Lumley, Brian – Necroscope 3 – Kreaturen der Nacht (Lesung)

_Lückenbüßer mit ironisch-erotischen Seitenhieben_

Zu glauben, der Kampf gegen die Untoten sei entschieden, war ein tragischer Irrtum. Yulian Bodescu wurde schon vor seiner Geburt mit den Fähigkeiten der Vampire ausgestattet. Und langsam fängt das verdorbene Erbgut an zu brodeln und zu arbeiten. Der Schrecken kennt kein Ende.

Die Russen beseitigen noch die Schäden, die Harry Keogh in seiner Endschlacht verursacht hat. Harry erscheint währenddessen in der britischen Zentrale des geheimsten aller Geheimdienste. Er erzählt dort die Geschichte des vernichteten Vampirs Thibor Ferenczy. Doch in England selbst lebt der neue König der Vampire und schmiedet finstere Pläne. (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Brian Lumley wurde 1937 in England geboren. 1981 beendete er seine Militär-Karriere. Seither arbeitet er als freier Schriftsteller. Seine ersten Veröffentlichungen standen ganz unter dem Einfluss von H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos. 1986 schuf Brian Lumley mit seiner Vampir-Saga »Necroscope« eine der erfolgreichsten Horror-Serien der Welt.

Alleine in den USA haben sich seine Bücher weit über 2 Millionen Mal verkauft. So wie Brian Lumley den Vampir darstellt, hat es noch kein Autor zuvor gewagt. Mittlerweile hat Brian Lumley mehr als 50 Bücher veröffentlicht und schreibt fleißig weiter. Er und seine Frau Barbara Ann leben in Devon, England. (Verlagsinfo)

Buch 1: [„Das Erwachen“ 779
Buch 2: [„Vampirblut“ 843

_Der Sprecher_

Lutz Riedel ist ein hochkarätiger Synchron-Regisseur und die deutsche Stimme von Timothy Dalton. Er zeigt hier seine herausragenden Sprecher-Qualitäten, die den Hörer mit schauriger Gänsehaut verzaubern. Er war auch »Jan Tenner« in der gleichnamigen Hörspiel-Serie.

Der Berliner Schauspieler hat u. a. Timothy Dalton (James Bond) und Richard Hatch (Kampfstern Galactica) synchronisiert. Auch Richard Gere, Samuel L. Jackson und Christopher Walken hat er schon gesprochen.

Lutz Riedel ist mit seiner Kollegin Marianne Groß verheiratet.

Der Text wurde bearbeitet und gekürzt von Frank Festa. Regie, Produktion und Grafik lagen in den Händen von Lars Peter Lueg. Die Musik und Tontechnik steuerte Andy Matern bei.

_Der Regisseur Lars Peter Lueg_

In den Worten des Verlags: „Nach zehn erfolgreichen Jahren in der Musik- und Medienbranche als Musikproduzent, Künstlermanager, Leiter von Multimediaprojekten und Tontechniker in verschiedenen Tonstudios war es an der Zeit, die vorhandenen Kontakte und Erfahrungen zu nutzen, um eine vollkommen neue und andersartige Firma zu gründen.

Ein kompetentes Netzwerk von ca. 20 spezialisierten Unternehmen lässt LPL sehr effektiv und unabhängig arbeiten. Durch eine Passion für Filme, (Hör)Bücher und (Hör)Spiele, die sich dem Thema Horror verschrieben haben, sind Lars Peter Lueg und seine Partner mit viel Herzblut dabei. LPL stellt ausschließlich Produkte her, hinter denen der Verlagsleiter auch zu 100 % steht.“

http://www.lpl.de/

_Der Komponist_

Andy Matern wurde 1974 in Tirschenreuth, Bayern geboren. Nach seiner klassischen Klavier-Ausbildung arbeitete er einige Jahre als DJ in Clubs. Seit 1996 ist er als freiberuflicher Keyboarder, Produzent, Remixer, Songwriter und Arrangeur tätig. Er kann trotz seiner jungen Jahre bereits mehr als 120 kommerzielle CD-Veröffentlichungen vorweisen. Darunter finden sich nationale und internationale Chart-Platzierungen mit diversen Gold- und Platin-Auszeichnungen.

Bereits Andy Materns erste Hörbuch-Rhythmen erreichten schnell Kultstatus bei den Fans und der Fachpresse. Durch seine musikalische Mitarbeit wurde „Der Cthulhu-Mythos“ zum besten Hörbuch des Jahres gewählt (Deutscher Phantastik Preis 2003). Andy Matern lebt und arbeitet in München. (Verlagsinfos)

_Handlung_

Nach der Schlacht ist vor der Schlacht … Im Januar 1977 finden die Aufräumarbeiten auf Schloss Bronitzi in der Nähe von Moskau statt. Hier hat die Schlacht der von Harry Keogh geführten Tatarenzombies gegen die Zentrale der Psitruppen der Partei stattgefunden, die von Dragosani, dem Nekromanten, unterstützt und von Boronitz geleitet worden waren. Borowitz ist tot und bei Dragosani sieht es auch nicht gut aus. Keogh ist definitiv hinüber. Oder?

Felix Krakowitsch hat jetzt das Kommando. Als Parteichef Leonid Breschnew anruft, nimmt er Habachtstellung ein. Breschnew gibt klare Anweisungen, was zu geschehen hat – mit den Zombies (verbrennen!) und mit Dragosani (sehr sorgfältig verbrennen!). Wie sich herausstellt, erweist sich die Entsorgung des Nekromanten als höchst kompliziert und gefährlich. In seinem Innern lebt etwas – ein Ding wie ein großer Wurm, ein Parasit … Auch damit macht Krakowitsch kurzen Prozess. Dass er aber mit Keoghs Vorgesetzten in England Kontakt aufnehmen soll, bereitet ihm weitaus mehr Kopfzerbrechen. Schließlich herrscht Kalter Krieg.

Ende August 1977, London, unweit Whitehall, in einem Hotel mit einem Geheimtrakt. Hier ist die Zenrale des englischen Psi-Geheimdienstes untergebracht, geleitet von Alec Kyle, einem Telepathen. Plötzlich wird es in Kyles Büro dunkel und kalt, eine neonblaue Aura formt sich: Es ist die von Harry Keogh, dem Nekroskopen! Kyle erstarrt: In der Mitte der Aura schwebt der Umriss eines Fötus – Keoghs Sohn, gerade mal einen Monat alt.

Keogh hat Neuigkeiten für Kyle. Es gibt noch weitere Wesen wie den Wamphyr Dragosani. Denn Tibor Ferenczy, der Dragosani zu einem Wamphyr gemacht hat, wurde selbst vor rund tausend Jahren zu einer solchen Kreatur der Nacht gemacht. Damals herrschte in Transsylvanien auf einer hohen Burg ein Mann namens Fetor Ferenzig, den die Zigeuner der Gegend Ferengi oder Ferenczy nannten. Dieses 200 Jahre alte Wesen pflanzte Tibor, einem zuvor rechtschaffenen Soldaten des Fürsten Vlad von Kiew, sein einziges Ei ein, um ihn zu seinem Nachfolger zu machen.

Nun, Tibor wurde bekanntlich (siehe Bände 1 und 2) in den kreuzförmigen Hügeln in einem Mausoleum begraben, das mittlerweile eingestürzt ist. Doch um 1960 herum geriet ein Ehepaar, die Bodescus, beim Skifahren in diese Falle. Der Mann starb, nachdem er sich das Bein gebrochen und Tibors Protoplasmatentakel ihm das Blut ausgesaugt hatte. Der jungen, vor Schreck ohnmächtigen Frau, Georgina, fügte Tibors Essenz irreparablen, aber unsichtbaren Schaden zu. Denn sie war schwanger …

Ihr Kind Julian treibe bereits sein Unwesen in Südengland und wenn man ihn nicht stoppe, könne er ganz England mit dem Wamphyri-Unwesen überziehen, warnt Keogh. Doch um ihn aufzuhalten, müsse Kyle unbedingt Erfahrungen mit dem Russen Krakowitsch austauschen. Das bereitet nun seinerseits Kyle Kopfschmerzen. Eine heikle Operation beginnt …

_Mein Eindruck_

Dies ist ein Band in der Nekroskopen-Saga, der vor allem dem Aufräumen dient. Das hat Vor- und Nachteile. Zum einen muss der Leser bzw. Hörer natürlich Bescheid wissen, was in den Bänden 1 und 2 passiert ist. Sonst weiß er mit den Figuren und dem Anfang der Haupthandlung wenig anzufangen. Doch wenn sich der eifrige Leser bisher gefragt hat, wie es denn nun mit Harry Keogh und seinen Widersachern weitergehen soll, so findet er hier Aufklärung: Keogh lebt als eine Art Geist in seinem Kind weiter, reist dabei durch den „Möbius-Raum“ und bereitet seinen vormaligen Boss auf das Auftreten weiterer Vampire und Halbvampire wie Julian Bodescu vor. Dragosani hingegen hat offenbar für immer von der Bühne abzutreten.

|Zwei Binnenhandlungen|

So weit die ziemlich magere Rahmenhandlung. Viel interessanter sind hingegen die zwei Binnenhandlungen. Würde man eine Zeitlinie zwischen beiden eingebetteten Storys, die Keogh zum Besten gibt, ziehen, so würde sie sich über eintausend Jahre erstrecken: vom Ende des 10. Jahrhunderts über das Jahr 1960, als Tibor Ferencz dem Ehepaar Bodescu erheblich Schaden zufügt, bis zum Jahr 1977, als Julian Bodescus großer Auftritt vier Opfer fordert – in welcher Form auch immer.

1) |Tibor der Abenteurer|

Wenn Tibor, der ziemlich selbstbewusste Walache, am Dnjestr die Petschenegen bekriegt und dafür von seinem hinterhältigen Fürsten zum Vampir auf dem Berg geschickt wird, so wird aus dem historischen Abenteuerroman plötzlich eine Horror-Fantasy, die sich gewaschen hat. In den Vorgängebänden war des Öfteren von einem gewissen Fetor Ferenczy die Rede, doch nun steht diese halbmythische Figur plötzlich im Mittelpunkt.

Fetor ist ein Gestaltwandler, Telepath und womöglich sogar Telekinet – ein wahrer Übermensch also. Dass er schon 200 Jahre alt ist, überrascht uns nicht mehr, wissen wir doch bereits, wie lange Tibor in seinem Mausoleum überdauert hat: mehrere hundert Jahre. Die Frage, die (vorerst) unbeantwortet bleibt: Wenn die Wamphyri-Parasiten ihren Wirt mit solchen tollen Fähigkeiten ausstatten, woher stammen sie dann? Als Arbeitshypothese können wir annehmen, dass sie nicht von unserer Welt stammen.

2) |Julian, der Charmeur|

Julian Bodescu weist einige Merkmale eines Teufelssprösslings à la „Damien“ auf: Er ist verschlossen, neugierig, respektiert weder Regeln noch Tabus und muss zu Hause von seiner alleinstehenden Mutter aufgezogen und ausgebildet werden. Als Julian 17 ist, hat er bereits den gesamten Haushalt unter Kontrolle und in „Vlad“ einen schwarzen Schäferhund, der ihm aufs Wort gehorcht, genau wie seinerzeit die Wölfe dem unausgesprochenen Befehl Fetor Ferenczys. Dass er bereits jede Menge Experimente im Keller anstellt, versteht sich von selbst.

Die völlig ahnungslose Familie von Georginas spießiger Schwester Anne gerät in Julians Falle, was natürlich verhängnisvolle Folgen hat. Nur Annes Mann George hat eine instinktive Abneigung gegen den Jungen gefasst. Er starrt fassungslos durch sein Fernglas, als er Julian dabei ertappt, wie er es mit – je, mit wem nun eigentlich?- treibt: mit Georges 16-jähriger Tochter Helen, Julians Jugendfreundin, oder mit Anne selbst?!

Wie auch immer: Man kann sich leicht Georges heftig auflodernden Hass gegen den unheimlichen Jungen vorstellen, der über eine so große erotische Macht verfügt, dass er alle drei Frauen in seine psychische Gewalt gebracht hat. George geht auf Julian los, hat aber gegen ihn und den Hund Vlad keine Chance. Vielmehr sieht er sich alsbald jenem tentakelbewehrten Wesen gegenüber, das sich in Julians Badewanne um Anne und Helen kümmert …

Wie man sieht, kann Lumley in mehreren Tonarten spielen. Sei es die erotische Fantasy oder das historische Abenteuer, der psychologische Horror oder krasse Horrorfantasy – Lumley ist in allen Genres zu Hause. Übrigens entbehrt auch die Begegnung zwischen Fetor und Tibor nicht einer erotischen Komponente. Der Wamphyr-Parasit – Fetors einziges Ei – wird auf einem besonders dafür reservierten Weg übertragen: durch einen Kuss …

_Der Sprecher_

Doch diese Vielfalt im erzählerischen Tonfall fordert auch vom Sprecher entsprechende Fähigkeiten hinsichtlich der Flexibilität seiner Stimme und seines Vortrags. Wenn Leonid Breschnew anruft, so hören wir seine unheimlich tiefe Stimme. Und dass Felix Krakowitsch vor dem KP-Chef katzbuckelt, hören wir in seiner devoten Antwort.

Eher schwierig wird es für Lutz Riedel, wenn der selbstbewusste Tibor Ferencz auf den ebenso großmächtigen Vlad von Kiew trifft. Sie sind dementsprechend schwer zu unterscheiden. Deshalb ist es hilfreich, jeder der beiden Figuren deutlich ihre Sätze zuzuweisen. Der Erzähler bedient sich dazu einer neutralen, zurückhaltenden Ausdrucksweise.

Fetor Ferenczy zu erkennen, ist hingegen ein Kinderspiel. Der uralte Wamphyr bedient sich einer hohen, krächzenden Stimme, die gut zu einem solchen Nosferatu passt. Doch wenn Fetor lacht, beispielsweise über Tibors ungebrochene Impertinenz ihm gegenüber, so läuft einem ein kalter Schauer über den Rücken.

Die einzige Stimmlage, die höher ist als die für Fetor, ist jene, die Lutz Riedel für Georgina aufbringen kann. Als die arme, frischgebackene Witwe den ausgesaugten Leichnam ihres Gatten daliegen sieht, bricht sie verständlicherweise in ein hohes Wimmern aus. Es ist schon erstaunlich, zu welchen Tiefen und Höhen Riedels Stimme in der Lage ist. Dass er sich aber wie ein begeisterter Schauspieler für diese körperliche Leistung auch mental derartig ins Zeug legt, ist seinem besonderen Engagement für diese Geschichte zu verdanken.

_Die Musik_

Geräusche gibt es keine, aber dafür eine Menge Musik. Diese ist nicht in den Hintergrund verbannt, sondern dient (außer als Intro und Extro) der Abgrenzung der einzelnen Kapitel wie auch deren Unterabschnitte. Diese Abschnitte sind aufgrund der nichtlinearen Erzählstruktur oftmals mit Rückblenden durchsetzen. Man kann ja auch die beiden Binnenhandlungen als sehr umfangreiche Rückblenden auffassen.

In meinen Notizen habe ich überall das Auftreten von Pausenmusik eingetragen, und dabei stellt sich ein deutliches Muster heraus. Sobald eine Szene ihren Höhepunkt erreicht hat, wird sie oftmals abgebrochen, damit sie sich in der Vorstellung des Lesers bzw. Hörers fortspinnen lässt. Sofort setzt Musik ein, die diesen Vorgang auf emotionaler Ebene steuert und stützt. Auf einer geistigen Ebene tritt hier allerdings eine kleine Verschnaufpause ein …

Man sollte auch bedenken, dass wir es diesmal mit einer stark gekürzten Fassung zu tun haben. Statt der vorherigen sechs CDs sind es diesmal nur noch vier. Abgebrochene Szenen sind zwar mitunter sehr wirkungsvoll, aber wer weiß, was dabei alles verschwiegen wird.

_Unterm Strich_

Weder Harry Keogh noch Dragosani spielen mehr mit, jedenfalls nur noch als Randfiguren der Rahmenhandlung. Das ist eigentlich recht schade, denn dadurch wird das Buch bzw. Hörbuch zu einem Lückenbüßer. Immerhin: Handlungsfäden werden zu Ende geführt und die Entstehungsgeschichte des Wamphyrs Tibor Ferenczy nachgeliefert. Am interessantesten – und erotischsten – ist daher die kleine Binnenhandlung um die Entstehung des Halbwamphyrs Julian Bodescu.

Die Art und Weise, wie der Spießbürger George und Julians „normale“ Tante Anne auf diesen unheimlichen Sprößling Tibors stoßen, entbehrt nicht vieler ironischer Seitenhiebe auf die Wohlanständigkeit und Engstirnigkeit der englischen Mittelklasse. Erst als sich Julian an Anne und Helen sexuell vergeht, streift George den Lack der Zivilisation ab und wird zu einem reißenden Tier, von unverhohlenem Hass auf Julian erfüllt. Leider hat er gegen den Halbvampir keine Chance. Diese kleine Story könnte man als feines Stück Gesellschaftskritik auffassen.

Der Sprecher Lutz Riedel stellt wieder einmal seine Engagiertheit für die Horrorliteratur unter Beweis, ebenso wie die Flexibilität seines Sprechorgans und seiner Darstellungskraft. Dies trägt dem Hörbuch einen dicken Pluspunkt ein.

|Hinweis:|

„Necroscope 4 – Untot“ erscheint im August 2006. Den Programmhinweis spricht David Nathan. „Necroscope 5 – Totenwache“ soll im Oktober 2006 erscheinen.

|1988; zuerst auf Deutsch bei Festa, 2001
Aus dem Englischen übersetzt von Hans Gerwien
310 Minuten auf 4 CDs|