Thomas Görden- Die Krypta

Die Verkaufsstrategie der „Krypta“ ist voll aufgegangen, der Buchtitel versprach einen spannenden Thriller religiösen Inhalts, an dem ich nicht vorbeigehen konnte. Der Inhalt des Buches ging allerdings leider in eine vollkommen andere Richtung …

Abenteuerliches über die Krypta

Eines Abends beobachten die beiden Obdachlosen Karla und Hannes, wie zwei dunkel gekleidete Gestalten eine Leiche vor dem Kölner Dom ablegen. Als sie die tote Person genauer untersuchen wollen, werden sie von einem Fremden angegriffen, wobei Hannes von dem nächtlichen Angreifer verletzt wird. Die Kriminalpolizei wird eingeschaltet und Susanne Wendland übernimmt den Fall des ermordeten Dompropstes Oster. Offensichtlich wurde Oster erschlagen, doch findet sich kein Blut am Fundort der Leiche, sodass der Tatort an anderer Stelle zu suchen ist. Um an die verstörte Karla heranzukommen, bittet Susanne die befreundete Schamanin Chris um Rat, von der sie sich erhofft, dass sie zu Karla vordringen kann. Und richtig, Chris bemerkt sofort das zweite Gesicht bei Karla und kann sie zum Reden bringen. Karla verspürt geheimnisvolle Kräfte und Vibrationen rund um den Dom herum, die auch Chris fühlen kann. Auch die vielen Tauben ziehen sich vom Dom zurück, weil sie die brodelnde Gefahr bemerken können.

Bei einer polizeilichen Befragung der beiden Kirchenmänner Scharenbroich und Hatheyer wird Susanne Wendland klar, dass diese etwas zu verbergen haben; sie wissen mehr über den toten Oster, als sie zugeben wollen. Wendland beschließt, eine Gegenüberstellung mit Karla zu inszenieren, um herauszufinden, ob Scharenbroich und Hatheyer die nächtlichen Gestalten sind, die die Leiche des ermordeten Dompropstes vor dem Dom abgelegt haben. Noch vor der geplanten Gegenüberstellung geschieht ein Unglück!

Fast gleichzeitig stürzt des nachts ein besetztes Gebäude ein, das schon lange abgerissen werden sollte. Doch der steinreiche Hausbesitzer Roland Vandenberg hatte es nicht geschafft, die Hausbesetzer zu vertreiben. Hatte er etwa seine Finger im Spiel bei dem mysteriösen Hauseinsturz, bei dem fast alle Bewohner ums Leben kamen? Der berühmt-berüchtigte Kölsche Klüngel sorgt dafür, dass Susanne Wendland nur unter der Hand und rein pro forma in Sachen Hauseinsturz ermitteln darf. Komischerweise kann allerdings keine Einsturzursache ermittelt werden. Erst ein Wünschelrutengänger kann hier helfen. Welche geheimnisvollen Kräfte sind in Köln am Werke?

Kritische Auseinandersetzung mit einer geheimnisvollen Welt

Die kurze Inhaltsangabe auf dem Buchrücken ließ mich auf ein spannendes Buch rund um den Kölner Dom hoffen. Mysteriöse Dinge geschehen in der Kölner Innenstadt, außerdem geht ein Mörder um, der ganz eigene Ziele zu verfolgen scheint. Kirchliche Thriller üben schon seit langem eine besondere Faszination auf mich aus, doch in letzter Zeit erwische ich leider verstärkt abgefahrene Kirchenthriller, die plötzlich ins Absurde abdriften („Der Judasfluch“ von Scott McBain war ein solcher literarischer Reinfall). Sollte mir das Gleiche mit der „Krypta“ auch passieren? Alle Warnungen hatte ich in den Wind geschlagen und das Buch trotzdem gelesen …

Zunächst beginnt die Geschichte noch recht harmlos und halbwegs realistisch; ein Toter wird vor dem Dom aufgefunden, so funktionierte auch der Einstieg in Schätzings „Tod und Teufel“, doch danach entwickeln sich beide Bücher schnell weit auseinander. Es dauert nicht lange, bis die Schamanin Chris ihren ersten Auftritt hat und von ihrem Krafttier zu reden beginnt. Als dann kurze Zeit später ihr Freund auszieht und sie sitzen lässt, habe ich vollstes Verständnis dafür, denn ich möchte auch nicht täglich das Krafttier mit meinem Partner tanzen, wenn ich an solchen Unsinn nicht glaube, und auch das beständige Selbstmitleidgejammer weiß sicherlich keine Sympathie zu gewinnen.

Ein Spannungsaufbau findet im Buch praktisch gar nicht statt, obwohl sehr viele Handlungsstränge aufgemacht werden und viele Dinge parallel geschehen. Susanne Wendland muss an zwei verschiedenen Orten ermitteln, aber das eingestürzte Haus und der ermordete Dompropst hängen natürlich auf noch unbekannte Art und Weise zusammen. Zwischendurch finden sich immer wieder kursiv gedruckte Einschübe, die aus der Perspektive des offensichtlich verrückt gewordenen Mörders geschrieben sind; dieser nämlich sieht sich praktisch als Werkzeug Gottes in einer ganz besonderen Mission. Plötzlich kommt darüber hinaus noch das Nonnenkloster Bethlehem ins Spiel, dessen Äbtissin Hildegardis ebenfalls ermordet wurde. Geheimnisvolle Dinge geschehen in Köln und immer wieder wird die Stadt von Erschütterungen heimgesucht, die allerdings nur ausgewählte Menschen spüren können. Alle diese Handlungsstränge werden eröffnet, aber nur lieblos weitergeführt, auf keiner Ebene passieren entscheidende Dinge, die die Handlung vorantreiben könnten, um dadurch Spannung aufzubauen. Normalerweise bin ich es gewohnt, dass ein Handlungszweig immer dann unterbrochen wird, wenn dort etwas Weltbewegendes passiert, doch derlei Cliffhanger fehlen völlig im Buch, sodass „Die Krypta“ zu einem äußerst schleppenden Leseerlebnis wird. Auch die vielen Rechtschreib- und Setzungsfehler tragen nicht wirklich zum Lesegenuss bei.

Über den Inhalt des Buches lässt sich natürlich streiten, doch naturwissenschaftlich denkende Menschen dürften ihre Probleme mit dieser Geschichte haben. Praktisch alle handelnden Charaktere haben esoterische Neigungen, tanzen ihre Krafttiere und veranstalten Esoteriksitzungen. Die Figuren sind dermaßen überzeichnet dargestellt und der Realität entrückt, dass keine Identifikation möglich ist. Wahrscheinlich war die Kommissarin Susanne Wendland als solche Identifikationsfigur gedacht, doch wäre ich nie auf die Idee gekommen, ein Laster wie das Rauchen mit Hilfe eines Marder-Krafttieres loszuwerden. Ich finde mit keiner der Personen Übereinstimmungen, da ich weder an Schamanismus noch an das zweite Gesicht glaube. Doch in der Krypta scheint dies völlig normal und selbstverständlich zu sein, denn jeder hat diesen leichten Hang zur Konsum-Esoterik, mit dem ich persönlich nichts anfangen kann.

Die Charaktere werden recht ausführlich vorgestellt, sodass man sich von den Hauptfiguren ein leidlich gutes Bild machen kann, besonders die immer dicker werdende Schamanin Chris mit ihrer ausgefallenen Frisur mit den Zöpfchen über dem Ohr bekommt hier den für ihre Leibesfülle erforderlichen Raum im Buch. Aber auch Susanne Wendland und die später auftauchende Heike Vandenberg, die mit dem ominösen Bauherren Roland Vandenberg verheiratet ist und dringend ein schamanisches Heilungsritual benötigt, werden dem Leser näher gebracht. Teilweise so nah, wie man sich dies nicht unbedingt gewünscht hätte.

Den Inhalt an sich kann man eigentlich nur mit einem Ausdruck bezeichnen: Schund! Das Buch driftet dermaßen schnell ins völlig Absurde ab, dass sämtliches Lesevergnügen im Keim erstickt wird. Dreh- und Angelpunkt des Buches ist die Esoterik mit all ihren Ausprägungen. So werden per Wünschelrute die Leylinien in Köln ausgemutet, wobei so starke Kräfte am Werke sind, dass der Wünschelrutengänger sogleich sein Leben lassen muss. Über das Ende der Geschichte kann man schließlich fast nur noch lachen. Wenn man glaubt, dass es gar nicht mehr schlimmer kommen kann, dann bietet Görden ein Buchende auf, wie man es sich in seinen übelsten Albtraumphantasien nicht hätte vorstellen können. Hier zieht er noch einmal sämtliche Register seines schriftstellerischen Unvermögens und stößt den skeptischen Leser ein weiteres Mal vor den Kopf, indem er sich eine abstruse Geschichte ausdenkt, die einem höchstens im Vollrausch einfallen würde. Realismus und eine spannende Geschichte sollte man tunlichst nicht von diesem Buch erwarten; man sollte sich sogleich auf eine allzu abenteuerliche Erzählung gefasst machen, die sich rund um Esoterik und Schamanismus dreht.

Auch sprachlich ist Görden kein Meisterwerk gelungen, er bedient sich einfacher Sprache, die aber dennoch kein solches Tempo entwickeln kann, wie die ebenfalls schlichten Worte eines Dan Brown das schaffen. Zudem steckt die „Krypta“ voller Lokalkolorit, sodass man eigentlich nur dann weiß, wo die Charaktere sich gerade befinden, wenn man sich in der Kölner Innenstadt rund um den Dom gut auskennt. Die verschwenderische Verwendung aller möglichen Straßennamen und Sehenswürdigkeiten aus Köln ist meines Erachtens übertrieben und trägt nicht dazu bei, die Situationen besser darzustellen.

Kurz gesagt kann man das Buch keinem realistisch denkenden Menschen empfehlen, der eine gewisse Skepsis der Esoterik gegenüber und eine zumindest geringfügige Erwartungshaltung an den Handlungs- und Spannungsbogen mitbringt. Man fühlt sich auf jeder Seite von Thomas Görden veräppelt und muss sich durch viele Rechtschreibfehler, sprachliche Schwächen und eine langweilige und abstruse Geschichte quälen, die auf keiner Seite mitreißen kann. Mir fällt als einziger positiver Punkt eigentlich nur der ein, dass man das Buch aufgrund des geringen Umfangs zügig durchgelesen hat. Finger weg von diesem Mist!

Taschenbuch: 397 Seiten
www.droemer-knaur.de