Hambly, Barbara – Drachentöter, Der

Der deutsche Titel ist Quatsch.

Im Original heißt das Buch „Dragonstar“, und das trifft es – erstens wird in dem Buch kein Drache getötet (im Gegenteil!), und zweitens spielt der |Drachenstern|, ein Komet, der alle tausend Jahre erscheint, eine wichtige Rolle. Er verstärkt nämlich die Kräfte der Dämonen, die sich seit drei Bänden im Königreich von Bel mit Ihresgleichen, aber auch mit Menschen und Gnomen um die Macht schlagen. Wenn man also partout zwecks Reklame titelmäßig etwas metzeln musste, hätte das Werk „Dämonentöter“ heißen sollen – gegen die geht es nämlich. Dass der Text auf dem Backcover auch nicht in allen Punkten stimmt, wird keinen wundern; und wen kümmert’s, wenn das Buch nur gut ist.

Aber ist es gut? – Hm. Schon meine Kollegen Martin und Wilko bemerkten in ihren Rezensionen, dass sich Hamblys Fantasy-Bücher streckenweise etwas langatmig lesen, was hier auch zutrifft. Das eigentliche Problem jedoch: „Drachentöter“ bildet den Abschluss eines vierbändigen Zyklus, und man sollte mindestens die zwei vorangegangenen Teile intus haben, um in diesen hier gut einsteigen zu können. Bastei gibt zu Anfang zwar eine Zusammenfassung von „Der schwarze Drache“, „Die dunkle Brut“ und „Der Sternendrache“, aber es haut einem da so die Namen von Menschen, Dämonen, Drachen und Dingen um die Ohren, dass man öfter mal „Wie jetzt??“ fragt.

Es geht, wie schon gesagt, um eine Invasion dieser Irgendwowelt durch Dämonen, die in Teil Zwei begann und immer noch andauert. Menschen werden zuhauf von ihnen „übernommen“, aber ihre bevorzugte Beute sind Drachen und Magier; etliche Figuren des vorliegenden Buches hatten bereits das Vergnügen, für die Höllensprösslinge den Wirt zu machen. Im Zuge solcher und anderer Katastrophen wurden die Magierin Jenny Waynest, ihr Mann John Aversin (Drachentöter, Dämonenüberlister, Than der Winterlande) und ihr Sohn Ian (auch ein Magier) voneinander getrennt; Jenny und Ian haben immer noch an den Folgen der dämonischen Symbiose zu tragen. Abgesehen davon wurde Jenny im Reich der Gnome durch einen Giftpfeil verwundet und John soll wegen Paktierens mit Dämonen auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Genügend Ansätze für eine spannende Handlung also, aber die ständigen Rückblicke der Figuren machen das Buch zähflüssig, zumal der unkundige Leser immer wieder ins Vorwort blättert, um zu erfahren, wer zum Geier nun schon wieder dieser Dämon ist und welcher gegen welchen kämpft. Die Höllengeschöpfe stehen untereinander im Verbündeten- und Lehnsverhältnis, wollen sich aber gleichzeitig permanent übers Ohr hauen – das macht die Sache nicht einfacher. Irritierend wirkt anfangs auch die Bezeichnung von Johns Verbündeten-Feindin Aohila als „Dämonenkönigin“; man denkt glatt, sie herrscht über alle anderen ihrer Spezies, was aber falsch ist – sie beherrscht nur ihre eigene Hölle (es gibt deren unzählige) und ist durch die wahren Bösen auch gefährdet.

Ungefähr ab Seite 160 entwickelt sich eine leidlich durchschaubare und spannende Handlung, denn man hat sich jetzt eingelesen und kennt die meisten Zusammenhänge, außerdem schildert Hambly den Kampf der Menschen gegen die Dämonen flüssig und zielstrebig. Endlich sind die Fronten klar; später werden sie wieder unklarer. Gelegentlich fragt man sich, wieso das übermächtige Böse so (relativ) einfach besiegt werden kann; und die finale Kampfszene musste ich zweimal lesen, um Johns genialen Plan zu begreifen – aber auch dann überzeugte er mich nicht so ganz.

Interessant ist das Konzept der Parallelwelten, das Hambly entwickelt. Eine davon erinnert sehr an die dystopische Erde eines nicht allzu fernen Jahrhunderts, leider lernt man sie nur in Rückblenden kennen. Wer darüber mehr wissen möchte, muss „Der Sternendrache“ lesen. Ungeklärt bleibt das Rätsel der Drachenschatten (Morkeleb, der schwarze Drache, der Helfer der Menschen, ist zu einem geworden; angeblich hat er dazu auf den Großteil seiner Magie verzichtet, aber dafür kennt er noch recht viele Zauber). Jedenfalls bieten diese offene Frage und das magische Potenzial, das in Ian schlummert, genügend Ansätze für eine Fortsetzung; ob sie allerdings sein muss, wage ich in Frage zu stellen – so brillant ist dieses Buch hier nun auch wieder nicht.

_Peter Schünemann_ © 2004
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [Buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|