so vernichtend wie eine große Wasserstoffbombe wirken würde.

In Vetras Labor wurde, obwohl es stark gesichert war, eingebrochen und ein Behälter gestohlen. Vetras Auge war für einen Netzhautabtaster missbraucht worden. Vetra hatte die Energiequelle der Zukunft gefunden – oder die schlimmste Waffe der Neuzeit. Wenn sie den Illuminaten in die Hände fiel, so wollen sie sie bestimmt gegen die katholische Kirche einsetzen. Kohler schickt Langdon und Vittoria nach Rom, in den Vatikan. Dort kontaktieren sie die Sicherheitstruppe des Vatikans, die Schweizer Garde. Man lacht sie aus. Oberst Olivetti glaubt an keine Bombenleger.

Der Papst ist tot und das Konklave der 165 Kardinäle ist zusammengetreten, um in der Sixtinischen Kapelle einen neuen zu wählen. Doch der Zeremonienmeister stellt beunruhigt fest, dass vier der Herrschaften fehlen, ausgerechnet die vier Preferiti, die Auserwählten mit den meisten Chancen, gewählt zu werden.

Auf Vittorias Bemühen hin sprechen sie und Langdon mit dem Interimspapst, dem Camerlengo. Carlo Ventresca, 30, hört ihnen zu und befielt Olivetti, die Bombe zu suchen, die irgendwo im Vatikan versteckt sein muss. Tatsächlich zeigt einer der Monitore eine LED-Anzeige, auf der ein Countdown abläuft. Nur noch sechs Stunden bis Mitternacht. Geht dann die Bombe hoch?

Da ruft der Bombenleger und Vetras Mörder beim Camerlengo an. Er sei von den Illuminati und wisse, wo sich die vier verschwundenen Kardinäle befänden. Sie sollen von ihm wie jene vier Opfer im Jahr 1686 geopfert werden. Jede Stunde werde einer davon getötet: in Kirchen und Tempeln. Diese Mordserie wäre das Ende des Papsttums – und die Bombe bedeutet die Vernichtung des Vatikanstaats.

Nur einer weiß, wo die Kardinäle gefunden werden können: Robert Langdon. Doch wird ihm die verbleibende Zeit reichen, um sie zu retten?

Mein Eindruck

So beginnt ein rasanter Mystery-Thriller, in dem sakral-okkulte Kunst des Illuminatenordens quasi ein Paralleluniversum an Bedeutungen öffnet, das jeden Esoteriker in Ekstase versetzen würde. Pyramiden, die Zahlenkombination 5+2 sowie jede Menge Engel weisen Langdon den Weg durch den Immobiliendschungel der Tiberstadt. Nicht nur muss er kreuz und quer (was ein Kreuz zeichnet), sondern auch ganz tief hinunter und schließlich sogar ganz hoch hinaus. Auf seiner dreidimensionalen Odyssee bekommt er es mit allen möglichen Schurken zu tun, die er sich nicht hätte träumen lassen. Aber er hat ja die treue und tapfere Vittoria an seiner Seite, die ihn anspornt, sich wie weiland Indiana Jones aufzuführen und James Bond alt aussehen zu lassen. Eine Schnitzeljagd, wie sie im Buche steht. Wer ihr zu folgen versucht, kommt aus dem Staunen kaum noch heraus.

|Charakterisierung|

Die Charakterisierung der drei oder vier Hauptfiguren ist recht schlicht gestrickt. Langdon ist unser ganz normal naiver Harvardprofessor mit einer Phobie vor engen Räumen – Fahrstühlen beispielsweise. Doch zu jeder passenden Gelegenheit enthüllt er verborgene Fähigkeiten: Er war Wasserballspieler und sogar Turmspringer. Dafür hat er leider vom Schießen keine Ahnung, was sich mitunter als verhängnisvoll erweist. Wenigstens trifft er einen Zeh, wenn schon nicht den Leib des Mörders. Manchmal mischt sich so etwas wie Komik in das abenteuerliche Geschehen.

|Die Medien – Komplizen des Terrorismus?|

Wie bei jedem terroristischen Anschlag von astroglobaler Bedeutung mischen auch hier die Medien kräftig mit. Ein BBC-Reporter mit dem schönen Namen Gunter Glick hält in vorderster Front die Linse der Kamera auf das erste Mordopfer in Rom. Ein Kardinal – und nur der erste von vier! Die Sensation des Tages. Schon bald fallen sämtliche Ü-Wagen der Tiberstadt über den Vatikan her und verlangen eine Stellungnahme des gelähmten Mini-Staatswesens. Ein Menschenauflauf ist die Folge, Scheinwerfer und Kameralinsen richten sich auf den Petersdom, hinter dessen Mauern der Countdown der Vernichtung läuft: Es ist der Jüngste Tag, das „Armageddon“, wie es der Autor beschreibt. Ob er wohl den „Zeugen Jehovas“ angehört, die jeden braven Bürger mit diesem Schreckenswort zu ihrer Lehre bekehren wollen?

Doch erst die Medienaufmerksamkeit potenziert die Bedrohung durch die Illuminati bis ins Unendliche: Der ganze Globus nimmt teil am Geschehen. Dass es sich dabei im Grunde um eine Schnitzelhagd handelt, lässt die Sache ein wenig übertrieben erscheinen, also erst richtig witzig aussehen.

|Lausige Logik|

Leider muss der Leser beide Hühneraugen zudrücken, wenn es um die Qualität der Logik dieses Plots geht. Wie konnte die Bombe so schnell nach Rom gelangen? Wieso ist der „erleuchtete“ Killer scharf auf so weltliche Dinge wie Sex mit Vittoria? Wieviele Pyramiden und Obelisken gibt es eigentlich noch in Rom? Warum muss ausgerechnet Yoga Prof. Langdon das Leben retten?

Nicht Plausibilität ist das Ziel der Unterhaltung, sondern möglichst viele Überraschungen auf möglichst engem Raum. Und so schlägt die Handlung schließlich einen Zickzackkurs ein, der eines Hasen auf der Flucht würdig wäre. Schließlich wundert man sich kaum noch, dass Indy, pardon: Langdon Stunts abliefert, die einen James Bond erblassen ließen, und die Bösewichte im Vatikan sich wie russische Puppen hintereinander verstecken, falsche Fährten inklusive.

|Abrakadabra!|

Kurzum: Wer eine gute Show erwartet hat, kommt voll auf seine Kosten. Fehlen eigentlich nur noch die Karnickel, die aus dem Hut gezogen werden. Und am Schluss ist es keine Frage, ob der Junge das Mädchen bekommt. Es kann – angesichts der Gleichberechtigung – auch umgekehrt sein, das ist uns eh schon gleichgültig.

Die illustrierte Ausgabe

Schon der Umschlag weist eine Besonderheit auf, die man auf keiner Taschenbuchausgabe finden wird: ein Ambigramm. In dem hochkant gestellten Viereck findet man bei genauem Hinsehen die vier Wörter wieder, die im Text eine so große Rolle spielen: Earth, air, fire, water (siehe auch S. 425: der Illuminati-Diamant).

Der Witz bei der Ambigramm-Darstellung ist der, dass man sie in beiden Richtungen lesen kann. Wie also kann aus dem „water“ zugleich das Wort „earth“ werden, fragt sich der Laie, und der Fachmann wundert sich. Die Antwort liegt in einer besonderen Art der Ausführung der einzelnen Buchstaben – und das Wunder geschieht. Es stammt übrigens von John Langdon (siehe Browns Danksagung auf Seite 504). Auch auf Seite 18 findet sich so ein Ambigramm: „Illuminati“ lässt sich vorwärts und rückwärts sowie auf dem Kopf stehend lesen.

Auf dem hinteren Schutzumschlag ist das bekannteste Detail aus Michelangelos Deckengemälde der Sixtinischen Kapelle abgebildet: Gottes Finger berührt beinahe Adams Hand. Das gesamte Gewölbe ist auf Seite 119 zu sehen.

Die vorderen und hinteren Vorsatzblätter, die eine historische Ansicht von Rom zeigen, stammen von einem unbekannten Künstler des 16. Jahrhunderts. Ein Blick darauf, und die zahlreichen Ruinen – antike wie moderne – fallen ebenso ins Auge wie die kilometerlangen Stadtmauern und Aquädukte. Offenbar hat diese Stadt schon einige Eroberungen und Zerstörungen hinter sich. Erst im frühen 17. Jahrhundert begannen die Bischöfe von Rom, auch als Päpste bekannt, mit dem Wiederaufbau der Stadt. Das Ergebnis lässt sich in weiten Teilen des vorliegenden Romans besichtigen: Es sind die Bau- und Kunstwerke, die Meister wie Bernini und Borromini schufen, darunter auch den Petersdom und seinen grandiosen Vorplatz. (Mehr Details dazu finden sich in Peter Pranges historischem Roman [„Die Principessa“.) 2074

Ich will aber jetzt nicht alle abgebildeten Gemälde herbeten, sondern einen Eindruck davon vermitteln, welchen Mehrwert die illustrierte Ausgabe bietet, um ihren höheren Preis zu rechtfertigen.

Eine wertvolle Orientierungshilfe bilden beispielsweise Grundrisse von Gebäuden, die – wie häufig der Petersdom – eine wesentliche Rolle in der Handlung des Romans spielen. Folgerichtig beginnt das Buch bereits mit zwei Karten. Es handelt sich um die stilisierten Darstellungen des römischen Zentrums und um die Vatikanstadt, deren Lage in der römischen Karte hellblau eingetragen. In beiden Karten sind die „Tatorte“ wichtiger Handlungsszenen eingetragen. So ist deutlich, in der Rom-Karte orange markiert, der Geheimgang zwischen dem Vatikan und der Engelsburg eingezeichnet. Er taucht in der Vatikanstadt-Karte in gleicher Farbe wieder auf.

Mit Blaupausen von Architekten wird der Leser und Betrachter zum Glück nicht behelligt. Diesen Platz nehmen gelungene Vierfarbfotos ein, so etwa vom römischen Pantheon (ca. S.220). Aber es gibt dreidimensionale Grundrisszeichnungen, so etwa von der Kirche Santa Maria del Popolo (S. 240), die dem Leser einen Eindruck vermitteln, wo sich ein bestimmtes Detail befindet, wie etwa die Chigi-Kapelle. Hier finden Robert und Vittoria das erste Mordopfer vor, mit dem eingebrannten Wort „Earth“ (selbstredend ein Ambigramm).

Auf Seite 366 findet sich eine interessante Kombination aus Straßen- und Themenkarte. Auf das römische Zentrum plus Vatikan sind die mittlerweile aufgespürten vier Mordopfer inklusive der ihnen zugeordneten Elemente Luft, Erde, Feuer und Wasser eingetragen und mit Fotos der Fundstellen markiert. Ihre Anordnung ergibt ein Kreuz mit einem schrägen Querbalken. Auf der Achse des Längsbalkens liegt die Engelsburg: der nächste Schauplatz.

Jede Kapitelüberschrift ist künstlerisch hervorgehoben, denn sie steht umrahmt vor einem Hintergrundmuster, bei dem es sich um einen rotbraunen Stein handeln könnte. Jedes Kapitel beginnt mit einer riesigen Initiale, die in Schreibschrift gehalten ist. Bei „Die junge Frau“ in Kapitel 1 finden wir also ein riesiges D vor. Das ist recht geschmackvoll entworfen: von Jaime Putorti.

Unterm Strich

Im Grunde geht es dem Autor um die Erörterung des alten (scheinbaren?) Gegensatzes zwischen Vernunft / Wissenschaft und Glauben / Religion / Kirche. Die vier Kardinale werden der Reihe nach auf „Altären der Wissenschaft“ geopfert. Doch dabei handelt es sich um Orte, für die man ebenso Kunst- wie auch mystischen Verstand braucht. Am Schluss spitzt sich der Konflikt zu, doch wie auch immer der Ausgang, so lässt er sich doch ebenfalls politisch verwenden – ob für oder gegen die Kirche, soll hier nicht verraten werden.

|Engel & Dämonen|

Schrieb Dan Brown in „Sakrileg“ kurz mal die Geschichte des Christentums um, so leuchtet er in „Angels & Demons“ in die Leichenkeller des Vatikans. Er fördert Engel & Dämonen zutage, doch allmählich wird klar, dass die Unterscheidung zwischen dem, was ein Engel sein soll und dem, was ein Dämon sein könnte, gar nicht so einfach ist. Letzten Endes ist es beim Glauben wie mit der Wissenschaft: Es kommt drauf an, was man damit anstellt. Antimaterie kann – wie Atomkraft – Fluch oder Segen sein, je nach ihrer Verwendungsweise.

Das Gleiche, so suggeriert Brown, trifft auch für den Glauben zu: Er kann die Menschen erleuchten und zu erhöhter Spiritualität emporheben, er kann aber auch zur Unterdrückung von Wahrheit und Andersdenkenden benutzt werden. Und wer die Geschichte – der Kirche wie auch der Wissenschaft – nicht kennt, ist gezwungen, sie zu wiederholen. Engel oder Dämon, der Mensch ist beides. Er muss sich lediglich in Kenntnis der Realität entscheiden.

|Die illustrierte Ausgabe|

Die „illustrierte Ausgabe“ von „Illuminati“ ist eine sehr schöne Buchausgabe des Bestsellers, die nicht nur sehr viel Anschauungsmaterial bietet, sondern obendrein auch noch Lern- und Orientierungshilfen. Somit ergänzen die unterschiedlichen Bildelemente den Text auf optimale Weise und machen das Buch zu einem geeigneten Weihnachtsgeschenk. Die Ausgabe hat nur einen Nachteil: Leider ist sie ein wenig zu gewichtig, um sie als Reiseführer zu den im Roman erwähnten Stätten Roms sinnvoll benutzen zu können. Aber vielleicht findet sich ja ein kräftiger Göttergatte, der seiner Frau auch dieses Werk mitschleppt …


Hardcover: 512 Seiten
Originaltitel: Angels & Demons, 2000
Aus dem Amerikanischen von Axel Merz
ISBN-13: 9783785722350

www.luebbe.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Siehe auch unsere Rezensionen zur [Standardausgabe 110