Trudi Canavan – Magier (Das Zeitalter der Fünf 2)

Band 1: „Priester“

Trudi Canavan hat sich mit ihrer ersten Trilogie „Die Gilde der Schwarzen Magier“ ihren Platz in den Bestsellerlisten erobert – und das vollkommen zu Recht. Wie wenige andere Autoren schafft sie es, sympathische Charaktere und faszinierende Völker zu zeichnen und die Spannung zum nächsten Buch immer weiter zu steigern. So auch bei ihrer zweiten Fantasy-Trilogie „Das Zeitalter der Fünf“, zu der inzwischen der zweite Band vorliegt. Dass die Kritiken des Einstiegsbandes nicht durchweg positiv waren, finde ich zwar schade, denke aber, dass es an den zu hohen Erwartungen liegt und daran, dass Canavan diesen ersten Band als Vorstellung und Einstieg in eine komplexe Reihe braucht, die im Laufe der Zeit noch mehr Faszination und Spannung entwickelt. So habe ich mit Spannung zum zweiten Teil „Magier“ gegriffen und wurde nicht enttäuscht …

Wiedersehen mit alten Freunden

Zunächst lernen wir Reivan kennen, die zum Volk der Pentadrianer gehört. Nach dem Sieg des weißen Volkes über die Pentadrianer und dem Tod der ersten Stimme läuft nun die Suche nach einem Ersatz für den besiegten Kuar. Auf dem Weg in ihre Heimat laufen die Pentadrianer in eine Falle und drohen in einer Höhle umzukommen. Reivan spürt jedoch einen Windhauch, der den Weg in die Freiheit weist und die zweite Stimme der Pentadrianer Imenja auf Reivan aufmerksam macht. Obwohl diese über keine magischen Fähigkeiten verfügt, soll sie fortan den Göttern dienen. Hier stößt sie allerdings größtenteils auf Ablehnung, da die anderen Diener ihr den Erfolg nicht gönnen.

Die weißen Priester dagegen feiern die Ruhe nach dem Sturm und beraten neue Pläne. Ein Krankenhaus soll gebaut werden, in welchem die Priester von den Traumwebern lernen sollen. Gleichzeitig merkt Auraya, dass sie die Anwesenheit der Götter, insbesondere die Chaias vor den anderen Weißen spüren kann. Lange wundert sie sich über den Grund für diese weitere Besonderheit, die sie noch mehr von den anderen Weißen unterscheidet, bis ihr klar wird, dass Chaia sich zu ihr hingezogen fühlt.

Emerahl und Leiard flüchten sich an einen geheimen Ort nahe bei Si, an den die Götter mit ihren Gedanken nicht vordringen können. Emerahl braucht diese Abgeschiedenheit, um Leiard beizubringen, seine Gedanken vor den Göttern abzuschirmen. Währenddessen wird Mirar immer stärker und übernimmt bald vollkommen Leiards Kontrolle. Ob Mirar wohl mehr ist als eine Ansammlung von Gedanken und Traumerinnerungen, die Leiard in sich trägt? Genau das will Emerahl herausfinden. Später trennen die beiden sich aber, da Emerahl sich auf die Suche machen will nach anderen unsterblichen Wilden.

Imi, die Tochter des Königs der Elai, grübelt über ein passendes Geburtstagsgeschenk für ihren Vater nach, als sie zufällig ein Gespräch mithört, in welchem die Rede von wunderschönen großen Seeglocken ist. Als sie davon hört, weiß Imi, dass sie ihrem Vater nur eine solche Seeglocke schenken kann, und beschließt, auf eigene Faust eine solche zu ertauchen. Dabei gerät sie jedoch in große Gefahr und wird entführt.

Bald darauf erreichen Auraya schlimme Nachrichten aus Si, denn dort hat sich eine Krankheit ausgebreitet, die das Leben vieler Siyee bedroht. Auraya fliegt daraufhin so schnell es geht zu ihren Verbündeten. Als sie dort Leiard wiedertrifft, nimmt ihr Leben eine ungeahnte Wendung …

Perspektivenwechsel

Trudi Canavan beginnt ihren zweiten Band aus ungewohnter Perspektive: Erstmals erleben wir die Pentadrianer nicht aus Sicht des weißen Volks, sondern lernen sie auf ihrer Flucht nach Süd-Ithania kennen. Wir machen Bekanntschaft mit Reivan und Imenja, die einen völlig neuen Blick auf die Pentadrianer eröffnen, denn diese sind nicht das kriegerische Volk, das Nord-Ithania um jeden Preis für sich erobern möchte, sondern die Pentadrianer folgen ebenfalls ihrem Glauben, der allerdings anderen fünf Göttern gilt. Genau wie die Bewohner Nord-Ithaniens sind sie überzeugt, den einzig wahren Göttern zu dienen, und handeln auch in diesem Bewusstsein. Dieser ungewohnte Perspektivenwechsel eröffnet uns eine völlig neue Sicht und macht uns die Pentadrianer und hier insbesondere Reivan überaus sympathisch. Welchen Sinn dieser Perspektivenwechsel hat, deutet sich allerdings erst spät an, wenn die beiden Bekanntschaft mit Prinzessin Imi machen.

Noch einen weiteren neuen Handlungsstrang beginnt Trudi Canavan, indem sie uns zum Volk der Elai bringt, demjenigen Wasservolk, mit dem Auraya im ersten Band eine Allianz schließen wollte, aber schlussendlich abgewiesen wurde. Während wir in „Priester“ noch viel Zeit mit den Siyee verbracht haben, rücken diese mehr in den Hintergrund und machen Platz für ihre benachbarten Freunde, die Elai, die hier auch kräftig Sympathiepunkte sammeln. Genau wie die Siyee sind auch die Elai ein von Göttin Huan geschaffenes Volk, das von den Landgängern bedroht wird und sich deswegen mit allen Mitteln schützen will, da sie selbst nicht über starke Krieger verfügen. Die kleine Imi ist ein unschuldiges und naives Mädchen, als wir ihr das erste Mal begegnen, im Laufe des Buches wird sie allerdings entführt und durchlebt schlimme Situationen in Gefangenschaft, die sie schlagartig erwachsen und reif werden lassen. Imi macht eine gewaltige Wandlung durch, die sie uns immer mehr ans Herz wachsen lässt.

Wilde unter sich

Aber auch Leiard verändert sich, denn während er mit Emerahl in der Höhle haust und sich vor den Göttern versteckt, wird Mirar in ihm immer stärker. Nur wenn Emerahl nach Leiard ruft, kann er sich in den Vordergrund drängen und seinen angestammten Körper wieder übernehmen. Langsam aber sicher wird deutlich, wie Mirars Gedanken von Leiard Besitz nehmen konnten, und es ist ein Wissen, auf das Leiard gerne verzichtet hätte. Die Situation spitzt sich immer mehr zu, insbesondere, als Leiard bei den Siyee wieder auf Auraya trifft und erkennt, dass er sie immer noch liebt.

Emerahl dagegen begibt sich auf die Suche nach anderen Wilden und wird auch tatsächlich fündig. Viel wichtiger erscheint ihr aber eine andere Information, die sie nur zufällig entdeckt und die höchstwahrscheinlich im dritten Band auch noch eine große Rolle spielen wird. Doch bevor Emerahls Suche weitergehen kann, wird Leiard zum Ende von Band zwei eine große Bitte an Emerahl herantragen, die schon wieder sehr neugierig auf das nächste Buch macht.

Unentschlossenheit

Auch wenn sie vergleichsweise wenig Platz im Buch einnimmt, so steht Auraya doch eindeutig im Mittelpunkt der gesamten Trilogie. Und auch hier fallen wieder die Ähnlichkeiten zu Sonea auf, die uns in Canavans erster Trilogie begegnet ist. Auraya ist eine mächtige Zauberin, der durch die Götter Unsterblichkeit geschenkt wurde. Bei den Siyee muss Leiard aber erkennen, dass in Auraya noch viel mehr steckt, wovon selbst ihr noch nichts bewusst ist. Doch noch bevor Auraya ihren alten Liebhaber wiedertrifft, beginnt sie eine leidenschaftliche Affäre mit dem Gott Chaia, der ihr immer häufiger erscheint, seine Liebe zum Ausdruck bringt und Auraya auch den einen oder anderen wichtigen Ratschlag mit auf den Weg gibt. Welche Zukunft diese Liebe allerdings haben wird, ist wohl fraglich.

Noch viel spannender wird Aurayas persönliche Entwicklung von dem Moment an, als sie bei den Siyee ist und ihnen beim Kampf gegen die gefährliche Krankheit helfen will. Die Götter verlangen von ihr nämlich etwas, das Auraya ihnen nicht erfüllen kann. Sie widersetzt sich den Göttern und macht sich damit mächtige Feinde, die nicht so schnell vergessen wollen. Aber auch im Kreis der anderen Weißen stößt sie mit ihrem Verhalten auf Widerstand. Doch wie auch Sonea, so geht Auraya ihren eigenen Weg – ohne Rücksicht auf Verluste, was sie sympathisch und vor allem auch glaubwürdig und authentisch macht. Auraya ist niemand, der ungefragt Befehle entgegen nimmt und ausführt, sondern sie ist stets darauf bedacht, dass sie auch hinter ihren Taten steht und diese guten Gewissens verantworten kann. Gleichzeitig zeigt sie aber auch Schwächen, denn Leiard ist nach wie vor ein dunkles Kapitel in ihrem Leben, das ganz offensichtlich noch nicht abgeschlossen ist. Auch hier entwickelt Trudi Canavan viel Potenzial für ihren abschließenden Band „Götter“.

Ruhe nach dem Sturm

Wie in vielen anderen Trilogien auch, so dient der zweite Band zum Durchatmen. Die erste Schlacht zwischen Nord- und Süd-Ithania ist geschlagen und die Pentadrianer sind – vorerst – besiegt. Doch finden diese schnell Ersatz für den toten Kuar und ersetzen ihn durch eine neue (und vor allem noch sehr sympathische) erste Stimme. In diesem Band stehen die Zeichen nicht auf Krieg, es bahnt sich keine neue Schlacht an, sondern das Buch findet an anderen Schauplätzen statt. Wir lernen neue Charaktere kennen und schauen zwei anderen Völkern aus der Nähe zu, die im ersten Band noch Nebenrollen hatten. Dieser Perspektivenwechsel ist Trudi Canavan ausgesprochen gut gelungen, da er die Faszination ihrer Trilogie noch weiter steigert, denn im ersten Band war das weiße Volk der Sympathieträger schlechthin, die Pentadrianer jedoch nur die bösen schwarzen Magier, die sich gegen Nord-Ithania erhoben haben. Dass alles aber ganz anders ist, erfahren wir erst hier. Das stimmt auch nachdenklich, denn welche Chance auf Frieden besteht eigentlich, wenn die Magier beider Völker nahezu gleich stark sind und beide Völker glauben, in guter Absicht zu handeln? Ich bin sehr gespannt, wie Canavan dies auflöst!

„Magier“ ist überaus komplex, da sich Trudi Canavan viel Zeit nimmt, um neue Handlungsstränge zu entwickeln, um neue Sichtweisen zu eröffnen und um dem Leser nach und nach weitere Zusammenhänge klarzumachen. Kritiker mögen wieder anmerken, dass kaum etwas passiert. Das ist über einige Strecken des Buches zwar durchaus der Fall, dennoch fand ich keinen Handlungsfaden uninteressant und habe mich auch auf keiner Seite gelangweilt, da Canavan so viele neue Informationen einflicht, welche die Welt Ithaniens noch bunter und faszinierender gestalten.

Insgesamt gefiel mir auch der zweite Band der Trilogie ausgesprochen gut. Obwohl vordergründig vielleicht nicht viel passiert, so stellt Trudi Canavan einmal mehr ihren riesigen Ideenreichtum unter Beweis und strickt wunderbare neue Handlungsstränge, die dem Buch und der gesamten Trilogie noch mehr Reiz verleihen und mir schon jetzt schlaflose Nächte bereiten, weil ich endlich wissen will, wie diese Trilogie wohl enden mag und wie Trudi Canavan all diese losen Enden zusammenführen wird. Und auch jetzt schon bin ich sicher, dass der Abschied von Auraya nicht minder schwerfallen wird als der von Sonea.

Broschiert: 800 Seiten
Verlagsspezial zur Trilogie: www.randomhouse.de/specialskids/zeitalter/