Sara Douglass – Gesandter des Teufels (Das dunkle Jahrhundert 4)

Band 1: „Hüter der Macht“
Band 2: „Tochter des Krieges“
Band 3: „Diener des Bösen“

_Hal Bolingbrokes Plan_ zur Beschaffung der Schatulle mit Wynkyn de Wordes Buch ist misslungen. Nicht nur, dass es nicht die richtige Schatulle war, sie hat auch noch einen entsetzlichen Preis gefordert. Und Thomas Neville muss erkennen, dass seine Überzeugung, er könne zu Margaret genügend Distanz wahren, um sich nicht zu verlieben, eine gravierende Fehleinschätzung war. Jetzt versucht er, sich selbst davon zu überzeugen, dass seine unleugbare Liebe zu Margaret nicht bedeuten muss, dass er ihr auch seine Seele schenkt.

Derweil geht die Saat des Aufruhrs, die Wycliff und seine Lollarden gesät haben, auf. Ein Heer von Bauern marschiert unter der Führung von Nevilles Jugendfreund Wat Tyler und anderen nach London, um dem König seine Beschwerden vorzutragen. Doch dem arroganten Richard gelingt es innerhalb von nur zwei Minuten, sich sämtliche Sympathien beim Volk völlig zu verscherzen.

Noch am selben Tag wird Bolingbroke unter Aberkennung seiner sämtlichen Titel aus England verbannt, womit Richard selbst diejenigen Adligen verprellt, die bisher noch zu ihm gehalten hatten. Der Hauch von Verrat, der als vage Ahnung in der Luft lag, verdichtet sich immer mehr.

_Dieser vierte Band des Zyklus_ entspricht im Original der zweiten Hälfte des zweiten Bandes, insofern wundert es nicht, dass neue Charaktere ausbleiben, dafür aber andere weiter intensiviert werden.

Das gilt vor allem für Mary. Hals Frau leidet sehr unter dessen Gleichgültigkeit und unter einen weiteren Fehlgeburt. Sie schwindet wie ein Schatten, sehr zu Margarets Kummer. Doch bei ihrer Rückkehr aus der Verbannung spürt sie erstmals, dass die Zuneigung des Volkes zu Bolingbroke sich auch auf sie erstreckt. Erstmals wird ihr bewusst, dass sie, so lange sie am Leben ist, Einfluss besitzt, allein durch ihre pure Existenz. Denn ganz gleich, welche Pläne Hal für seine Zukunft hat, an Mary kommt er nicht vorbei, ohne sich seine Sympathien beim Volk zu verscherzen.

Während Marys Selbstbewusstsein unerwartet Auftrieb erhält, muss Katherine feststellen, dass sie sich in Philipp von Navarra, den sie eigentlich nur für ihre Ziele benutzen wollte, verliebt hat. Und dass sie sich plötzlich gar nicht mehr so sicher ist, ob sie wirklich unbedingt Hal heiraten will …

Allein bei der Darstellung Robert de Veres hat sich nicht viel getan. Es stellt sich lediglich heraus, dass er zusätzlich zu all seinen anderen üblen Charaktereigenschaften auch noch feige ist.

Die ohnehin schon gute Charakterzeichnung hat durch die beiden Frauen einiges gewonnen. Und selbst de Vere ist ein Gewinn, ein Mistkerl, den man so richtig schön hassen kann, auch wenn ihm die Tiefe anderer Figuren fehlt.

_Die Handlung_ dreht sich nach dem Fehlschlag von Bolingbrokes Plan zunächst vorwiegend um den Bauernaufstand und seine Konsequenzen. Damit ist der Leser zunächst einmal vollauf beschäftigt. Die Schatulle mit de Wordes Buch rückt erst wieder in den Vordergrund, als Bolingbroke nach England zurückkehrt. Was dann allerdings daraus zum Vorschein kommt, entspricht einem Erdbeben!

Jemand hat mir mal erzählt, Mrs. Rowling hätte in einem Interview geäußert, dass sie ihre Potter-Bände unter anderem auch geschrieben habe, um ihre Leser von Gott abzubringen. Wenn das tatsächlich stimmen sollte, dann hat sie – zumindest in dieser Hinsicht – ihren Job ganz erbärmlich schlecht gemacht … im Gegensatz zu Sara Douglass! Das, was ich hier gelesen habe, wäre weitaus besser geeignet, einen Leser von seinem Glauben an Gott zu kurieren, als alles, was sich bei Rowling an Harmlosigkeiten findet, und stellt selbst die besten Verschwörungsthriller in den Schatten.

Natürlich sind wir hier immer noch in der Fantasy. Das wird vor allem deutlich, wenn man die historischen Personen aus dem Buch mit denen der Realität vergleicht. Manche der Abweichungen ergaben sich einfach daraus, dass die Autorin eine erfundene Figur in den Mittelpunkt ihrer Geschichte gestellt hat. Die Konsequenz daraus war eine Veränderung des historischen Kontextes, der sich aus der Existenz einer solchen Person hätte ergeben können, sozusagen, als wäre mit dem Auftreten Thomas Nevilles eine Art Paralleluniversum entstanden. Zum Beispiel hat Margaret Thomas geheiratet anstatt Harry Percy, den späteren Earl of Northumberland, und der Earl of Arundel wurde ermordet anstatt hingerichtet.

Ab einem gewissen Punkt lassen sich die Diskrepanzen zwischen Historie und Roman allerdings nicht mehr mit einem Paralleluniversum erklären. Zum Beispiel die Tatsache, dass Jeanne d’Arc 1380 noch gar nicht geboren war, und die Romanfigur des jungen Karl entspricht eher der historischen Person Karls VII., was zwar gut zu Jeanne d’Arc passt, aber leider nicht in die Zeit. Denn der König von Frankreich hieß zu jener Zeit Karl VI. und war erst zwölf. Hier hat die Autorin sich weitreichende Freiheiten erlaubt, die in meinem Fall tatsächlich zu Verwirrungen geführt haben, vor allem im Hinblick auf die Figur des Philipp. Philipp II. von Navarra war 1380 seit über dreißig Jahren tot, sodass ich mich frage, ob stattdessen nicht vielleicht Philipp II. von Burgund gemeint ist.

Natürlich ist es üblich, dass Schriftsteller die Ergebnisse ihrer Recherche manchmal ein wenig abwandeln, damit die Fakten sich besser in die Romanhandlung integrieren lassen. In diesem Fall muss ich allerdings sagen, daß Sara Douglass damit fast ein wenig zu weit gegangen ist. Wäre |Das dunkle Jahrhundert| ein Historienzyklus, hätte mich das ernstlich gestört.

Wer allerdings in Geschichte nicht so bewandert ist, dass ihm solche Dinge auffallen, oder wer einfach darüber hinwegsehen kann, der wird nach wie vor mit einer faszinierenden Mischung aus Fantasy und Realität belohnt. Die Freiheiten, die die Autorin sich im Hinblick auf die historischen Ereignisse nimmt, sorgen dafür, dass die Handlung niemals ganz vorhersehbar ist. Die Rivalität zwischen Hal und Philipp, die beide Katherine und auch Frankreich für sich haben wollen, die Rachsucht des Dominikaners Thorseby und Hotspurs Neid auf Hal bieten noch jede Menge Potenzial für Spannung. Vor allem aber der Kampf zwischen Gut und Böse, den Neville entscheiden soll, und die Tatsache, dass trotz der Offenbarung beim Öffnen der Schatulle nicht im Geringsten klar ist, wer nun eigentlich gut und wer böse ist, machen diese Bücher zu einer ausgesprochen fesselnden Lektüre. Umso ärgerlicher ist es, dass der Leser ein geschlagenes Jahr warten muss, um zu erfahren, wie die Sache ausgeht, da |Piper| wieder einmal beschlossen hat, den Zyklus nur in halben Bänden zu veröffentlichen.

_Sara Douglass_ arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres |Weltenbaumzyklus| stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Außer dem |Weltenbaumzyklus| und dem |Sternenzyklus| schrieb sie diverse Romane und Kurzgeschichten. Zurzeit schreibt die Autorin an ihrer neuen Trilogie |Darkglass Mountains|. Wann die Übersetzung von „The Crippled Angel“, dem letzten Teil des Zyklus |Das dunkle Jahrhundert|, erscheint, steht noch nicht fest.

403 Seiten, gebunden
Originaltitel: The Wounded Hawk
Aus dem australischen Englisch von Sara Riffel
ISBN-13: 978-3-492-70165-5

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