Nicola Karlsson – Tessa

Berlin, Berlin! Die deutsche Hauptstadt ist bekannt für seine Partys, seine Clubs, das Nachtleben. Doch sie hat auch ihre Schattenseiten. Menschen, für die das Partyleben zu viel wird, die sich darin verlieren oder verloren gehen. In ihrem Debütroman „Tessa“ beschreibt die Berlinerin Nicola Karlsson genau diese Situation.

Hauptfigur Tessa hat früher als Model gearbeitet, doch das war einmal. Jetzt lebt sie in den Tag hinein, geht jeden Abend aus, betrinkt sich. Sie versucht, eine Beziehung mit Nick zu führen, aber er entzieht sich ihr. Sie lernt andere Männer kennen, aber auch sie können ihr nicht die Liebe geben, die sie braucht. Und dann ist da noch der Alkohol. Und die Drogen. Und die Tabletten, die ihr die Ärztin verschrieben hat.

Liest man die Inhaltsangabe für „Tessa“, bekommt man den Eindruck, es handelt sich um ein weiteres Buch, in dem ein junges, hübsches Großstadtmädchen mit leerem Blick durchs Leben taumelt. Tatsächlich ist die Handlung, wie erwartet, mehr eine Aneinanderreihung von Ereignissen als eine Spannungskurve. Dass das Buch trotzdem so gut funktioniert, ist Karlssons Erzähltalent geschuldet.

Der Schreibstil ist einfach und klar. Karlsson setzt auf kurze, aussagekräftige Hauptsätze. Sie benutzt einen simplen, aber nie niveaulosen Wortschatz. Slangausdrücke kommen selten vor, hochgestochene Fremdwörter  ebenfalls nicht. Der Schreibstil hat etwas von Singsang, entfaltet aber nach einigen Seiten einen ausgesprochenen Charme. Zum einen liest sich das Buch dadurch sehr flüssig. Zum anderen passt der Erzählstil perfekt zur Hauptperson.

Tessa ist das Abziehbild eines hippen Großstadtmädchens. Sie hat als Model gearbeitet, kennt sich in der Clubszene aus, nimmt Drogen und hat Affären. Nicola Karlsson lässt an einem solchen Lebensstil allerdings kein gutes Haar. Vom ersten Kapitel an beleuchtet sie die negativen Seiten eines solchen Lebenswandels. Sie kommt dabei ohne Wertungen aus, macht aber durch Tessas Erlebnisse deutlich, dass Clubs, Drogen und Affären nicht immer glamourös sind. Ihre Protagonistin ist sehr gut ausgearbeitet und weiß den Leser in ihren Bann zu ziehen. Ein wenig mehr Hintergrund, zum Beispiel zu ihrer Krankheit, wäre nett gewesen. Dass Karlsson darauf verzichtet, ist aber vermutlich Absicht und passt zur ihrem nüchternen Stil.

Obwohl die Autorin in der dritten Person aus Tessas Sicht erzählt, ist man ihr als Leser sehr nah. Karlsson schreibt im Präsens und das sehr detailliert. Jeder noch so kleine Schritt Tessas wird beschrieben. Die Autorin konzentriert sich dabei stark auf das, was passiert. Sie schreibt keine seitenlange Monologe mit bedeutungsschwangeren Metaphern über Tessas Seelenleben – was sehr erfrischend ist. Trotzdem ist der minutiöse Erzählstil anfangs befremdlich. Hat man die Protagonistin erstmal näher kennen gelernt, wird allerdings klar, dass dieses Detaillierte, fast schon Pedantische Tessas Geisteszustand widerspiegelt. Ist man im Buch so weit gekommen, dass man dies versteht, kann man es fast nicht mehr aus der Hand legen. Man möchte wissen, wie die Geschichte ausgeht, ob die junge Frau sich fangen wird. Und ja, während Tessa sich selbst sucht, passiert nicht viel. „Tessa“ ist kein Spannungsroman. Es ist mehr der Ausschnitt aus dem Leben einer Berlinerin, die in der großen Stadt verloren geht, ohne dabei einen besonderen Start- und Endpunkt zu haben.

Ein solches Buch wird nicht jedem gefallen. Wer Wert auf eine Handlung mit einer Spannungskurve legt, wird an „Tessa“ wahrscheinlich keine Freude finden. Wer allerdings gerne hinter die Fassade eines Menschen guckt, einen guten Schreibstil zu schätzen weiß und ein psychologisch dichtes Lesevergnügen sucht, sollte sich Nicola Karlssons Erstling unter den Weihnachtsbaum legen lassen. Oder sich selbst eine Freude damit machen.

Gebundene Ausgabe, 299 Seiten
ISBN-13: 978-3862200467

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