Steve Mosby – Der 50/50-Killer (Lesung)

Gib mir dein Herz und deine Liebe!

„Wir spielen ein Spiel, bei dem es um die Liebe geht.“ – John Mercer, ein altgedienter, hoch dekorierter Detective, gerät in die unsichtbaren Fallstricke eines perfiden Serienmörders. Der „Fifty-fifty-Killer“ hat es auf liebende Paare abgesehen, seien sie nun alt oder jung. Eiskalt quält und manipuliert er sie eine Nacht lang, um die Liebe zwischen ihnen zu zerstören – bis zum Tagesanbruch. Nur wer den anderen verrät, sieht den Morgen dämmern.

Auch Inspektor John Mercer liebt seine Frau Eileen, umso mehr, seit er dank ihrer psychotherapeutischen Pflege den Nervenzusammenbruch vor zwei Jahren überwinden konnte. Noch ahnt er nicht, dass er ins Visier des 50-50-Killers geraten ist. Sein neuer Mitarbeiter Mark Nelson kommt der Strategie des Killers erst in letzter Sekunde auf die Spur. Kann er Mercers Frau retten?

Der Autor

Steve Mosby, geboren in 1976 in Horsforth, England, studierte Philosophie und lebt in Leeds. Seit seiner Kindheit ist Schreiben seine Leidenschaft. Mit Erfolg veröffentlichte er in England seine Thriller „The third person“ und „The cutting crew“. Sein dritter Roman „Der 50-50-Killer“ markiert seinen Durchbruch. (Verlagsinfo)

Die Sprecher

Joachim Kerzel, 1941 in Hindenburg/Oberschlesien geboren, erhielt seine Ausbildung an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Als gefragter Synchronsprecher leiht er Jack Nicholson, Dustin Hoffman, Dennis Hopper und vielen anderen Stars seine sonore Stimme. Ganz besonders im Gedächtnis geblieben ist mir seine Beteiligung an der Hörbuchfassung von Stephens Kings „Das Mädchen“, die er zusammen mit Franziska Pigulla bestritt. Seine sonore Stimme macht aus jedem Gegenstand etwas Grandioses. Daher ist er häufig auch in der Werbung zu hören, so etwa zu den Medienprodukten um Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Verfilmung.

Heikko Deutschmann war nach seinem Schauspielstudium Ensemblemitglied an der Berliner Schaubühne, am Hamburger Thalia Theater, im Schauspiel Köln und Schauspielhaus Zürich. Mittlerweile ist er in zahlreichen Film- und Fernsehrollen zu sehen gewesen, so etwa „Der Laden“, „Operation Rubikon“, „Der Aufstand“ oder „Die Affäre Kaminski“.

Die Lesefassung erstellte Tanja Weimer, die Regie bei dieser Aufnahme im Tonstudio Livelive, Berlin, führte Ralf Ebel.

Handlung

Der 3. Dezember ist Mark Nelsons erster Arbeitstag bei der Kripo in einer nordenglischen Stadt. Der 28-jährige Vernehmungsspezialist ahnt noch nicht, dass dieser Tag mehr als 24 Stunden dauern wird. Sein direkter Vorgesetzter ist Detective John Mercer, dessen Buch er gelesen hat, denn Mercer ist bekannt für sein Interesse an Serienmördern. Vor zwei Jahren erlitt Mercer einen Nervenzusammenbruch, als er die Grabrede für seinen ermordeten Kollegen Andrew Dyson hielt. Aber Eileen Mercer, die Psychotherapeutin, scheint ihn gut wiederhergestellt zu haben.

Es dauert nicht lange, bis der erste Einsatzbefehl des Tages eintrifft. Peter Guire, Mercers Stellvertreter, verlangt Mark an einem Tatort. Dort trifft es Mark gleich ziemlich hat. Das Opfer ist ein Mann namens Kevin Simpson, der tot in der Badewanne liegt. Aber was diese Leiche besonders macht, sind zwei Dinge: das völlig verbrannte Gesicht mit dem ausgestochenen Auge – und die seltsame Zeichnung an der Wand, die aussieht wie ein Spinnennetz. Mercer starrt sie an, als wäre sie ein Orakel. Später erfährt Mark, dass in der Mordserie, die vor zwei Jahren endete, die gleichen Zeichnungen in den Wohnungen der Opfer auftauchten.

Kein Wunder, dass Mercer und sein Team beunruhigt sind: Sie glauben, dass der 50/50-Killer wieder zugeschlagen hat. Der Haken dabei: Mercer darf daran gar nicht mehr ermitteln. Die Ermittlungen führt Geoff Hunter. Als Pete, Simon und Greg dies Mark durch die Blume andeuten, merkt Mark, dass er drauf und dran ist, sich auf ein Amtsvergehen einzulassen. Aber da hat er schon Lunte gerochen. Er ist drin.

Kevin Simpson, so ergibt Marks Zeugenbefragung, hatte eine Geliebte: Jodie McNeice. Diese dubiose junge Lady wiederum lebt mit ihrem Freund Scott Baker zusammen. Während Mercers Team noch damit befasst ist, die Audio- und Videodateien in Simpsons PCs auszuwerten, läuft die Uhr für Jodie und Scott ab. Beide werden ruckzuck verschleppt. Immerhin lässt sich der weiße Lieferwagen, den der Täter immer noch benutzt, identifizieren. Die Spur führt zu einer leeren Wohnung, in der wieder mal ein Spinnennetz an der Wand prangt – und eine Teufelsmaske.

Im Wald

Scott und Jodie werden vom Killer mit der Teufelsmaske durch den abendlichen Wald zu einer Reihe von Steingebäuden geführt. Der Mann sperrt die traumatisierte Jodie sofort in einen Schuppen, während der geknebelte und gefesselte Scott wartet. Ein riesiges Lagerfeuer lodert, und davor macht der Unbekannte es Scott bequem. Er nimmt ihm die Augenbinde und den Knebel ab, bevor er mit ihm zu reden beginnt. Seine Stimme ist eiskalt und völlig ohne Emotionen.

Er zeigt Scott den Ausdruck einer Textdatei, die eine Liste enthält: „Fünfhundert Gründe, warum ich dich liebe“. Scott liebt Jodie wirklich sehr, denn er weiß (noch) nicht, dass sie ihn schon wieder mit Kevin Simpson betrogen hat. Deshalb fragt ihn der Unbekannte, warum auf Scotts Liste nur 274 Gründe stehen. Dann erklärt er ihm die Regeln seines Spiels. Derjenige, der den anderen verrät, darf weiterleben. Die Frage ist also: Liebt Scott seine Jodie so sehr, dass er für sie sterben würde? Selbst wenn er erfährt, dass sie ihn erneut betrogen hat? Um dies herauszufinden, gibt es eine patente Methode: Folter mit einem glühenden Schraubenzieher …

Im Schuppen versucht die eingesperrte Jodie unterdessen, die schreckliche Welt auszusperren und hat ihren MP3-Player aufgedreht. Doch selbst die laute Musik vermag es nicht, die irren Schreie zu übertönen, die nun aus Scotts Kehle dringen …

Mein Eindruck

Worum es dem Autor geht, ist ziemlich schnell herauszufinden, eigentlich schon in der zweiten Szene, in der Kevin Simpson um sein Leben fleht. Der 50/50-Killer ist darauf aus, die Liebe zwischen zwei Menschen zu zerstören. Und wenn einer der beiden durch seine Folter bereit ist, diese Liebe aufzugeben, so zieht er daraus auf perverse Weise Befriedigung. Die Frage ist natürlich, mit welcher Methode sich so eine Liebe zu Ende bringen lässt. Dazu fährt der Killer meist schweres Geschütz auf, manchmal reicht aber auch schon eine einfache Indiskretion, etwa über einen Seitensprung.

Die Foltermethoden, die der Killer einsetzen zu müssen glaubt, sind keineswegs subtil. Und meist fragt man sich, was das überhaupt soll. Will der Killer sein Opfer auch noch dafür bestrafen, dass es untreu war? Das wäre eine rigorose Moralität, die der mittelalterlichen Inquisition würdig wäre. Überhaupt kommt uns dieser Killer vor, als wäre er von einem anderen Stern. Er hat John Mercer ein Gedicht dagelassen, in dem es um die „Wölfe des Weltalls“ geht, zu denen der Killer sich offenbart zählt, und er werde nun ein Schaf nach dem anderen reißen. Na, da hat er ja einiges mit vielen anderen Serienmördern gemeinsam. So ganz hat mich diese Figur nicht überzeugt. Sie ist zu außerirdisch.

Die Ermittlung selbst ist relativ professionell und kenntnisreich beschrieben. John Mercers Team arbeitet mit modernen Mitteln wie PCs, GPS, Mobilfunk, Audio-/Video-Übertragung, wie man es eben auch von „CSI: Miami“ her kennt. Da bewegt sich die Story auf der Höhe der Zeit. Doch inmitten all dieses Hitech-Gerümpels bewegt sich der ausgebrannte John Mercer wie ein Fossil aus dem vorigen Jahrhundert (das er ja ist) und versucht noch immer, den guten alten Schnüfflerinstinkt zum Einsatz zu bringen – sowie das auch schon ziemlich angestaubt wirkende Mitgefühl eines menschlichen Wesens für ein anderes, das sich in Not befindet (gemeint ist Jodie).

Wenn John Mercer für die Emotionen steht, dann Mark Nelson, der Ich-Erzähler, für den relativ kühlen Verstand. Aber immerhin hat er seine geliebte und betrauerte Frau Lise verloren und muss ein Stück von diesem Geheimnis preisgeben, um von „Scott Baker“ (dieser ist ein Fake des Killers) ein anderes Stück Wahrheit erhalten zu können: „Quid pro pro“, würde Hannibal Lecter jetzt zu Agent Clarice Starling sagen. Nelson ist es denn auch, der als Erster die richtigen Puzzlesteinchen zusammensetzt und auf ein ganz anderes Ergebnis kommt als John Mercer. Mehr darf nicht verraten werden.

Mehrere falsche Fährten führen uns und die Ermittler in die Irre. Dieser Trick hat Tradition, und wer nun an Hannibal Lecters blutigen Stunt im Gerichtsgebäude von Memphis denkt, der liegt genau richtig. Aber es gibt noch weitere falsche Fährten. Dieses Verwirrspiel hat Methode, und Nelson ist so ziemlich der Einzige, der den Durchblick hat und die anderen auf ihre Irrtümer aufmerksam macht. Doch er wird selbst Opfer einer Finte. Er könnte sich fast in den Hintern treten ob so viel Blödheit.

Wenn man sich nun fragt, ob dieser Plot noch nachvollziehbar ist, so sei versichert, dass dem so ist. Der ganze Plot wirkt ja ziemlich konstruiert. Es dauert halt ein wenig länger, bis man selbst alles kapiert. Was aber ebenfalls klar wird: Dieser Killer ist so wahnsinnig clever und macht sich so viel Mühe – wozu das alles? Nur um John Mercer, einem popligen Polizisten in der nordenglischen Provinz, das Herz zu brechen, die Liebe zu zerstören und das Leben zu versauen? Na, ist das nicht ein bisschen wenig? Schließlich gilt es, eine weltweite Mission zu erfüllen, oder?

Ebenso wenig überzeugend ist die Figur der Jodie. Sie scheint ein abgestumpftes Frauenzimmer zu sein, ohne dass ersichtlich wird, warum. Sie hat Scotts Liebe, aber das reicht ihr nicht, so dass sie zurück zu Simpson geht, ihrem früheren Geschäftspartner. Während Scott gefoltert wird, versucht sie die Schreie mit Musik auszublenden, was ebenfalls nicht gerade für ihre weibliche Anteilnahme spricht. Der Autor pflanzt ihr zusätzlich noch eine Stimme in den Kopf, die ihr sagt, was zu tun ist. Ist dies die „Stimme der Vernunft“? Könnte aber auch bloß die Stimme ihrer Mami sein. Die gibt ihr denn auch geniale Ideen ein, auf die Klein-Jodie wohl nie im Leben gekommen wäre. Das alles hat wenig Hand und Fuß und würde nicht mal Stephen King und Dean Koontz ein müdes Lächeln abringen.

Die beiden Sprecher

Mark Nelsons Perspektive wird von Heikko Deutschmann vorgetragen. Während Nelson mit seiner „normalen“ Stimmlage das Maß der Dinge ist, heben sich die anderen Figuren demgegenüber entsprechend ab. John Mercers Stimme ist beispielsweise völlig anders: rau, heiser, brüchig, verbraucht. Sie charakterisiert den ganzen Typ Marke ausgebrannter Mordkommissar. Eileen klingt hingegen höher als Nelson und zwar sehr freundlich. Situationsbedingt verändern sich alle diese Stimmlagen, um bestimmte Gefühle auszudrücken: Angst, Aufregung, Besorgnis und vieles mehr. Deutschmanns Vortrag ist abwechslungsreich und angemessen.

Joachim Kerzel ist eindeutig für die emotionsgeladeneren Szenen zuständig. Die Folterszenen sind schon ziemlich gruselig und brutal, und Kerzel brauchte vermutlich starke Nerven, um sie ohne eigene Beteiligung vortragen zu können. Der Killer redet meist ziemlich monoton, kann aber auch ehrliche Neugier anklingen lassen.

Was mich aber mehr überzeugt hat, waren Kerzels warme Anteilnahme an Scotts und Jodies Gedanken und Gefühlen. Hier erst erwachen die Figuren zum Leben und man spürt, was sie durchmachen. Umso merkwürdiger kam mir deshalb vor, wie Jodie sich im Schuppen von der Folter, die Scott erlebt, abkapselt. Vielleicht ist das aber auch nur ein dramaturgischer Trick des Autors, damit Jodie (und wir mit ihr) nicht mitbekommt, dass der 50/50-Killer schon wieder eine falsche Fährte legt …

Ich weigere mich zu beurteilen, welcher der beiden Sprecher besser vorgetragen hat. Jeder hat seine jeweiligen Vorzüge, und so ergänzen sich beide auf optimale Weise. Beide sind jedenfalls Könner ihres Fachs.

Da es weder Geräusche noch Musik gibt, brauche ich darüber kein Wort zu verlieren, aber dann frage ich mich schon, warum dann das Hörbuch zehn Euro teurer ist als ein gleichwertiges Hörbuch von zum Beispiel |Lübbe Audio|.

Das Booklet

… stellt die beiden Sprecher und den Autor vor und liefert einen Handlungsabriss. Der größte Raum wird allerdings den zahllosen Kapiteln des Romans eingeräumt. Dies erweist sich für den Hörer auch als unerlässlich, denn nur dadurch behält er den Überblick über den zeitlichen Ablauf. Die Sprecher sagen zwar die Uhrzeiten an, doch das geht so schnell, dass ich es meist nicht richtig erfasste. Das Booklet erwies sich dann als meine Rettung.

Wer sich nun fragt, wieso die Uhrzeit so wichtig ist, der bedenke bitte, dass die Zeit für das jeweilige entführte Liebespaar bei Tagesanbruch abläuft. Der Countdown läuft sowohl für Scott und Jodie ab als auch für die Polizisten, die sie finden müssen, bevor es zu spät ist. Ein einfacher, aber wirksamer dramaturgischer Trick des Autors.

Unterm Strich

Dass Serienkiller in der Literatur immer dämonischer werden und somit unverständlicher, ist ein leider immer wieder zu beobachtendes Phänomen. Und „Der 50/50-Killer“ ist ein weiteres Glied in der Kette. Hannibal Lecter braucht diesem eiskalten Burschen nichts mehr beizubringen, denn er weiß schon alles. Wenn man genau hinschaut, ist er entgegen früheren Taten sogar rücksichtsvoller gegenüber Frauen geworden. Weder Eileen Mercer noch Jodie McNeice werden von ihm gefoltert, dafür aber ein Kleinkind bedroht. Nicht nett.

Der Plot ist in einem hohen Maß konstruiert, dass so mancher Leser oder Hörer droht, den Überblick zu verlieren, aber die Konfusion legt sich wieder, wenn man sich ein wenig Zeit gibt, über das Gelesene oder Gehörte nachzudenken. Was mich enttäuschte, ist der Umstand, dass der Plot des Killers zwar auf John Mercer abzielt, doch diese Zielperson bis zur finalen Wendung merkwürdig unbeteiligt ist. So wird ihm keine Gelegenheit gegeben, sich auf das kommende Unheil vorzubereiten. Vielmehr ist es der erzählende Mark Nelson, der die wahre Absicht des Killers erfasst und das Schlimmste zu verhüten versucht. Hinzu kommt der Countdown, der bis Tagesanbruch abläuft.

Das Publikum dieses Buches

Das Buch eignet sich für Leser, die den Thriller „Das Schweigen der Lämmer“ klasse fanden und auf blutige Folterungen stehen. Alle anderen Lesern dürfte solche brutalen Szenen wahrscheinlich eher abstoßend finden. Allerdings spielt Thomas Harris‘ „Das Schweigen der Lämmer“ in einer wesentlich höheren Liga als dieser relativ einfach gestrickte Thriller.

CD: 440 Minuten auf 6 CDs
Originaltitel: The 50/50-Killer, 2007
Aus dem Englischen übersetzt von Doris Styron.
ISBN-13: 9783867171502

http://www.hoerverlag.de

|Siehe ergänzend dazu auch unsere Rezension zur [Buchausgabe 4118 bei |Droemer|.