Dart-Thornton, Cecilia – Geheimnis der schönen Fremden, Das (Die Feenland-Chroniken 2)

Band 1: [„Im Bann der Sturmreiter“ 1521

Der zweiten Band der Feenlandchronik setzt unmittelbar und nahtlos am Ende des ersten Bandes an. Imrhien ist inzwischen bei Maeve Einauge. Nur scheint es, dass das junge Findelkind dort nicht sicher ist, die Hütte wird beobachtet. Imrhien muss aber nach Caermelor, um den Hochkönig zu sprechen. Maeve Einauge greift zu einer List …

So reist Imrhien in adliger Verkleidung und unter dem Namen Rohain Tarrenys von den Trauerinseln in die Hauptstadt. Doch trotz dieser Aufmachung hat der Hochkönig keine Zeit für den unerwarteten und auch ein wenig seltsamen Besuch. Es bleibt keine andere Wahl, als das Geheimnis dem Herzog von Roxburgh anzuvertrauen. Der Herzog muss jedoch bald Richtung Norden reisen, da die Unruhen in der Provinz Navarre immer mehr zunehmen. An seine Stelle tritt der Herzog von Ercildoune, mit dem Rohain sich schon bald anfreundet.

Die geheime Nachricht, die Rohain überbracht hat, war für die Krone äußerst wertvoll. Plötzlich winken eine Baronie und ein eigenes Lehen, ganz zu schweigen von einer Belohnung in Gold. Die Hofclique um Lady Dianella, die Rohain bisher verächtlich und gemein behandelt hat, benimmt sich plötzlich höchst freundlich und zuvorkommend. Der schöne Schein trügt. Rohain muss bald erkennen, dass sich unter den höflichen Masken mächtige Feinde verstecken, und das nicht nur bei Hofe! Woher nur rührt all diese Feindseligkeit? Erneut wird dem Findelkind bewusst, dass es endlich das Rätsel um seine Vergangenheit lösen muss …

Da sich Imrhien am Ende des ersten Bandes von allen Gefährten trennt, um Maeve Einauge aufzusuchen, und all diese Gefährten wie auch viele andere Personen nach der Trennung von Imrhien in der Versenkung verschwinden, sind neue Charaktere nötig, um die Geschichte fortzuführen.

Einer der wichtigsten ist Thomas Ercildoune, ein sympathischer, warmherziger Mann mit einem ausgeprägten Faible für das Volk der Faeran, das Elfenvolk. Kaum jemand weiß so viel über die Faeran wie er. Das ist kein Wunder, schließlich ist er der Barde des Königs. Er wird zu Rohains bestem Freund, zumindest, bis der Hochkönig ins Feld zieht und Ercildoune zu seinem Stellvertreter ernennt. Dennoch traut das Findelkind sich nicht, ihm die Wahrheit über seine Vergangenheit zu erzählen, zu groß ist seine Angst, in Ungnade zu fallen.

Lady Dianella ist überaus eitel und deshalb eifersüchtig auf Rohains Stellung, denn vor Rohains Ankunft drehte sich alles nur um sie. Deshalb will sie den unbequemen Gast so schnell wie möglich wieder loswerden. Allerdings ist die Lady nicht gerade besonders intelligent, ihre kleinen Intrigen bleiben oberflächlich und entbehren jeder Rafinesse.

Weit gefährlicher ist da schon Prinz Morragan, der Rabenprinz der Faeran. Als Bruder des Elfenkönigs besitzt er eine Machtfülle, der kaum jemand etwas entgegenzusetzen hat. Der Stolz der Elfen, den die Menschen oft genug als Hochmut empfinden, ist bei ihm besonders ausgeprägt. Und auch er ist eifersüchtig, und zwar auf seinen Bruder, der ein Menschenfreund ist. Morragan dagegen verabscheut die Menschen und will nichts mit ihnen zu tun haben. Am liebsten wäre es ihm, alle Tore zwischen Elfen- und Menschenwelt würden für immer geschlossen, doch ist er dem Torhüter der Elfen gegenüber nicht weisungsbefugt. Also greift auch er zu einer List …

Leider bleiben die genannten Charaktere alle ziemlich blass. Man erfährt kaum etwas von den einzelnen Personen, sie haben keine Geschichte, keine Gedanken, kaum Gefühle. Das mag zum einen daran liegen, dass ausschließlich aus Rohains Sicht erzählt wird, andererseits hätte Cecilia Dart-Thornton durchaus die Möglichkeit gehabt, von dieser Sichtweise abzuweichen. Abgesehen davon: Natürlich ist Rohain völlig unerfahren, was das Hofleben und seine großen und kleinen Täuschungen angeht, aber deswegen noch lange nicht dumm. Dennoch vermisste ich jegliche Beobachtungsgabe, und diese Oberflächlichkeit passt eigentlich nicht zum übrigen Charakter.

Ein weiterer Punkt ist Rohains Verliebtheit. Zwar schreibt die Autorin romantische Fantasy im klassischen Sinne. Die Formulierungen im Zusammenhang mit Rohains Liebe schrammen allerdings nur haarscharf am Kitsch vorbei, und lediglich die Tatsache, dass die Autorin sich diesbezüglich kurz gefasst hat, verhindert, dass die entsprechenden Passagen auf das Niveau von Groschenromanen abrutschen. Dazu kommt, dass diese Liebe anscheinend lediglich auf der Schönheit der geliebten Person beruht, jedenfalls wird allein diese in den Gedanken Rohains genannt. Niemals beziehen die Gedanken sich auf irgendwelche Charaktereigenschaften oder die Erinnerung an besondere Ereignisse, die beide gemeinsam erlebt haben. Noch eine Oberflächlichkeit, die nicht ins Bild passt.

Allein Rohains Verhalten wirkt auch diesmal glaubhaft und echt. Das naive Findelkind, das keinerlei Ahnung von feinem Benehmen und Etikette hat, fühlt sich inmitten des übertriebenen Pomps unwohl und völlig fehl am Platz. Von Natur aus aufrichtig, ist es der boshaften Hinterhältigkeit der Höflinge nicht gewachsen. Sein Selbstwertgefühl ist aufgrund seiner Entstellung so gut wie gar nicht ausgeprägt. Rohain spürt seinen wackligen Stand innerhalb dieser Gesellschaft der Äußerlichkeiten, doch das bequeme Leben des Adels missen zu müssen und in den Schmutz und die Armut zurückzukehren, ist dennoch ein äußerst unangenehmer Gedanke. Rohain kann sich nicht von diesem neuen Leben losreißen.

Das kann es letztlich aber nicht mehr rausreißen, und so lässt die Charakterzeichnung insgesamt diesmal doch etwas zu wünschen übrig. Auch die Tatsache, dass die Autorin die im ersten Band lose gebliebenen Fäden der Burg Isse nochmals aufgenommen hat, kann darüber nicht hinwegtrösten, denn die im Grunde vielversprechend angelegten Charaktere von Ustorix und Mortier verpuffen lediglich als Episode am Rande: Von Ustorix bleibt nichts als ein eitler Pfau übrig, und Mortier ist ein Opfer seiner Beziehungen zu den Unseelie geworden und taucht nicht einmal persönlich auf. Dabei war der Abstecher nach Burg Isse für die Handlung durchaus nicht unwichtig. Leider ging diese hier in den unwichtigen Details völlig unter.

Das gilt übrigens nicht nur für diesen Teil der Handlung. Auch die Geschehnisse in der Hauptstadt und auf der Insel Tamhania verlieren sich in ausschweifenden Beschreibungen von Nebensächlichkeiten aller Art. Cecilia Dart-Thornton scheint ein Faible für Prunk zu haben. Zwar hat sie auch die Landschaften im ersten Teil durchaus detailliert und poetisch geschildert, doch bleibt dies weit hinter dem zurück, was die Autorin an Ausführlichkeiten für Kleidung und Raumausstattung übrig hat! Sie schwelgt geradezu in den Einzelheiten von Stoffen, von denen ich noch nie im Leben etwas gehört habe, von Edelsteinen, deren Namen ich zwar immerhin kenne, deren Aussehen ich aber erst einmal nachschlagen müsste, und von Möbeln und Geschirr, das im Großen und Ganzen überall gleich aussieht und genau genommen total unwichtig ist. Ganze Seiten wendet sie dafür auf, den Ablauf von Festessen inklusive sämtlicher Gänge oder einen Imbrol-Ball sowie die Beziehungen zwischen Menschen und Meeresgeistern wie Silkies oder Meerjungfern darzustellen.

Auf Dauer ist das ungeheuer ermüdend, vor allem, weil es sich ständig zu wiederholen scheint. Der durchschnittliche Leser hat garantiert bereits nach dem ersten Festessen begriffen, wie übertrieben prunkvoll, üppig und dekadent das Hofleben ist.
Eine weitere Bremse für den Handlungsverlauf stellen die Legenden und Geschichten über Seelie und Unseelie dar, die ebenfalls wieder in großer Zahl Platz gefunden haben. Manche kannte ich sogar schon und empfand sie deshalb als doppelt lästig. Wenn ich die Geschichte des Rattenfängers oder die vom Elfenkind lesen will, nehme ich mir ein Märchen- oder Sagenbuch, und lese sie dort nach.
In diesem Fall wollte ich allerdings die Geschichte von Imrhien/Rohain lesen. Von der bleibt aber nach Abzug all der Weitschweifigkeiten und handlungsfernen Nebensachen nicht mehr viel übrig. Ich schätze, die eigentliche Geschichte von Imrhien könnte man locker auf der Hälfte der Buchseiten unterbringen.

Ich muss daher sagen, dass dieser zweite Band die Hoffnungen, die ich nach dem ersten Band in ihn gesetzt hatte, nicht erfüllt hat, eher im Gegenteil.

Mit den vielen zusätzlichen Legenden und Sagen allein hätte ich mich, auch wenn sie in keinem Zusammenhang mit Rohains Geschichte stehen, vielleicht noch abgefunden angesichts dessen, dass die Feenwelt gegen Ende tatsächlich noch an Bedeutung gewinnt und endlich mit der eigentlichen Geschichte verwoben wird. Aber auch in den übrigen Punkten wurde ich enttäuscht. Der Verlauf der Handlung wurde nicht gestrafft, sondern eher noch weiter aufgebläht, sodass der Spannungsbogen oft genug völlig durchhängt. Die Charakterzeichnung wurde nicht intensiver, sondern flacher. Da es sich bei diesem Zyklus erklärtermaßen um romantische Fantasy und nicht um Action handelt, erscheint mir das Verhältnis zwischen innerer und äußerer Handlung zu unausgewogen, Rohains Gedanken- und Gefühlswelt kommt eindeutig zu kurz. Der ohnehin schon geringe Anteil an eigenen Ideen hat sich nicht vergrößert. Der Zyklus verkümmert zu einer Sammlung von Volksmärchen in dem unpassenden Kleid einer Liebesgeschichte.

Immerhin lässt das Ende des zweiten Bandes, an dem das Feenreich und sein vielversprechender Prinz endlich ans Geschehen andocken, darauf hoffen, dass im dritten Band doch nochmal sowas wie Bewegung und damit auch mehr Spannung aufkommen wird. Sollte Prinz Morragan allerdings ebenso wie Dorn und Ustorix im Klischee versinken, wäre das wirklich ein Verlust! Und für mich das K.o.-Kritierium für weitere Bücher dieser Autorin.

Cecilia Dart-Thornton, selbst ein Findelkind, wuchs in der Nähe von Melbourne auf. Aus ihrer Feder stammt außer den Feenlandchroniken auch der Crowthistle-Zyklus, von dem bisher die ersten beiden Bände auf Englisch erschienen sind: „The iron tree“ und „The well of tears“. Wann Bände dieses Zyklus auf Deutsch erscheinen, ist noch nicht absehbar, und auch das Erscheinungsdatum des dritten Teils der Feenlandchroniken steht noch nicht fest.

Neben dem Schreiben widmet sich Cecilia Dart-Thornton außerdem der Musik und der Fotographie.

http://www.dartthornton.com