Pohl, Frederik – Gateway-Trilogie, Die

_Gateway_

Der ehemalige Raumfahrer Robinette Broadhead erzählt in Rückblenden, wie er zu seinem sagenhaften Reichtum gekommen ist. Die Gespräche finden mit seinem Psychiater „Sigfrid Seelenklempner“, einer künstliche Intelligenz, statt. Broadhead leidet an einem großen Schuldkomplex, den Sigfrid in langen, analytischen Gesprächen freilegen möchte. Dabei erfährt der Leser die außergewöhnliche Lebensgeschichte des Rob Broadhead. In ärmlichsten Verhältnissen aufgewachsen, erhält er in jungen Jahren durch einen Lottogewinn die Chance, nach |Gateway| zu fliegen. Gateway ist ein ausgehöhlter Asteroid, in dem sich außerirdische Artefakte einer alten Rasse, der |Hitschi|, befinden. Dabei handelt es sich um kleinere Raumschiffe mit einer dem Menschen unbekannten Technologie, welche Flüge mit Überlichtgeschwindigkeit ermöglichen. Das größte Problem ist jedoch, dass nicht nur die Technologie, sondern auch die Handhabung und Steuerung für den Menschen unverständlich ist. So weiß man weder das Ziel der Schiffe noch die genaue Flugdauer. Die meisten dieser waghalsigen Prospektoren, welche sich in ein solches Raumschiff setzen, haben nichts mehr zu verlieren und hoffen auf ungeahnten Reichtum. Die Raumfahrer, welche nicht sterben, verloren gehen oder wahnsinnig werden, können nämlich Millionäre werden. Doch dafür müssen sie unbekannte Artefakte von Planeten mitbringen, so dass sie neben einer pauschalen Prämie, welche die Gateway-Gesellschaft zahlt, noch Bonus-Zahlungen aufgrund von weiteren technischen Entwicklungen auf Basis der gefundenen Gegenstände erhalten. Rob Broadhead hat dieses Glück und wird steinreich – doch er zahlt dafür einen hohen Preis, der letzte Flug endet in einer persönlichen Tragödie.

_Beyond the blue Event Horizon_

Die Abenteuer des Robinette Broadhead gehen weiter. Als reicher und einflussreicher Mann leitet er viele Projekte, welche das Geheimnis der Hitschi-Rasse ergründen sollen. Wer waren sie? Woher kamen sie und wo sind sie nun? Die Erde ist gebeutelt von Überbevölkerung, Armut und vor allem Hunger. Da wird eine Nahrungsfabrik der Hitschi entdeckt, welche aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff („CHON“) Nahrungsmittel produzieren kann. In der Fabrik existiert künstliches und natürliches Leben – doch sind es die Hitschi? Broadhead selbst wird aktiv, um den Dingen auf den Grund zu gehen.

_Hechee Rendezvous_

Einige Jahre nach den ersten Ereignissen – Rob Broadhead ist mittlerweile in die Jahre gekommen – sind viele Rätsel der Hitschi entschlüsselt. So ist es möglich, die Raumschiffe nach Belieben zu steuern und zu manövrieren. Doch neue Gefahren zeichnen sich ab. Terroristen halten die Welt in Atem und trachten Broadhead nach dem Leben. Zusammen mit seiner Frau und seinem Berater, dem Computerprogramm „Albert Einstein“, fliegt er an die verschiedensten Orte der Welt, um die Terrorismus-Gefahr zu bekämpfen und gleichzeitig den Hitschi nachzuforschen. Aus Angst vor einer unglaublichen Gefahr verließen sie vor langer Zeit die Galaxis. Diese schlafende Gefahr droht nun zu erwachen.

_Frederick Pohl_ wurde 1919 in New York als Enkel deutscher Einwanderer geboren. Nach dem Besuch der |Technical High School| in Brooklyn sympathisierte er in den dreißiger Jahren mit sozialistischen Bewegungen. Bereits im Alter von 20 Jahren übernahm er die Redaktion der SF-Magazine „Astonishing Stories“ und „Super Science Stories“ und fing zeitgleich mit dem Schreiben an. Nach seinem Kriegsdienst in Italien im Zweiten Weltkrieg begann er eine Karriere als Texter in einer Werbeagentur in New York. In den fünfziger und sechziger Jahren machte Pohl durch zahlreiche satirische Kurzgeschichten und Novellen, bei denen er seine Erfahrungen in der Werbeindustrie geschickt einbrachte, auf sich aufmerksam. Erst Ende der siebziger Jahre beginnt seine Karriere als anerkannter Autor von SF-Romanen. Neben den beiden Werken „Man Plus“ und „Jem“ ist es vor allem die vorliegende, mit verschiedenen Preisen ausgezeichnete Trilogie, welche ihm großen Ruhm auch außerhalb der USA bescherte.

_Die |Gateway|-Trilogie_ weist sehr viele sozialkritische Züge auf und kann als moderne Space-Opera bezeichnet werden. Vor allem im ersten Teil gewinnt der Roman durch eingestreute Werbetexte, Kleinanzeigen, Berichte und Aufsätze eine sehr ansprechende Authenzität. Dies und die geschickte Erzähltechnik zeugen von einem ausgefeilten Stil, wie man ihn in der Science-Fiction selten findet. Die aufgebaute Atmosphäre ist atemberaubend – der Leser sieht sich förmlich mit im Zimmer von Sigfrid Seelenklempner sitzen und lauscht gebannt seinen Ausführungen – während er sich auf der nächsten Seite in der schmierigsten Kneipe auf Gateway wiederfindet. Gateway mit seiner Struktur, seinen unverwechselbaren Gestalten und dieser angespannten Stimmung bleiben prägend im Gedächtnis. Ungeahntes Glück von erfolgreichen Prospektoren trifft auf unaussprechliches Leid der Hinterbliebenden, welche einen lieben Menschen in den Weiten des Alls verloren haben.

Pohl bringt dem Leser die Raumfahrt in den Hitschi-Schiffen nicht als romantisch verklärtes Abenteuer dar, sondern als abartigen Trip in die Abgründe der menschlichen Psyche. Die nackte Angst in der Einsamkeit eines Raumschiffs treibt die Prospektoren an die Grenze des Wahnsinns – während der Leser den Atem anhält und weiterlesen muss. Besonders gut im ersten Teil sind die vielschichtigen Therapie-Gespräche mit Sigfrid Seelenklempner, die einzigartige Stimmung und vor allem die Charaktere. Sie sind außergewöhnlich gut entwickelt und sehr lebensecht. Der Leser hat nach einiger Zeit das Gefühl, Rob Broadhead persönlich zu kennen. Dabei gibt es kein Gut-Böse-Schema, was sehr erfreulich ist. So passiert es schon mal, dass der Sympathieträger Rob seiner Freundin in einem Anfall von Eifersucht die Zähne ausschlägt. Beim Lesen wirkt eine solche Situation sehr befremdlich, aber vor allem sehr realistisch und lebensnah. Zusätzlich wird eine gewisse erotische und sexuelle Spannung aufgebaut, was ich in dieser Form bislang in keinem Science-Fiction-Roman erlebt habe. Dies ist jedoch sehr geschickt bewerkstelligt und durchaus ansprechend.

Der erste Teil der Trilogie hat mich dermaßen in seinen Bann gezogen – ein äußerst empfehlenswerter Lesespaß und sicherlich nicht umsonst ein legendäres Werk der Science-Fiction. Die Erwartungen an die nachfolgenden Bände sind daher naturgemäß sehr hoch – und wurden bei mir bitter enttäuscht. Nach dem psychologisch durchdachten ersten Teil mündet die Handlung dann in eine zweitklassige Abenteuergeschichte. Die Enträtselung der Hitschi nimmt viel von dem im ersten Teil aufgebauten Zauber. Es werden zwar zahlreiche interessante Ideen dargestellt – so die Bewohner der Nahrungsfabrik, aber die Handlung kommt dadurch kaum voran. Auch die Darstellung der physikalischen und politischen Zusammenhänge ist sehr simpel konzipiert und mutet teilweise unfreiwillig komisch an. Während im ersten Band viele Dinge, Zusammenhänge und Begebenheiten nur schemenhaft erwähnt wurden, werden später viele Verknüpfungen zu detailliert erklärt – dadurch geht viel Charme und Anziehung verloren.

Die größte Diskrepanz zwischen erstem Teil und Nachfolgebänden ist jedoch in den Charakteren begründet. Diese werden im zweiten und dritten Teil sehr unglaubwürdig entwickelt und dargestellt. Broadheads Frau S. Ya ist ein Paradebeispiel – sie sieht blendend aus, wird zur bestangezogenen Frau der Welt gewählt, ist eine geniale Informatikerin und bekommt mal schnell den Nobelpreis, um danach eine Fast-Food-Kette erfolgreich aufzubauen. Nach der detaillierten und glaubwürdigen Darstellung der Charaktere im ersten Teil ist dies ein sprichwörtlicher Schlag ins Gesicht. Dadurch geht sehr viel Freude an dem Roman verloren und es bleibt ein fader Nachgeschmack. Meine Empfehlung ist daher, den ersten Band unbedingt zu lesen – er verdient das Wort Meisterwerk – und die beiden anderen auszulassen.