Eric Van Lustbader – Shan (China Maroc 02)

Showdown im Hochland

Shi Zilin, der Schicksale lenkende Jian, nähert sich dem Tod und setzt seinen Sohn Jake Maroc als Nachfolger, als Zhuan, ein. Als Kopf des Inneren Zirkels soll Jake zusammen mit 3 Tai-Pans allen Handel in Hong Kong kontrollieren. Doch ein sowjetischer KGB-Agent namens John Bluestone macht ihm ebenso das Leben schwer wie Jakes ehemaliger CIA-Führungszirkel.

Und in Peking ruhen die Feinde Shi Zilins weiterhin nicht, um die „Fremden Teufel“ in Hongkong aus dem Land zu werfen, indem sie die Handelsstadt erobern und unterwerfen. Unterdessen gerät sein japanischer Freund, der Oyabun Mikio Komoto in Lebensgefahr, denn er befindet sich in einem Bandenkrieg der Yakuza…

Der Autor

Eric Van Lustbader, geboren 1946, ist der Autor zahlreicher Fernost-Thriller und Fantasyromane. Er lebt auf Long Island bei New York City und ist mit der SF- und Fantasylektorin Victoria Schochet verheiratet. Sein erster Roman „Sunset Warrior“ (1977) lässt sich als Science Fiction bezeichnen, doch gleich danach begann Lustbader (das „Van“ in seinem Namen ist ein Vorname, kein holländisches Adelsprädikat!), zur Fantasy umzuschwenken. Der Dai-San-Zyklus gehört dem Genre der Sword & Sorcery an und besteht aus folgenden Romanen:
Sunset Warrior (Ronin), Shallows of Night (Dolman), Dai-San; Beaneath an Opal Moon (Moichi); Beyond the Sea of Night (Der Drachensee).

1980 begann Lustbader mit großem Erfolg seine Martial-Arts & Spionage-Thriller in Fernost anzusiedeln, zunächst mit Nicholas Linnear als Hauptfigur, später mit Detective Lieutenant Lew Croaker: The Ninja; The Miko; White Ninja; The Kaisho usw. Zur China-Maroc-Sequenz gehören: Jian; Shan; Black Heart; French Kiss; Angel Eyes und Black Blade. Manche dieser Geschichten umfassen auch das Auftreten von Zauberkraft, was ihnen einen angemessenen Schuss Mystik beimengt.

Die Kundala-Trilogie ist Fantasy, mit SF-Elementen kombiniert: „Der Ring der Drachen“, „Das Tor der Tränen“ und „Der dunkle Orden“. Da diese Fantasy ebenfalls in einem orientalisch anmutenden Fantasyreich angesiedelt ist, kehrt der Autor zu seinen Wurzeln zurück, allerdings viel weiser und trickreicher. Kürzlich hat er noch einmal eine Wendung vollziehen und schreibt nun die Thriller seines verstorbenen Kollegen Robert-Ludlum fort, so etwa „Die Bourne-Verschwörung“.

Handlung

Shi Zilin, der Schicksale lenkende Jian, nähert sich dem Tod und setzt seinen Sohn Jake Maroc als Nachfolger, als Zhuan, ein. Als Kopf des Inneren Zirkels soll Jake zusammen mit drei anderen Tai-Pans allen Handel in Hong Kong kontrollieren. Doch ein von KGB-Generalin Daniella Vorkuta gesteuerter sowjetischer Agent namens Sir John Bluestone alias „Schimäre“ macht ihm ebenso das Leben schwer wie Jakes ehemaliger Agenten-Führungszirkel (vormals „The Quarry“, jetzt „Die Pyramide“).

Killermission

In Washington, D.C. hat der letzte Überlebende des Agentenzirkels des US-Präsidenten namens Rodger Donovan einen neu rekrutierten Ex-DEA-Agenten namens Tony Simbal entsandt, um Jake Maroc zu erledigen, denn er hält Jake, der (in „Jian“) Donovans Kollegen Henry Wunderman erledigte, für einen Verräter. Mit der Hilfe Rodger Donovans und des der CIA-Agenten Max Threnody soll er in der Shan-Region tätig werden, jenem umkämpften Gebiet zwischen Burma, Thailand und China, wo die größten Opiummengen hergestellt und gehandelt werden. Simbal & Co. sollen den Opiumhandel beenden. Auf Max Threnodys Party in Washington, D.C. sieht er die unglaublich sexy Agentin Monica wieder, seine Flamme, die er vor Jahren hat sitzenlassen. Erst verpasst sie ihm dafür eine Ohrfeige, dann verführt sie ihn in einem Hinterzimmer, das als Garderobe dient.

Peking

Und in Peking ruhen die Feinde Shi Zilins weiterhin nicht, um die „Fremden Teufel“ in Hong Kong aus dem Land zu werfen, indem sie die Handelsstadt erobern und unterwerfen. Zilin kämpft seit einem halben Jahrhundert gegen diese Abschottungspolitiker und will in einem Geheimprojekt namens Kam Sang fortschrittliche West-Technologie nutzen: ein Kernreaktor plus Meerwasserentsalzungsanlage plus Faktor X. Kam Sang würde Hong Kong von chinesischem Wasser unabhängig machen. Doch die kontrollierende Gesellschaft Pak, die Zilin und Jake gehört, wird von Bluestone wirtschaftlich angegriffen. Wenn es Bluestone gelingt, auch die SouthChina Bank, die wiederum Pak kontrolliert, ins Wanken zu bringen, wäre Kam Sang ernsthaft in Gefahr. Jake verspricht den drei Tai Pans, es niemals dazu kommen zu lassen.

Japan

Unterdessen gerät sein japanischer Freund, der Oyabun Mikio Komoto in Lebensgefahr, denn er befindet sich in einem Bandenkrieg der Yakuza. Jake verspricht der Familie Komoto seinen Beistand, doch Mikio ist unauffindbar. Er kommt nicht dazu, Mikio zu suchen, denn es stellt sich heraus, dass die Hongkonger Bank, die dem inneren Kreis als Drehscheibe für alle Transaktionen dient, durch Unterschlagung an den Rand des Zusammenbruchs gebracht worden ist. Ein Wort an den falschen Mann genügt, um Zilins Imperium zusammenbrechen zu lassen. Dann wäre Kam Sang, die Zukunft Chinas, nicht mehr zu retten.

Doch wie konnte es nur so weit kommen, fragt sich Jake. Liegt es daran, dass er seinen sechsten Sinn, das Ba-mahk, verloren hat? Da bemerkt er eine Verfolgerin, die ihn nicht nur beschattet, sondern sogar in die Enge treibt. Im Gewirr der Gassen, Treppen und Gänge des Central District scheint er sie abhängen zu können, doch am Ausgang blickt er in die Mündung einer Pistole…

Hongkong

Auf den Dschunken, die Drei-Eide-Tsung, seinem Onkel gehören, entern drei schwerbewaffnete Männer ein Boot. Jemand hat ein Killerkommando auf Jake und seine Familie angesetzt. Maschinepistole mähen die Wachen nieder. Bliss, Jakes Gefährtin, befindet sich als letzte Beschützerin vor Shi Zilin, Jakes Vater. Sie hat eine übernatürliche Erfahrung: Sie ist durch Zilin mit dem Universum verbunden. Da bittet er sie um einen ungewöhnlichen Gefallen: Statt ihn den Kugeln der Barbaren auszuliefern, soll sie ihn mit einem Kissen ersticken…

Doch wo steckt Drei-Eide-Tsung? Er feiert gerade im besten Restaurant Asiens den Geburtstag seiner Geliebten, Neon Chow. Er ahnt nicht, dass sie das, was er im Trunk ausplaudert, sofort an einen Agenten mit dem Decknamen „Mitre“ weiterleitet, selbst wenn sie dafür 48 Stunden muss. Als Frau ist sie einfach nicht wichtig genug, um sofort eine Verbindung zu erhalten.

Moskau

Daniella Vorkuta hätte es nie für möglich gehalten, doch kaum ist sie als einzige Frau in den erlauchten kreis des Politbüros aufgenommen worden, wird sie dessen langjährigem Mitglieder Oleg Maluta gedemütigt, entlarvt und erpresst. Nun muss sie für ihn Handlangerdienste leisten, beispielsweise ihren eigenen Geliebten Carelin ausspionieren. Maluta hat einen Plan, der die Sowjetunion in den nächsten Weltkrieg stürzen wird. Ihre wichtigen Quellen in China, Hongkong und Japan bedeuten ihm weniger als nichts. Verzweifelt sucht sie für sich, Carelin und ihr Land nach dem Schlüssel zum rettenden Ausweg…

Mein Eindruck

Der zweite Band der China-Maroc-Dilogie beginnt in der Hintergrundgeschichte dort, wo der erste Band aufhörte: mit dem Beginn des chinesischen Bürgerkriegs ca. 1940. Shi Zilin, der große Strippenzieher an Mao Tse-tungs Seite, erhält während und nach dem Endes Bürgerkriegs anno 1949 einen Gegenspieler namens Huaishan Han, der vor nichts zurückschreckt. Er hat die Attentäter engagiert, die von Tokio nach Hongkong geflogen sind, um Jake Maroc und seine Liebsten zu töten. Er hat auch Jakes leibliche Tochter Lan entführen und einer Gehirnwäsche unterziehen lassen. Als Jake sie schließlich im Shan-Hochland aufspürt, ist sie seine tödlichste Gegnerin geworden.

Der Shan

Das titelgebende Hochland erstreckt sich zwischen Südwestchina in der Provinz Yünnan, Thailand, Laos, Vietnam und Burma, dem heutigen Myanmar. Hier leben zahlreiche Stämme, die nie unterworfen werden konnten, und folglich auch etliche Kriegsherren, die vom Opiumhandel leben. Die Geographie erweist sich als Prüfstein für die Qualität der jeweiligen politischen Ideologie. Sehr zu Shi Zilins Leidwesen scheitern die hohen Ideale, mit denen Maos Kommunisten gestartet sind.

Terror und Opium

Huaishan und seine Vorgesetzten haben eine Schreckensherrschaft errichtet, der, wie unter Stalin und Hitler, alle Andersdenkenden und verdächtigen Abweichler zum Opfer fallen. Zilin, Jake Maroc und seine amerikanischen Kontrahenten entdecken, dass der Shan der größte Geldbringer für die Kommunisten ist: Sie sind die weltgrößten, illegalen Kapitalisten geworden. Ein General leitet die wichtigste Opiumfabrik. Als sie in den Shan kommen, um dessen Geheimnis zu lüften, entdecken Jake, Tony Simbal und andere die Macht, die ihre Welt bedroht…

Schattenwelt

Die Schattenwelt der Geheimdienste, in der keiner ist, was er scheint, erstreckt sich auch auf Moskau. Dort kämpft Daniella Workuta, eine KGB-Chefin und Mitglieder des Politbüros, um ihre Freiheit, ihren Verstand und ihr Leben. Vor ihren Augen knallt ihr Rivale Oleg Maluta mehrere Männer ab, schließlich muss sie selbst wählen, ob ihr Liebhaber Carelin, Codename „Apollo“, als Spion der Amis sterben oder leben soll. Wird sie selbst aus Hongkong manipuliert, muss sie sich fragen, und was ist mit der dortigen, ultrageheimen Anlage? Letzten Endes muss sie entdecken, dass Liebe ein Dämon sein kann – oder ein Engel.

Seelenwanderung

Die Vorstellungskraft und Gutgläubigkeit des Westeuropäers wird etliche Male auf die Probe gestellt. Jake Maroc verliert durch Alpträume seine Manneskraft und sein Ki, die Vitalität. Geschwächt muss er mit einem konzertierten Angriff fertigwerden. Bliss, seine Freundin, empfängt hingegen die Seele ihres „Schwiegervaters“ Shi Zilins. Der Begriff der Seelenwanderung impliziert noch viele weitere Aspekte. Das wird im Showdown auf dem Shan-Massiv von entscheidender Bedeutung.

Und schließlich noch Lan, Jakes leibliche Tochter. Er hält sie für tot, und deshalb braucht der Leser eine ganze Weile, um zu begreifen, die Gefangene Qi Lin, die ein Opfer von Huaishans Gehirnwäsche geworden ist, mit Lan identisch ist. Der alte Parteigenosse und jetzige Opiumhändler hat sie zur Nemesis von Shi Zilins Sohn Jake umgeformt, um sich ein weiteres Mal an seinem Gegenspiel Shi zu rächen.

Im übrigen fällt dem philosophisch beschlagenen Leser auf, wie der Autor vielfach versucht, die chinesisch-japanische Denkweise mit der des indischen Buddhismus zu vereinen bzw. zu überformen. Das reicht vom schwarzen Feng-shui, das aus Indien über Tibet nach China gelangt sein soll, bis zu den alten Sanskrit-Ausdrücken, die den einzelnen Buchteilen vorangestellt sind.

Sex und Action

Für Spannung und Action ist also ebenso gesorgt wie für Faszination und ganz viel Sex. Wenigstens gibt es nicht mehr so viele Sexszenen wie in „Jian“, aber jeder Voyeur kommt immer noch auf seine Kosten. Lächerlich erscheinen dem heutigen Leser vor allem die seltsamen Umschreibungen wie „seine Nacktheit“ oder „ihre Grotte“, wenn doch lediglich männliche oder weibliche Geschlechtsteile gemeint sind. Da waren die Vorgängerbände wie „Die Miko“ wesentlich expliziter. Vermutlich bekam der Heyne-Verlag seitens der deutschen Zensur ein paar auf die Finger gehauen.

Die Übersetzung

Diese Übersetzung unterscheidet sich beträchtlich vom ersten Band des China-Maroc-Zyklus. Der neue Übersetzer übernimmt vielfach englische Ausdrücke wie etwa Ortsnamen. Aus „The Quarry“ wird „Die Pyramide“. Er macht nicht ganz so viele Fehler, aber doch genügend, um sie hier zur Warnung aufzuführen.

S. 29: “Land, das[s] von Armut… geplagt war…“: Statt ß muss hier ein s stehen.

S. 202: “aber es ist ebenso“: Nein, „es ist eben so.“

S. 232: “Spektralschrift”: Es ist unklar, was sich der Leser darunter vorstellen soll, denn das englische „spectral“ kann sowohl „die Farben des Spektrums“ als auch „geisterhaft“ bedeuten.

S. 261: “Welche Agentur brauchst?” Monica meint FBI und CIA, also US-BEHÖRDEN.

S. 269: “wie heulende Dämone[n]“: Das N fehlt.

S. 276: „Schmerz, der nach oben in den Magen schoss und ihn umzustulpen schien.“. meistens wird der Magen umgestülpt. Das Ü fehlt.

S. 334: „ihren kamen auf den Lippen“. Korrekt muss es wohl besser „ihren NAMEN auf den Lippen“ heißen.

S. 370: „Du hast uns einen schönen Schrecken eingejagt!“ Dies ist der Beginn eines neuen Absatzes und einer neuen Szene an einem ganz anderen Schauplatz. Doch davor steht keine Textlücke, die dies anzeigen würde. Diese tückischen Nichtlücken treten viele Male auf, vor allem am Ende einer Seite.

S. 380: „Das [z]war Shi Zilins Plan.“ Das Z ist überflüssig.

S. 415: „Er stieß einen KIAI [aus],…“ Ein Kiai ist ein Kampfschrei, der den Gegner kurzzeitig erstarren lässt. Das Wörtchen „aus“ fehlt.

S. 462: „von Templern und Sara[s]zenen…“: Das S ist überflüssig.

S. 501: „Shang[h]ai“: Das H fehlt.

S. 532: Ein Schachtelsatz, der schiefgegangen ist: „wer die Soldaten, die die Fabriken, wo das Rohopium verarbeiteten, [bewachten], befehligte.“ Hier fehlt ein ganzes Wort.

S. 537: „Er starrt[e] in Qi Lins gesicht…“: Das E fehlt.

S. 542: „Yazuka“ statt “Yakuza”.

S. 602: “dann die Musik erreichte Daniellas Bewusstsein nicht.“ Statt „dann“ sollte es besser „denn“ heißen, dann ergibt der Satz einen kausalen Sinn.

S. 643: “ein Quecksilbermond gab schmerzlich es Licht.“ Die Wörter „schmerzlich“ und „es“ gehören zusammen.

Unterm Strich

Diesen zweiten teil der China-Maroc-Dilogie habe ich verschlungen. Es gibt zwar weniger Sexszenen, aber dafür viel mehr Actionszenen. Jakes Schicksal erfüllt sich ebenso wie das von Bliss, Shi Zilin und Daniella Vorkuta. Viele Handlungsfäden laufen zusammen und treffen sich in der Konvergenz von aktueller Geschichte und Hintergrund-Backstory im Shan-Massiv.

Dieser Showdown ist actionreich, realistisch und doch auch wieder unglaubhaft geschildert. Es gibt einen Opfertod, eine Seelenwanderung und eine Erlösung – muss man gelesen haben, um es zu glauben. Ich möchte gerne glauben, dass der Übersetzer hier nich gekürzt hat, wie das noch in „Der Ninja“ und „Schwarzes Herz“ der betrübliche Fall war.

Für die vielen Fehler gibt es Punktabzug.

Taschenbuch: 651 Seiten.
O-Titel: Shan, 1986;
Aus dem US-Englischen von Ralf Sandhagen.
ISBN-13: 978-3453045729

www.heyne.de

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