Riebe, Brigitte – Liebe ist ein Kleid aus Feuer

_Die Autorin_

Die Autorin Brigitte Riebe, privat Brigitte Bögle, wurde 1953 in München geboren, wo sie auch heute noch als freie Schriftstellerin lebt. Sie ist promovierte Historikerin, war zunächst als Museumspädagogin tätig und hat später lange Jahre als Verlagslektorin gearbeitet, bevor sie selbst begann, Romane zu schreiben. Unter ihrem Pseudonym Lara Stern veröffentliche sie u. a. die Sina-Teufel-Romane, mit denen sie auch bekannt wurde. Bereits im Handel erhältlich ist ihr neuester Roman „Auge des Mondes“, eine Katzengeschichte, die im alten Ägypten spielt.

_Story_

Im Harz 946 n. Chr.: Auf der Burg des Grafen Raymond von Scharzfels wartet dessen Tochter Eila sehnsüchtig auf seine Rückkehr, um mit ihm zusammen auf die Falkenjagd zu gehen. Derweil vertreibt sie sich die Zeit mit ihren Tauben, die sie züchtet, und mit Träumen von ihrem neuen Geschwisterchen, das im Bauch ihrer Mutter Oda gerade heranwächst. Wenn es nur überleben würde, denn das Schicksal ließ bisher nur Eila am Leben, während vier tote Brüder bereits begraben werden mussten.

Raymond lauscht währenddessen den Trauerausbrüchen des Königs Otto I., dessen Frau im Kindbett das Leben verlor. Seine Gedanken sind ebenfalls bei seinem ungeborenen Kind – voller Angst und Grauen, was ihn erwartet, sollte er endlich wieder nach Hause zurückkehren dürfen. Doch danach sieht es erstmal nicht aus, denn der König schickt ihn in eine seiner Provinzen, wo eine Seuche wütet und er nach dem Rechten sehen soll. Dort angekommen, macht er die Bekanntschaft des außergewöhnlich begabten Schmieds Algin und dessen Familie. Kurz entschlossen, den Schmied in seinen Dienst zu nehmen, lässt er den König die Familie zum Umzug nach Scharzfels zwingen.

Auf der Burg ist inzwischen Besuch eingetroffen: Der „Strick“ – der irgendwann einmal dem Strick tatsächlich entkommen ist und der hässlichen Narbe am Hals seinen Namen verdankt – macht der Burgherrin seine Aufwartung und bietet ihr Hilfe für die Geburt an, sodass das Kind überleben kann. Die verzweifelte Oda lässt sich darauf ein, nicht ahnend, dass der Strick nichts anderes im Sinn hat, als sich an Raymond für vergangenes Übel zu rächen. Aber für Eila bringt der unsympathische Mann eine neue Freundin mit: Die kleine Roswitha wurde von ihrem Vater, ein Schwertbruder des Grafen, nach Scharzfels geschickt. Doch Rose, wie Eila sie nennt, hat eine mysteriöse Krankheit: Ohne Grund verliert sie das Bewusstsein und wird von Krämpfen geschüttelt. Und nicht nur das macht sie außergewöhnlich, Rose kann Wolken und Bäume sprechen hören, trägt ein heidnisches Symbol als Kette von ihrer verstorbenen Mutter und besitzt Wissen, das einem 12-jährigen Mädchen weit voraus ist.

Kurz darauf trifft Raymond mit der Schmiedfamilie ein. Das Baby ist tot, seine Frau Oda noch kälter und hasserfüllter als vorher. Verzweifelt stürzt er sich auf Rose, die er als sein neues Kind annimmt und die ihn mit ihrer Klugheit in Bann schlägt. Er lässt die beiden Mädchen von einem Priester unterrichten, und während Eila ihren Drang zur Freiheit unterdrücken muss, erwacht in Rose das Feuer der Poesie. Das Schicksal schlägt zu, als sich Eila in den Schmiedejungen Lando verliebt und Raymond die beiden ertappt. Der Graf verbannt Lando in die Minen des Berges, wo er lebenslang nach den Schätzen der Erde graben muss, und seine Tochter ins Kloster zu Gandersheim, wohin ihr ihre Freundin Rose folgt. Wie kann Eila ihren Lando wiedersehen, ohne Rose aufgeben zu müssen, die sich im Kloster wie zu Hause fühlt?

_Meine Meinung_

Zu viele Handlungsstränge ziehen sich durch das 633-seitige Buch, um sie alle in der Inhaltswiedergabe berücksichtigen zu können. Die beiden Hauptstränge stellen die Freundschaft zwischen Rose und Eila und die Liebe zwischen Lando und Eila dar. Die zwei so unterschiedlichen Mädchen – Rose eher still und bescheiden, Eila wild und zielbewusst – verbindet eine Freundschaft, die selbst Trennung und Schicksalsschläge überstehen kann. Rose wächst über sich hinaus, als Lando in Lebensgefahr schwebt, während Eila immer zur Stelle ist, um die schmächtige Dichterin zu beschützen und aufzumuntern. Während Rose in ihrem Glauben an die Jungfrau Maria ihr Seelenheil findet, verzweifelt Eila an der Trennung von Lando, dessen Verbleib sie nicht kennt. Die Liebe zwischen den beiden entwickelt sich aus der sexuellen Neugier zweier Teenager, die vom anderen Geschlecht fasziniert sind. Doch schnell ist klar, dass die Gefühle der beiden tiefer gehen, und trotz Trennung sind sie in Gedanken immer beieinander. Lando bleibt dem Leser am Anfang sehr fremd, weil er als oberflächlich ausgearbeiteter Charakter in Erscheinung tritt. Aber mit seiner Verbannung beginnt sein eigentlicher Reifeprozess, er gewinnt an Substanz und damit auch an Identifizierungspotential. Während Eila und Rose den Leser von Beginn an für sich einnehmen, gelingt das Lando erst als Mann. Durch seinen Unfall im Berg liegt er lange Zeit im Koma, und mir erschien es so, dass er danach erst richtig zum Leben erweckt wurde.

Die Beziehungen zwischen den einzelnen Charakteren sorgen für aufregende Spannung. Ähnlich wie in „Straße der Sterne“ verzichtet Riebe auch hier auf allzu viele Action, und auch hier ist diese nicht nötig. Die Dialoge zwischen Raymond und Oda zum Beispiel lassen von Anfang an Ungutes erahnen. Der „Strick“ sät Zwietracht und Hinterlist, wo er auch auftaucht – eine Gestalt, der man die intelligente Bösartigkeit gut abkauft und deren Motive bis zum Ende gut verschleiert bleiben. Hinzu kommen noch Auseinandersetzungen zwischen Otto I. und dessen Sohn Luidolf, der sich schließlich gegen seinen Vater stellt und die Ritter in zwei Lager spaltet. Und auch Oda geht ihren eigenen Weg – als Mätresse des Königs, der sie doch für eine neue Braut fallen lässt. Oda selbst ist übrigens ein sehr interessanter Charakter: Aus Liebe mit Raymond verheiratet, hat sie nun nur noch Verachtung und Abscheu für ihn übrig, glaubt selbst an eine Bestrafung, weil sie immer ihre Babys verliert, ist zu ihrer Tochter – ihrem einzigen Kind! – eiskalt, ja empfindet sie sogar als Ballast. Kein Wunder, dass Eila sie die „Eiskönigin“ getauft hat.

Was mir immer wieder an den Romanen von Brigitte Riebe gefällt, ist ihre Liebe zum Detail und den Kleinigkeiten, die entweder ihre Charaktere oder ihre Schauplätze ausmachen, die sie im Übrigen gerne öfter vorher besichtigt. In diesem Fall sind es die Narben im Gesicht der Schmiedfrau Gunna. Als Raymond in die Stadt der Schmiedfamilie kommt, ist das „Antoniusfeuer“ gerade am Abklingen und hat unzählige Tote hinterlassen. Gunna selbst hatte die Krankheit, die durch verderbtes Getreide hervorgerufen wird, als Kind bekommen und überlebt, doch die Narben bleiben ihr. Gunna versuchte, den Menschen den Grund für die Krankheit klarzumachen, blieb jedoch unerhört – wie so oft in der damaligen Zeit, wo die Menschen eher an Gottes Strafe oder Hexenwerk glaubten als an rationale Erklärungen.

Ebenfalls ausführlich recherchiert hat die Autorin das Thema des Bergwerks zur damaligen Zeit. Gut beschrieben wird die Arbeit der „Montani“, der Männer, die direkt im Stollen nach Erzen und Silber schürfen, und ihr Leben am Rammelsberg mit zu viel schwerer Arbeit und zu wenig Tageslicht, mit zu wenig Frauen, um Kämpfe unter den Männern zu verhindern. Ein trostloses, verlassenes Leben entweder in der ewigen Nacht des Berges oder in der Glut der Schmelzöfen. Und mittendrin ein Charakter, der sich durch einen Unfall daraus befreien kann und nicht komplett verrückt wird.

Der Geschichte folgt ein 13-seitiges Nachwort. In diesem erläutert die Autorin kurz die politische Situation der damaligen Zeit. Außerdem gibt sie Informationen zu der jungen Dichterin Roswitha von Gandersheim, der die Figur der Rose nachempfunden ist. Mehr Informationen über die Dichterin des Frühmittelalters finden interessierte Leser [hier.]http://de.wikipedia.org/wiki/Roswitha__von__Gandersheim Und schlussendlich darf der Leser erfahren, was Wahrheit und was Fiktion in „Liebe ist ein Kleid aus Feuer“ ist.

_Fazit_

Eine gute Story und sehr schöne Charaktere mit Hauptaugenmerk auf deren Beziehungen lassen „Liebe ist ein Kleid aus Feuer“ zur kurzweiligen, spannenden Lektüre werden. Riebe hat an ihren letzten historischen Roman [„Die Hüterin der Quelle“ 2190 problemlos anknüpfen können und bietet mit diesem Buch wieder einen empfehlenswerten Ausflug ins Mittelalter.

Homepage der Autorin: http://www.brigitteriebe.com/

http://www.randomhouse.de/diana/