Canavan, Trudi – Novizin, Die (Die Gilde der Schwarzen Magier 2)

_Per aspera ad astra: Soneas Bewährung_

Sonea wird als Novizin in die Gilde der Magier aufgenommen – ein Privileg, das sonst nur Adligen zuteil wird. Dementsprechend wird sie angefeindet, besonders von einem Novizen namens Regin. Aber bald schon findet sie sich im Zentrum einer gefährlichen Verschwörung wieder: Akkarin, der Oberste Lord der Gilde, hütet ein düsteres Geheimnis, das Sonea vor eine schicksalhafte Wahl stellt …

_Die Autorin_

Trudi Canavan wurde 1969 im australischen Melbourne geboren. Sie arbeitete als Grafikerin und Designerin für verschiedene Verlage und begann nebenher zu schreiben. 1999 gewann sie den |Aurealis Award| für die beste Fantasy-Kurzgeschichte. Ihr Debütroman, der erste Band der Trilogie |Die Gilde der Schwarzen Magier|, erschien 2001 in Australien. Die Trilogie wurde nicht nur in Australien ein spektakulärer Erfolg, sondern entwickelte sich zu einem internationalen Bestseller. Canavan arbeitet an einer weiteren Fantasy-Trilogie, von welcher der erste Band bereits erschienen ist.

Band 1: [„Die Rebellin“ 3041

_Handlung_

Das Mädchen Sonea stammt zwar aus der ärmlichen Hüttenstadt von Imardin, doch durch ihre magischen Fähigkeiten hat sie es geschafft, in die Gilde der Magier als Novizin aufgenommen zu werden – ein Privileg, das sonst nur Adligen zuteil wird. Ihr Mentor ist der verwitwete Magier Rothen, dessen Sohn weit weg als Heiler tätig ist. Sonea wird quasi zu seiner Tochter. Doch die Ereignisse, die im ersten Band der Trilogie erzählt werden, lassen bezweifeln, dass das Glück Rothens und Soneas von Dauer sein wird. Und so kommt es auch.

Nur durch eine Wahrheitslesung, bei der ihre Gedanken und Erinnerungen durchsucht wurden, ist es Sonea gelungen, ihren Widersacher Lord Fergun zu besiegen, der ihren Freund Cery als Geisel gefangen gehalten hat. Bei dieser Wahrheitslesung ist jedoch der ausführende Lord Lorlen, der Administrator der Gilde, ebenso wie zuvor schon Lord Rothen in den Besitz von Soneas größtem Geheimnis gelangt. Sie hat den obersten Magier Akkarin, den Hohen Lord, heimlich beim Praktizieren von verbotener Schwarzer Magie beobachtet. Eigentlich müsste er nach den Gesetzen der Gilde ausgestoßen werden, doch wer könnte einem so mächtigen Mann entgegentreten? Es gibt niemanden, der dazu in der Lage wäre.

Das düstere Geheimnis belastet Sonea, Rothen und Lorlen, und da Akkarin in der Lage ist, Gedanken zu lesen, wenn sie nicht besonders gut vor ihm verborgen werden, merkt er an seinem Freund Lorlen, dass etwas nicht stimmt. Lorlen verhält sich ihm gegenüber zurückhaltend und angespannt, seine Antworten sind ausweichend. Als er den Grund dafür in Lorlen liest, ergreift Akkarin sofort die Initiative. Er stellt Lorlen zur Rede und nimmt Rothen und Sonea als Geisel, um Lorlens Willfährigkeit und Schweigen zu gewährleisten. Das Gleiche macht er mit Rothen und Sonea. Denn die Alternative bestünde nur im Tod aller drei.

Sonea nimmt er aus Rothens Obhut heraus und macht sie zu seinem Schützling. Da Sonea schreckliche Angst vor dem mächtigen und unheimlichen Hohen Lord hat, weicht sie ihm so weit wie möglich aus. Und sie leidet nicht nur unter der Trennung vom lieben Lord Rothen, sondern unter einer neuen Plage, die mit dem Sommersemester begann. Der Novize Regin, Schützling von Lord Garrel, neidet Sonea ihr, wie er denkt, ungerechtfertigtes Privileg und hat die Aufgabe und Absicht, Sonea den Aufenthalt in der Gilde derart zu vergällen, dass sie von alleine geht – oder von ihren Lehrern gegangen wird.

Selbst der Wechsel in den nächsthöheren Jahrgang trägt nichts dazu bei, Regin abzuschütteln, vielmehr schafft er es, zu den jüngeren Novizen nun auch noch ältere auf seine Seite zu ziehen, so dass Sonea auf den Fluren der Gildegebäude kaum noch vor ihren Attacken sicher ist. Diese schließen den Gebrauch von Magie mit ein und treiben Sonea an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit – und darüber hinaus. Es gelingt ihr, in einem verschlossenen Schrank eine Liste und Skizze mit den Geheimgängen zu finden, so dass sie ihren Peinigern entfliehen kann. Doch warum lässt Lord Akkarin es überhaupt zu, dass man sie so piesackt? Welchen Plan verfolgt er? Und ist er für die mysteriöse Mordserie in der Hüttenstadt verantwortlich?

|In Elyne und anderswo|

Nachdem Administrator Lorlen Lord Dannyl als zweiten Botschafter nach Elyne geschickt hat, wandelt Rothens Freund Dannyl auf den Spuren Lord Akkarins. Denn er soll herausfinden, was es mit der Schwarzen Magie auf sich hat, die Akkarin anwendet. Woher stammt sie, wie wird sie angewendet und wie mächtig ist sie? Kann man Akkarin irgendwie besiegen?

In Elyne lernt Dannyl einen eifrigen freundlichen Gelehrten namens Tayend kennen, der ihm die berühmte Große Bibliohek von Elyne zeigt. Nicht genug damit: Tayend schließt sich sogar Dannyl auf seinen Reisen nach Lonmar und zu den Vin-Inseln an, auch wenn er dabei seekrank wird. Zusammen erkennen sie mehr, als es einem Einzelnen möglich gewesen wäre – sozusagen das klassische Holmes-&-Watson-Gespann.

Doch nach einigen Wochen merkt Dannyl, dass Tayend homosexuelle Neigungen hat und dass dies nicht nur in Elyne, sondern auch in Kyralia bekannt ist, bei der Magiergilde. Nun, Dannyl hatte vor langer Zeit selbst einmal eine solche homoerotische Episode, die fast zu seinem Hinauswurf geführt hätte und die er deshalb erfolgreich verdrängt hat. Mit seinen Heilerfähigkeiten kann er auch jede erotische Regung seines Fleisches unterdrücken.

Doch in einer verlassenen Burgruine stößt Dannyl auf eine magische Einrichtung, die der Hinrichtung von Magiern dient, die Dannyl um ein Haar vernichtet. Tayend rettet ihm das Leben, und nun kann Dannyl nicht mehr die Augen vor dem verschließen, was er sein ganzes Leben zu leugnen versucht hat …

_Mein Eindruck_

Eigentlich müsste dieser Mittelband der Trilogie total deprimierend wirken. Denn ständig ist die Hauptfigur negativen Gefühlen ausgesetzt: Sie wird beleidigt, gedemütigt, gepiesackt, psychisch durchleuchtet, sabotiert, verraten und schließlich auch noch mehrfach angegriffen. Das ist nicht gerade das aufbauendste Motivationstraining, das man sich für eine angehende Magierin vorstellen kann.

Aber es gibt auch Lichtblicke, und diese sind es, die im Wechsel mit den zwei, drei anderen Handlungssträngen die Lektüre doch noch erträglich machen. So lernt Sonea beispielsweise den aufgeweckten und fortschrittlich denkenden Sohn von Lord Rothen kennen. Dorrien ist Heiler und lebt weit weg in den Bergen, aber als er mal wieder seinen Vater besucht, zeigt er Sonea einen magischen Ort voll Schönheit, der ihr ein ideales Rückzugsgebiet verschafft, um Regins Attacken zu entgehen. Und Dorrien ist es auch, der die entscheidende Lösung für das Problem mit Regin findet: eine öffentliche Herausforderung zum Duell. So etwas hat es zuletzt vor 52 Jahren gegeben, und die Magierschaft ist entsprechend aufgeregt, von Sonea ganz zu schweigen.

|Per aspera ad astra|, wie der Lateiner sagt, und so muss auch Sonea Mittel und Wege finden, um mit den Attacken Regins fertig zu werden. Sie entdeckt die Geheimgänge in den tragenden Wänden der Gildengebäude, auf denen sich sonst nur der Hohe Lord bewegt. Doch Ausweichen kann sie nicht für immer, und so ist es überlebensnotwendig, dass sie auch ihre Verteidigungsmagie stärkt und schult. Dazu gibt ihr auf Akkarins Anweisung hin Lord Yikmo Nachhilfeunterricht.

Wird das magische Duell mit Regin die Lösung all ihrer Probleme bringen? Das ist wohl kaum anzunehmen, solange Sonea um die schwarzmagischen Praktiken ihres Mentors Akkarin weiß. Denn so lange wird sie auch als Geisel missbraucht, um für das Wohlverhalten Rothens und Lorlens zu sorgen. Dennoch ist das Zaubererduell eine wichtige Station, um Sonea, der Diebin und vermeintlichen Hure aus den Slums der Hüttenstadt, endlich soziale Geltung zu verschaffen. Doch Regin wird von Lord Garrel unterstützt und vom Kriegerlord Balkan. Kann sie ihm wirklich Paroli bieten? Das Finale ist diesmal besonders spannend gelungen.

Unter den Erzählsträngen, die das Leben der Magier beleuchten, sind auch zwei kriminologische Ermittlungen, könnte man sagen. Die mysteriöse Mordserie in der Hüttenstadt wird von Lord Lorlen mit Interesse beobachtet, denn er verdächtigt seinen Freund Akkarin der Täterschaft. Denn der zuständige „Kommissar“ Baran führt ihn zu den Tatorten, zeigt ihm die Opfer, liefert Zeugenaussagen und alles, was man zu einer Mordermittlung benötigt. Das alles ist recht interessant, führt aber leider zu nichts. Es liefert aber eine Erklärung für die Position, in der sich Akkarin selbst befindet: Er selbst ist einem Angriff von dritter Seite ausgesetzt. Von Leuten, auf die erst die Ermittlung durch Dannyl stößt.

Dannyls Ermittlung in Sachen Akkarins Vergangenheit und Ursprünge der Magie in den Verbündeten Ländern ist in zweierlei Hinsicht interessant. Er stößt auf uralte Symbole der Zauberei, die darauf hindeuten, dass früher, also vor dem Magierkrieg vor 700 Jahren, auch Frauen Magie ausübten. Ja, dass es eine ausgeprägte Magiekultur gab, die sogar die Hinrichtung ungehorsamer Zauberer einschloss. Erst seit 700 Jahre bündelt und kultiviert die kyralische Magiergilde die magischen Kräfte, die hin und wieder in Bürgern der Verbündeten Länder erwachen – eine effektive Kontrollinstanz. Dass es aber immer noch sachakanische Magier gibt, erfahren Dannyl und Sonea erst am Ende dieses Bandes. Daher wird die Bekämpfung dieser Feinde den dritten Band bestimmen.

Der anderer Aspekt, den Dannyl beiträgt, ist die Homosexualität. Dieses Thema anzusprechen und durchzuspielen, ist nicht nur mutig von der Autorin. Das Thema dient auch als Lackmustest, um die unterschiedlichen moralischen Auffassungen in Kyralia, Elyne und Lonmar aufzuzeigen. Während die Elyner recht liberal damit umgehen, erweisen sich die Kyralier als intolerant, wie der Ausschluss von schwulen Magiern aus der Gilde belegt. Das ist aber noch gar nichts gegen den fundamentalistischen Rigorismus, der in Lonmar praktiziert wird.

Als Dannyl und Tayend auf ihren Reisen in der lonmarischen Hafenstadt eintreffen, werden auf dem Richtplatz gerade zwei Urteile vollstreckt. Eine untreue Ehefrau wird ausgepeitscht und ihr Liebhaber hingerichtet. Tayend wird angst und bange, als er an seine eigene Abweichung von der Norm denkt. Seine farbenfrohen höfischen Klamotten muss er gleich mal gegen „anständige“ moralkonforme Kutten austauschen.

Das Tabuthema trägt im weiteren Verlauf von Dannyls Reise zu vielen witzigen Dialogen bei, denn es geht darum, das Thema offen oder verdeckt zu erörtern, und das nicht nur mit Tayend, sondern auch mit Höflingen in Elyne. Dannyl und Tayend führen sozusagen Theater auf, um die Leute nicht auf die Idee zu bringen, sie hätten etwas miteinander. Man kann zwar an „Brokeback Mountain“ denken, aber das Versteckspiel von Dannyl und Tayend ist wesentlich witziger und unterhaltsamer. Dass es nicht ewig weitergeführt werden kann, ist klar. Als Tayend Dannyl das Leben rettet, ist der Augenblick der Wahrheit gekommen.

|Die deutsche Ausgabe|

Die beiden deutschen Ausgaben des Romans – sie haben verschiedene Titelbilder – sind mit nützlichem Beiwerk versehen. Die Karten des Landes Kyralia befinden sich in den äußeren Umschlagklappen, die Karten der Stadt Imardin und der Gilden-Universität befinden sich auf den ersten Seiten. Dadurch werden die Lage und die Grundrisse der jeweiligen Örtlichkeiten für jeden Leser leicht verständlich und er findet sich leicht zurecht, wenn die Action etwas schneller vorangeht.

In den Anhängen sind die verschiedenen Bezeichnungen von Pflanzen, Tieren, Nahrungsmitteln, Kleidern, Waffen und öffentlichen Gebäuden erklärt. Da Kyralia von verschiedenen Ländern umgeben ist (gegen die es zuletzt vor 700 Jahren Krieg führte), liefert der Anhang auch zu jedem Land eine sehr knappe Erklärung.

|Die Übersetzung|

Auf Seite 76 gibt es eine Szene, die mir Rätsel aufgab, weil mittendrin der Name einer Figur wechselt. Sonea streitet sich mal wieder mit Regin, als AHRIND auf sie zukommt und ihr sagt, sie habe heute Küchendienst. Nachdem sie ihre Überraschung verraten hat, geht er achselzuckend wieder – diesmal aber als ALEND. Beide Namen gehören zu Figuren in der Handlung, aber das sind natürlich ganz verschiedene Figuren. Entweder ist dieser Namenswechsel ein Fehler der Autorin, des Lektors, der Übersetzerin – oder ich bin zu langsam.

Auf Seite 114 benutzt die Übersetzerin wie schon in Band 1 den unüblichen Plural „Balkons“ statt „Balkone“. Eine lässliche Sünde, die ihr als Stilfrage vergeben sei.

_Unterm Strich_

Dieser Band ist dem Wachstum und der Bewährung gewidmet, was die Entwicklung der Heldin angeht. Wie stark ist Sonea wirklich, wenn es um ihre magischen Kräfte geht? Ist sie so stark wie der Hohe Lord und könnte sie der Abscheulichkeit seiner schwarzmagischen Praktiken ein Ende bereiten? Soneas Freunde und Unterstützer hoffen darauf, und der Verlauf des finalen Showdowns zwischen Sonea und ihrem Widersacher Regin (und seinen Hintermännern, den Adligen) gibt ihnen Anlass zu Hoffnung. Mehr darf nicht verraten werden.

Am Schluss wird offenbart, dass sich nicht nur die Gilde, sondern die Stadt Imardin und das Land Kyralia einer geheimen Invasion ausgesetzt sehen. Diese Invasion fordert bereits eine Menge Opfer unter den Bewohnern der Hüttenstadt. Der dritte Band muss schildern, wie diese Invasion abgewehrt wird. Aber wird auch das Schicksal des Hohen Lords besiegelt? Es bleibt spannend.

|Originaltitel: The Novice, 2004
600 Seiten
Aus dem Englischen von Michaela Link|
http://www.randomhouse.de/cbjugendbuch/
http://www.randomhouse.de/specialskids/canavan/

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