Hohlbein, Wolfgang – Siegel, Das

„Das Siegel“ behandelt die Geschichte des vierzehnjährigen Ulrich von Wolfenstein, letzter Nachfahre aus einem verarmten Adelsgeschlecht, der sich den Kreuzfahrern anschließt, das heilige Land dann jedoch als Sklave betritt. Er wird verkauft an die Haschischin, die Anhänger des Hasan as-Sabbah, und zum Spielball der Intrigen zwischen diesen, den Tempelrittern und Saladin. Schließlich wird er zum Zeugen der Niederlage des christlichen Heeres bei Hattin, wo ihm der höchste Tempelherr das machtverleihende Siegel der Tempelritter anvertraut, auf dass er es in Sicherheit bringen möge. Stets scheint das Schicksal ihm trotz seiner unbedeutenden Geburt und seines unreifen Alters in Positionen zu zwingen, in denen das Schicksal vieler allein von seiner Entscheidung abhängt. Und letztlich fällt ihm die schwerste aller Entscheidungen zu: die Wahl zwischen dem Siegel und dem Freund, zwischen Verantwortung und Treue.

Das klang so weit für mich noch ganz spannend, doch bereits auf den ersten Seiten hat mich die Hohlbeinsche Wirklichkeit eingeholt und ich musste angesichts des extrem einfachen, dabei aber mit einem geradezu pubertären Pathos angefüllten Schreibstils bei zeitgleichem Agieren eines Vierzehnjährigen doch nochmals einen zweiten Blick auf die bibliographischen Angaben werfen. Nein, dies war kein Kinder- oder Jugendbuch. Das Buch ist erschienen als Möchtegern-historischer-Roman in der |Allgemeinen Reihe| des |Heyne|-Verlags. Schade eigentlich, denn als Jugendbuch hätte man hier doch einiges vergeben können, so aber wetze ich jetzt ungeniert meine kritischen Seziermesser. Dabei hat Hohlbein eine fast identische Geschichte auch als Jugendbuch unter dem Titel „Der Ritter von Alexandria“ veröffentlicht.

Wolfgang Hohlbein, 1953 in Weimar geboren, ist seit 1982 hauptberuflicher Schriftsteller. Seitdem hat er 256 Bücher entweder selbst geschrieben, veröffentlicht oder sonstwie an ihnen mitgewirkt. Er gehört heute zu Deutschlands erfolgreichsten und meistgelesenen Autoren – dennoch sind ihm bisher maximal eine Handvoll Bücher gelungen, die von den Kritikern nicht komplett zerrissen wurden. Und man merkt auch sofort, warum das der Fall ist: Der Stil ist einfach so grauenvoll, dass mir manche Formulierungen regelrechtes literarisches Sodbrennen verursachen. Dermaßen schlecht kenne ich die handwerkliche Umsetzung sonst eigentlich nur noch von Barbara Cartland. Hohlbein spaltet die Nation eindeutig in ihre Lesestoff-Geschmäcker.

Dazu handeln die Protagonisten nicht in einem Rahmen, den ein Erwachsener nachvollziehen kann. Selbst die älteren Männer in Hohlbeins Büchern wie diesem scheinen sich geistig noch im Stimmbruch zu befinden. Die Charaktere sind flach gezeichnet und nicht im Geringsten glaubhaft.
Dabei hätte alles so schön sein können, denn im Grunde hat Hohlbein ein Gespür für Geschichten, die sich zu erzählen lohnen. So ist denn auch der historische Hintergrund, wenn schon nicht detailgetreu gezeichnet, so doch grundsätzlich interessant, und aus den Grundzügen der Geschichte hätte ein anderer Autor einen spannenden Abenteuerroman vor faszinierendem historischem Hintergrund machen können. Nun will ich gar nicht mal besonders auf historischer Korrektheit herumreiten, denn Hohlbein selbst warnt uns schon vor Buchbeginn, dass er sich „einige geschichtliche Freiheiten erlaubt“. Im Grunde erscheint das ganze Buch als eine geschichtliche Freiheit, wenn nicht gar eine Frechheit, wenn man dies wirklich als historischen Roman bezeichnen möchte. Selbst einige Fantasy-Elemente wie Zauberei, Auferstehung von den Toten etc. finden sich hier wieder und werden munter mit historischen Persönlichkeiten und Fakten vermischt. Doch dies nur nebenbei, schwerer wiegen für mich die beinahe fehlende Spannung und die flachen, absurd erscheinenden, klischeebeladenen Charakterisierungen.

Denn da wäre zunächst mal Ulrich: reinen Herzens, 14, nach zwei Wochen Ausbildung bereits in der Lage, erfahrene Ritter im Schwertkampf zu schlagen, doch seine Texte stottert er mit kindlicher Unsicherheit runter. Und … seine wörtliche Rede … ist häufig von … ermüdenden … Sprechpausen aus … drei Punkten … unterbrochen.
Hasan as-Sabbah, der verschlagene, alte Mann, dem jedes Mittel recht ist und der sich auch der finsteren Mächte des Bösen bedient, um an sein Ziel zu gelangen.
Sultan Saladin, der edle Heide. Ein ehrenvoller Feind.
Sarim de Laurec, der treue Freund, der noch in der größten Not zu ihm hält. Und so weiter …

Und dann, wie gesagt, die fehlende Spannung. Die gesamte Story ist von vorn bis hinten entweder vorhersehbar oder zusammenhanglos und wirr. Selbst mitten im Schlachtgetümmel und kurz vor Ende fiel es mir nicht schwer, eine Lesepause einzulegen. Das mitreißende Element fehlt völlig. Die Charaktere folgen keiner durchgezeichneten Handlungslinie, sondern scheinen von einem trüben Geschichtsstrom dahingeschwemmt zu werden. Erst im letzten Viertel des Buchs taucht plötzlich das titelgebende Siegel auf und die eigentliche Geschichte (oder eine weitere) beginnt, hat aber mit der langen, für diesen Plot nicht relevanten Vorgeschichte so gut wie nichts zu tun. Das Ende ist ebenso vorhersehbar und dabei doch planlos und trieft nur so von pubertären Hormonen und übertriebenem Pathos.
Das Allerschlimmste aber war, dass mir „Das Siegel“ als eines von Hohlbeins besseren Büchern empfohlen worden war. Eine Empfehlung, die ich garantiert nicht weitergeben werde. Es gibt wirklich bessere historische Romane zum Thema Tempelritter – selbst von Wolfgang Hohlbein.

http://www.hohlbein.de/